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Verfassungswidrigkeit der neuen Regelleistungen nach dem SGB 2 ?
Seite 1 von 1
Verfassungswidrigkeit der neuen Regelleistungen nach dem SGB 2 ?
Bayerisches Landessozialgericht lehnt - erneut - die Verfassungswidrigkeit der neuen Regelleistungen nach dem SGB 2 ab.
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 10.08.2011, - L 16 AS 305/11 NZB -
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145454&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann und dem Sozialberater Willi 2:
Es
lohnt sich nach wie vor, Widerspruch einzulegen und ggf. Klage zu
erheben,von Kollegen wurde uns berichtet, dass in anderen Fällen
Prozesskostenhilfe zu der Frage bewilligt wurde, ob die Antragsteller
Anspruch auf einen höheren Regelbedarf nach dem SGB II haben.
Die
Begründung des LSG Bayern gut lesen und versuchen Nachweise zu
erbringen, warum die neuen Regelleistungen nicht den Vorgaben des
Gesetzgebers entsprechen, pauschale Anmerkungen oder Studien zum SGB II
müssen nicht immer vorteilhaft sein, immer den persönlichen Einzelfall
im Auge behalten.
Mit Beschluss vom 10.08.2011 hat das Bayerisches Landessozialgericht
entschieden,
dass der Kläger im Zeitraum von Januar bis April 2011 keinen Anspruch
auf einen höheren Regelbedarf nach dem SGB II hat, als gesetzlich
vorgesehen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger hatte zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf verwiesen, dass
"
der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe im Gesetz
vom 24.03.2011 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht
hinreichend beachtet habe. Hierzu gebe es einen Musterschriftsatz des
Deutschen Anwaltvereins, dessen Inhalt er wie folgt wiedergibt:
-
Die Festlegung der Referenzgruppe sei in qualitativer und quantitativer
Hinsicht fehlerhaft, insbesondere, soweit bei den Einzelpersonen auf
die unteren 15 % und bei den Familienhaushalten auf die unteren 20 %
abgestellt werde.
- Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
(EVS) von 2008 sei im Gegensatz zu derjenigen von 2003 als
Datengrundlage nicht ausreichend, da keine eigenen statistischen
Erhebungen der Bundesregierung zu den Bedarfen vorgenommen worden seien.
-
Die Problematik von Abschlägen infolge der Vermischung des Warenkorb-
mit dem Statistik-Modell führe zu einer Größenordnung der Reduzierung
des Regelsatzes, die es ausschließe, einen überdurchschnittlichen Bedarf
in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer
anderen Position auszugleichen. Hinzu komme, dass die Abschläge immer
auch Personen träfen, die diese Ausgaben nicht hätten.
-
Tabak und Alkohol hätten nicht aus dem Regelbedarf gestrichen werden
dürfen, weil der Konsum von Bier und Wein vielfach Bestandteil einer
regionalen Kultur sei. Es gebe nur sehr wenige Veranstaltungen im
privaten und öffentlichen Bereich, in denen die Zugehörigkeit im
gesellschaftlichen Leben nicht auch dadurch geprägt sei, dass man in der
Lage sei, die Kosten für ein Getränk, das auch Alkohol enthalte,
aufzubringen, wie das Bier beim Schauen einer Sport- oder
Musikveranstaltung. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, bei denen
der Konsum von Bier oder Wein üblich sei, dürfe auch Empfängern von
Leistungen nach dem SGB II nicht grundsätzlich vorenthalten bleiben.
-
Bei der Berechnung des Bedarfs für Verkehr hätten Personen, die ein
Auto fahren, nicht herausgerechnet werden dürfen. Dies bewirke einen
deutlichen statistischen Fehler, der zu einer Verfälschung nach unten
führe."
Die Rechtssache hat im vorliegenden Fall keine grundsätzliche Bedeutung.
Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Urteil vom 09.02.2010 (BVerfGE
125, 175) ausführlich und erschöpfend zu den verfassungsrechtlichen
Vorgaben für die Bestimmung der Höhe der Regelleistung durch den
Gesetzgeber im SGB II und SGB XII Stellung genommen. Die hierbei zu
beachtenden Grundsätze sind damit höchstrichterlich geklärt.
