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: Entziehung/Versagungsbescheid

Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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Berlin: Weiterhin 70 000 Haushalte mit zu hohen Mieten

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Berlin: Weiterhin 70 000 Haushalte mit zu hohen Mieten Empty Berlin: Weiterhin 70 000 Haushalte mit zu hohen Mieten

Beitrag von Willi Schartema Do Jul 05, 2012 1:34 am

Nach neuer Rechtsverordnung des Senats von Berlin
(Wohnaufwendungsverordnung WAV vom 3. April 2012) für die
Wohnkostenübernahme von ALG-II-Empfängern werden weiterhin 70 000
Bedarfsgemeinschaften Mieten zahlen, die über den Richtwerten liegen -
das ist das Ergebnis einer Studie des Forschungsinstitutes TOPOS, die
der Berliner Mieterverein in Auftrag gegeben hat. Die WAV ist am 1. Mai
2012 in Kraft getreten (siehe auch nd-Berlinausgabe vom 23. Mai 2012,
Seite 9).

Mit Aufforderungen zur Mietkostensenkung wird Druck auf
die ALG-II-Bezieher ausgeübt. Der überwiegende Teil der Haushalte wird
übergangsweise die Mehrkosten gegenüber den Leistungen des Jobcenters
durch Abzug vom Regelsatz aufbringen müssen, da preisgünstiger Wohnraum
rar ist. »Die Sparpolitik des Berliner Senats wird auf dem Rücken der
wirtschaftlich Schwächsten ausgetragen«, kritisiert der Geschäftsführer
des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, die neue Rechtsverordnung. Die
neue WAV lege zu niedrige Richtwerte für die Wohnkostenübernahme fest
und sei insgesamt nicht rechtsicher.



Weiterhin 70 000 Haushalte mit zu hohen Mieten
Neue Rechtsverordnung in Berlin zu den Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger
Nach
neuer Rechtsverordnung des Senats von Berlin (Wohnaufwendungsverordnung
WAV vom 3. April 2012) für die Wohnkostenübernahme von
ALG-II-Empfängern werden weiterhin 70 000 Bedarfsgemeinschaften Mieten
zahlen, die über den Richtwerten liegen - das ist das Ergebnis einer
Studie des Forschungsinstitutes TOPOS, die der Berliner Mieterverein in
Auftrag gegeben hat. Die WAV ist am 1. Mai 2012 in Kraft getreten (siehe
auch nd-Berlinausgabe vom 23. Mai 2012, Seite 9).

Mit
Aufforderungen zur Mietkostensenkung wird Druck auf die ALG-II-Bezieher
ausgeübt. Der überwiegende Teil der Haushalte wird übergangsweise die
Mehrkosten gegenüber den Leistungen des Jobcenters durch Abzug vom
Regelsatz aufbringen müssen, da preisgünstiger Wohnraum rar ist. »Die
Sparpolitik des Berliner Senats wird auf dem Rücken der wirtschaftlich
Schwächsten ausgetragen«, kritisiert der Geschäftsführer des Berliner
Mietervereins, Reiner Wild, die neue Rechtsverordnung. Die neue WAV lege
zu niedrige Richtwerte für die Wohnkostenübernahme fest und sei
insgesamt nicht rechtsicher.
Hebammen

Deshalb sah sich der
Berliner Mieterverein (BMV) veranlasst, die Wirkungen der neuen
Richtwerte einer Überprüfung zu unterziehen. Darüber hinaus hielt der
BMV aufgrund der jahrelang verzögerten Anpassung der bisherigen
Richtwerte eine Prüfung für notwendig, ob die durch die neue
Rechtsverordnung festgelegten Leistungen auch den verfassungsrechtlich
gebotenen individuellen existenznotwendigen Bedarf decken
(Bundesverfassungsgericht vom 9. Februar 2010). Da der Senat keine
Aussage dazu getroffen hat, in wie vielen Fällen er davon ausgeht, dass
ALG-II-Haushalte im Verhältnis zu den neuen Richtwerten »nicht
angemessene Mieten« zahlen, hat der BMV hierzu TOPOS mit einer Studie
beauftragt.
Nach TOPOS-Studie: ein Viertel liegt über neuen Werten

Fast
ein Viertel der jetzt gezahlten Mieten liegen über den neuen
Richtwerten. Auf der Basis von 962 Daten aus den Bezirken
Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Mitte, Neukölln und Pankow wurde
die Wohn- und Mietsituation von ALG-II-Empfängern untersucht. Das
Ergebnis:

● 35 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften lagen mit
ihren Mieten bereits über den alten Richtwerten, die bis zum 30. April
2012 galten. Nach Angaben der Senatsverwaltung überschritten per 31.
Dezember 2011 32,2 Prozent die alten Richtwerte. Die leichte
Überschreitung führt TOPOS auf die in den Untersuchungsgebieten
gegenüber der Gesamtstadt etwas erhöhten Mieten zurück. Bei der
Untersuchung auf Basis der neuen Richtwerte wird deshalb mit einem
Ausgleichsabschlag gearbeitet.