Grundsätzliche
Bedeutung hätte man im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides
noch der Frage beimessen können, in welcher Höhe die Regelleistung in
der Zeit ab dem 01.01.2011 bis zu der vom Bundesverfassungsgericht
geforderten gesetzlichen Neuregelung der Regelleistung anzuwenden war,
weil das Bundesverfassungsgericht in seinem oben genannten Urteil die
bis dahin geltende gesetzliche Regelung für verfassungswidrig und nur
für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 für anwendbar erklärt hatte.
Diese
allenfalls übergangsweise bestehende grundsätzliche Rechtsfrage hat
sich jedoch mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von
Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I S. 453; vgl. Neubekanntmachung
des SGB II vom 13.05.2011, BGB. I S. 850) erledigt. In diesem Gesetz hat
der Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II den Regelbedarf für
Alleinstehende von 359 EUR rückwirkend zum 01.01.2011 auf 364 EUR
erhöht.
Auch die Rechtsfrage, ob die Neuregelung der Regelbedarfe
zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 20 SGB II durch das Gesetz vom
24.03.2011 mit dem aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrecht auf
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmininums in Einklang steht
und insbesondere die vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 hierfür
aufgestellten Grundsätze beachtet hat, bedarf keiner grundsätzlichen
Klärung, weil Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen
Neuregelung nicht bestehen.
Das BVerfG hat bereits im Urteil vom
09.12.2010 festgestellt, dass der seiner Entscheidung zugrunde liegende
Regelsatz für Alleinstehende in Höhe von 345 EUR nicht evident
unzureichend ist (aaO. Rdnr. 152). Dies muss für den nach § 20 Abs. 2
SGB II n. F. auf 364 EUR erhöhten Regelbedarf für Alleinstehende erst
recht gelten.
Das BVerfG hat darüber hinaus nur gefordert, dass
der Gesetzgeber zur Ermittlung des Anspruchsumfangs alle
existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und
sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der
Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu
berechnen hat (aaO. Rdnr. 139). Dabei steht dem Gesetzgeber ein
Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen
Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen
Bedarfs umfasst (aaO. Ls. 2 und Rdnr. 138).
Eine bestimmte
Methode ist ihm nicht vorgeschrieben, jedoch müssen Abweichungen von der
gewählten Methode sachlich gerechtfertigt sein (Rdnr. 139). Mit
Rücksicht auf den gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum beschränkt sich
die materielle Kontrolle des BVerfG im Hinblick auf das Ergebnis
darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (Rdnr. 141).
Aus
den Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP vom 26.10.2010 BT-Drs. 17/3404, S. 42 ff.) geht hervor, dass der
Gesetzgeber sich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur
Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe gehalten hat.
Auf Grundlage
einer Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)
von 2008 wurden die Bedarfe von Erwachsenen und Kindern im Einzelnen
ermittelt. Abschläge von einzelnen Verbrauchspositionen wurden entweder
nicht mehr vorgenommen (z. B. bei Bekleidung) oder durch
Sonderauswertungen berichtigt (z. B. Heizstromanteil,
Personennahverkehr, Telefonkosten).
Die Fortschreibung der
Regelbedarfe wurde an die Entwicklung der Preise mit einem Anteil von 70
% sowie der Nettolöhne und -gehälter zu 30 % angebunden (§ 20 Abs. 5
SGB II i. V. m. § 28a SGB XII), statt wie zuvor an die
Rentenentwicklung.
Zu den Leistungen für Bildung und Teilhabe für
Kinder und Jugendliche wurden gesonderte Anspruchsgrundlagen in §§ 28
und 29 SGB II geschaffen. Für den Mehrbedarf in atypischen Härtefällen
war bereits mit Gesetz vom 27.05.2010 (BGBl I S. 1076) in § 21 Abs. 6
SGB II eine Anspruchsgrundlage eingefügt worden, die den Vorgaben des
BVerfG entspricht.
Einzelne Punkte der Ermittlung des neuen
Regelbedarfs werden politisch unterschiedlich bewertet, etwa die
Abgrenzung der unteren Einkommensschicht nach § 4
Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG), wonach von den
Einpersonenhaushalten die unteren 15 % und von den Familienhaushalten
die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt werden. Dies darf aber
nicht mit der Frage verwechselt werden, ob die getroffene Regelung
verfassungswidrig ist.
Das BVerfG hat im Urteil vom 09.02.2010
nicht die Forderung aufgestellt, nicht weniger als die unteren 20 % der
Haushalte zu berücksichtigen. Es hat lediglich festgestellt, dass die
bisherige Entscheidung des Gesetzgebers, die unteren 20 % der Haushalte
zu berücksichtigen, auf sachgerechten Erwägungen beruhe und deshalb
nicht zu beanstanden sei, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es
nicht zu prüfen habe, ob die Wahl einer anderen Referenzgruppe
angemessener gewesen wäre (aaO. Rdnr. 168).
Auf sachgerechten
Erwägungen beruht auch die neue Wahl der Referenzgruppe durch den
Gesetzgeber in § 4 RBEG. Er durfte davon ausgehen, dass die Wahl der
untersten 15 % bei den Einpersonenhaushalten die Gruppe der Bezieher von
geringen Einkommen möglichst breit erfasst und statistisch zuverlässige
Daten erlangt werden.
Dabei hat der Gesetzgeber nachvollziehbar
berücksichtigt, dass bei den Einpersonenhaushalten der Anteil der vorab -
zur Vermeidung von Zirkelschlüssen - ausgeschlossenen Haushalte mit 8,6
% aller Haushalte dieses Haushaltstyps erheblich über den bei der
Sonderauswertung der EVS 2003 ausgeschlossenen Haushalten (0,5 %) liegt,
der durchschnittliche Konsum der jeweiligen Referenzgruppe um ca. 70,-
EUR monatlich gestiegen ist und bei einem Anteil der Referenzhaushalte
von 20 % an allen nach dem Nettoeinkommen geschichteten
Einpersonenhaushalten sich die Abgrenzung nach oben hin zu höheren
Einkommen verschieben würde (BT-Drs. 17/3404, S. 89).
Auch der
Vergleich der Obergrenze der Referenzgruppe "Einpersonenhaushalte" der
Sonderauswertung EVS 2008 und EVS 2003 zeigt, dass diese nunmehr bei
22,3 % (8,6 % ausgeschlossene Haushalte + 15 % Referenzhaushalte)
gegenüber 20,5 % (EVS 2003) liegt (vgl. BT-Drs. 17/3404, S 89).
Dass
der Gesetzgeber bei der Referenzgruppe "Familienhaushalte" (§ 2 Nr. 2
RBEG) dagegen die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt (§ 4 S. 1
und 2 Nr. 2 RBEG), ist nicht zu beanstanden, da hier zur Vermeidung von
Zirkelschlüssen lediglich 2,3 % der Paarhaushalte mit Kind nach § 3 RBEG
ausgeschlossen werden mussten.
Ein Fehler ist dem Gesetzgeber
allerdings zugunsten der Betroffenen unterlaufen, der bei der Festlegung
des Existenzminimums einen Spielraum nach oben eröffnet.
Die
Bedarfsermittlungen im RBEG wurden nämlich auf der Grundlage
vorgenommen, dass die Kosten für Warmwasser aus dem Regelbedarf zu
bezahlen sind. Erst in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens
wurden die Kosten für Warmwasser zu den Kosten der Unterkunft umsortiert
(vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 7 und § 77 Abs. 6 SGB II), ohne
aber gleichzeitig die Regelbedarfe entsprechend nach unten zu
korrigieren.
Zu den übrigen vom Kläger gegen die
Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Regebedarfe vorgebrachten
Argumenten ist auszuführen:
- Anhaltspunkte dafür, dass die EVS 2008 als Datengrundlage nicht ausreichend sein könnten, sind nicht gegeben.