● 95 000 Bedarfsgemeinschaften
liegen über den von der Senatsverwaltung benannten Mittelwerten, was 31
Prozent aller Bedarfsgemeinschaften mit KdU-Bezug (Kosten der
Unterkunft) ausmacht. Über den Höchstwerten liegen danach 25,8 Prozent
(80 000 aller Bedarfsgemeinschaften). Unter Berücksichtigung von um 10
Prozent erhöhter Richtwerte bei besonderen Bedarfen gemäß § 6 WAV (lange
Wohndauer, alleinerziehend, Schwangerschaft, besondere soziale Bezüge)
zahlen noch 72 000 Bedarfsgemeinschaften (23,3 Prozent) höhere Mieten
als die mittleren Richtwerte vorgeben. Zusätzlich gibt es weitere 9000
Bedarfsgemeinschaften, die mit ihrer Miete zwar unter der
Gesamtangemessenheitsgrenze liegen, aber die Kappungsgrenze aus § 5 Abs.
2 WAV überschreiten und damit Quadratmetermieten zahlen, die mehr als
50 Prozent über den Richtwerten liegen - das sind etwa drei Prozent und
9000 aller Bedarfsgemeinschaften.

In den ausgewählten meist
innerstädtischen Quartieren würden daher 26,3 Prozent aller
Bedarfsgemeinschaften Mieten zahlen, die über den Richtwerten liegen.
Unter Berücksichtigung des genannten Ausgleichsabschlages ergibt sich
für die Gesamtstadt, dass etwa 70 000 Bedarfsgemeinschaften Mieten
zahlen, die auch nach dem 1. Mai 2012 über den Richtwerten liegen. Diese
Haushalte werden demzufolge von den Jobcentern zur Senkung ihrer
Wohnkosten aufgefordert werden und gegebenenfalls einen Teil ihres
ALG-II-Regelsatzes für die Miete aufwenden müssen.
Berliner Mieterverein übt Kritik am Senatskonzept

Das
von der zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales
dargelegte WAV-Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessene
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist hinsichtlich der
Anforderungen aus der gesetzlichen Grundlage von § 22b Abs. 2 des SGB II
nicht schlüssig, so der Berliner Mieterverein. Dies ergebe sich aus
mehreren Gründen:

1. Als Datengrundlage wird zwar auf den
Berliner Mietspiegel Bezug genommen, dies sei aber nicht ausreichend.
Weder sind Miethöhen aus dem Sozialen Wohnungsbau für die Richtwerte
eingeflossen, noch wird die gesetzlich erforderliche Verfügbarkeit von
Wohnraum für notwendigen Wohnungswechsel hinreichend über den Berliner
Mietspiegel abgebildet.

2. Die Wohnungsaufwendungsverordnung
berücksichtigt nur die anhand des Wohnungsbestandes gewichteten
Mittelwerte aus einfacher Wohnlage. Nach gesetzlichen Vorgaben ist ein
einfacher Standard zugrunde zu legen. Einfacher Standard ist aber nicht
gleichzusetzen mit einfacher Wohnlage. Nach Bewertung des
Bundessozialgerichts soll die Unterkunft nach Ausstattung, Lage und
Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und
keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen.

Vielmehr bewohnen
ALG-II- Empfänger auch Wohnraum in mittlerer und vereinzelt sicher auch
in guter Wohnlage, wie Kontrollrechnungen des Mietervereins für die
Wohnungsgrößenklassen unter 40 qm und von 40 bis unter 60 qm belegen:

Wohnungen
unter 40 qm: Laut Bundesagentur für Arbeit bewohnten am 31. Dezember
2011 in Berlin 50 793 Bedarfsgemeinschaften Wohnungen unter 40 qm. Nach
Schätzungen des Berliner Mietervereins kommen noch einmal bis zu 15 000
Haushalte von 31 000 Haushalten dazu, bei denen keine Angaben über die
Wohnungsgröße vorlagen. In einfacher Wohnlage gibt es jedoch laut
Wohnungsbestandstatistik nur 57 000 Wohnungen in Mietspiegelfeldern, die
für die Anmietung von ALG-II-Empfängern geeignet sind.

Wohnungen
von 40 bis unter 60 qm: Auch hier wird bestätigt, dass ALG-II-Empfänger
zu einem größeren Anteil in mittlerer Wohnlage wohnen. Laut
Bundesagentur für Arbeit bewohnten 102 641 Bedarfsgemeinschaften
Wohnungen von 40 bis unter 60 qm. Etwa 14 000 Bedarfsgemeinschaften
haben keine Angabe zur Wohnungsgröße gemacht. Demnach leben etwa 117 000
Haushalte in Wohnungen dieser Größe. Im Mietspiegel für einfache
Wohnlage befinden sich aber nur 108 300 Wohnungen. Selbst wenn man jene
unberücksichtigt ließe, von denen keine Angabe zur Wohnungsgröße
vorliegt, dann müssten mindestens 100 Prozent aller Wohnungen in
einfacher Wohnlage von ALG-II-Empfängern bewohnt sein. Dies ist absolut
unrealistisch. Die ausschließliche Erfassung der Mietwerte aus einfacher
Wohnlage (gemäß Berliner Mietspiegel) für die neuen Richtwerte bildet
daher die Wohnsituation von ALG-II-Empfängern nicht schlüssig ab.
Verfügbarkeit angemessenen Wohnraums nicht dargestellt

Der
Berliner Mieterverein erklärt, dass mit dem Bezug auf den Berliner
Mietspiegel die Verfügbarkeit des angemessenen Wohnraums nicht
dargestellt ist, unter anderem, weil jede dritte Wohnung mit einer Größe
von bis zu 60 qm (323 000 Wohnungen bis 50 qm, 304 900 Wohnungen mit 50
bis 60 qm) von einem ALG-II-Empfänger (also 204 128
Bedarfsgemeinschaften mit einer oder zwei Personen) zu den neuen
Mietrichtwerten angemietet sein müsste. Eine solche Wohnungsverteilung
trifft nicht zu. Vielmehr müssen laut Bundesagentur für Arbeit 73 220
Ein- und Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaften auf größere Wohnungen
ausweichen.

Der Berliner Mieterverein sieht die Rechtssicherheit
der WAV nicht gewahrt, weil das Konzept zur Bestimmung der Richtwerte
zur Übernahme der Unterkunftskosten von ALG-II-Empfängern nicht
schlüssig ist.

Die Rechtssicherheit ist darüber hinaus nicht
gewahrt, weil bei der Übernahme von Heizkosten auf Pauschalwerte
abgestellt wird, die nicht regional erhoben sind, sondern aus dem
bundesweiten Heizspiegel von CO2-online entnommen wurden, und die nicht
alle gebräuchlichen Wärmeversorgungstypen beinhalten, da Angaben zur
sonstigen gewerblichen Wärmelieferung (Contracting) fehlen, die in der
Regel über den Heizkosten von öl- und gasbefeuerten Anlagen oder
Fernwärmekosten liegen.

Das Bundessozialgericht hat deutlich
gemacht (Urteil vom 2. Juli 2009, Az. B 14 AS 36/08 R), dass ein
Anspruch auf Heizkostenerstattung in Höhe der konkret-individuell
geltend gemachten Aufwendungen bestehe. Eine Pauschalisierung sei
unzulässig.

Rechtssicher dürfte auch § 5 Abs. 2 WAV nicht sein,
weil diese Beschränkung der Wohnkostenübernahme (trotz Einhaltung der
Gesamtangemessenheitsgrenze für Mieten, die mehr als 50 Prozent über den
Richtwerten liegen) rein wohnungswirtschaftlich begründet ist und nicht
dem Gesetzeszweck entspricht, nämlich Richtwerte für angemessenen
Wohnkosten darzustellen. Der Berliner Mieterverein geht daher davon aus,
dass auch gegen die Bescheide auf Basis der neuen Rechtsverordnung
massiv Widerspruch bei den Berliner Sozialgerichten eingelegt wird.
Miethöhen bei Modernisierung nicht erfasst

Entgegen
der Einschätzung der zuständigen Senatsverwaltung ist der Berliner
Mieterverein der Auffassung, dass über den Bezug auf den Berliner
Mietspiegel modernisierungsbedingte Mietsteigerungen zum Beispiel auch
für die klimapolitisch erwünschte energetische Gebäudesanierung nicht
durch den Mietspiegel hinreichend abgebildet sind,

- weil die
Modernisierungsrate (derzeit unter ein Prozent) so gering ist, dass
diese Mieten statistisch im Mietspiegel bei der Bildung des Mittelwertes
unbedeutend sind,

- weil wegen der fehlenden Aktualität der Mietspiegeldaten Baupreisentwicklungen nicht berücksichtigt sind,

-
weil grundsätzlich modernisierungsbedingte Mietsteigerungen mit 11
Prozent der Investitionskosten die im Mietspiegel abgebildeten
Mittelwerte ortsüblicher Vergleichsmieten in der Regel erheblich
übersteigen, so dass in diesen Fällen ein Umzug des ALG-II- Empfängers
zumeist unumgänglich ist.
Höhere Richtwerte als die in der neuen WAV gerechtfertigt

Aus
der TOPOS-Studie ergibt sich, dass Empfänger von ALG II hinsichtlich
der beanspruchten Wohnung sparsam sind. Auch liegt die Quadratmetermiete
deutlich unter der, die von allen Haushalten durchschnittlich gezahlt
wird. Der BMV setzt sich daher für eine umgehende Verbesserung der neuen
WAV durch Erhöhung der Richtwerte, der Einführung eines
Wiedervermietungszuschlages und eines Klimabonus ein. Dies sei auch
finanzpolitisch vertretbar.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/229487.weiterhin-70-000-haushalte-mit-zu-hohen-mieten.html

http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/06/berlin-weiterhin-70-000-haushalte-mit.html
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