-
Die Möglichkeit, die Ausgaben der erfassten unteren Referenzgruppe nur
zu einem bestimmten Anteil zu berücksichtigen, wurde vom BVerfG
ausdrücklich anerkannt, sofern die Abschläge realitätsnah und
nachvollziehbar ermittelt werden (aaO. Rdnr. 170). Warum dies nicht
geschehen sein soll, wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch in
sonstiger Weise nicht ersichtlich.
- Die Entscheidung,
Ausgaben für Tabak und Alkohol nicht zu berücksichtigen (und
gleichzeitig die Ausgaben für Mineralwasser um 2,99 EUR zu erhöhen), ist
rein politischer Art, in verfassungsrechtlicher Hinsicht vom
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aber abgedeckt.
-
Ebenso gehört die Entscheidung, die Ausgaben für die Nutzung von
Kraftfahrzeugen nicht zu berücksichtigen, in den politischen, aber
rechtlich nicht überprüfbaren Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der
im Ausgleich dafür in nachvollziehbarer Weise durch eine
Sonderauswertung den Anteil der Ausgaben für Fahrräder und den
öffentlichen Personennahverkehr erhöht hat (BT-Drs. 17/3404 S. 59).
-
Dass Stromkosten in den Regelbedarf eingerechnet und nicht in
tatsächlicher Höhe als Kosten der Unterkunft erstattet werden, stellt
ebenfalls eine politische Entscheidung des Gesetzgebers dar, die
rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Insbesondere hat das
Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 10.06.2011 (Az. L
12 AS 1077/11) die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung
ausführlich begründet.
Anmerkung : Siehe dazu folgenden Beitrag :
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/07/von-einer-verfassungswidrigkeit-des.html
Der
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von
Rechtsanwältin A. ist gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114
Zivilprozessordnung abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung
nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat
(Anschluss an BayLSG, Beschlüsse vom 27.05.2011 Az. L 7 AS 342/11 B PKH
und vom 05.07.2011 Az. L 16 AS 310/11 B PKH).
Anmerkung vom Sozialberater Willi 2:
1.
Höhe der Hartz-IV-Zuschüsse für Warmwasser reicht nicht sagen die
Sozialrechtsexperten - Kinder brauchen doch nicht so viel Wasser sagt
der Gesetzgeber
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/hohe-der-hartz-iv-zuschusse-fur.html
2. Hartz IV Regelsätze- Und sie sind doch verfassungswidrig
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/hohe-der-hartz-iv-zuschusse-fur.html
3. Musterschriftsatz für eine Klage zum Regelsatz für Bedarfsgemeinschaften mit Kinder (und Alleinstehende)
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/hohe-der-hartz-iv-zuschusse-fur.html
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/bayerisches-landessozialgericht-lehnt.html
Gruß Willi S
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 10.08.2011, - L 16 AS 305/11 NZB -
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145454&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann und dem Sozialberater Willi 2:
Es
lohnt sich nach wie vor, Widerspruch einzulegen und ggf. Klage zu
erheben,von Kollegen wurde uns berichtet, dass in anderen Fällen
Prozesskostenhilfe zu der Frage bewilligt wurde, ob die Antragsteller
Anspruch auf einen höheren Regelbedarf nach dem SGB II haben.
Die
Begründung des LSG Bayern gut lesen und versuchen Nachweise zu
erbringen, warum die neuen Regelleistungen nicht den Vorgaben des
Gesetzgebers entsprechen, pauschale Anmerkungen oder Studien zum SGB II
müssen nicht immer vorteilhaft sein, immer den persönlichen Einzelfall
im Auge behalten.
Mit Beschluss vom 10.08.2011 hat das Bayerisches Landessozialgericht
entschieden,
dass der Kläger im Zeitraum von Januar bis April 2011 keinen Anspruch
auf einen höheren Regelbedarf nach dem SGB II hat, als gesetzlich
vorgesehen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger hatte zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf verwiesen, dass
"
der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe im Gesetz
vom 24.03.2011 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht
hinreichend beachtet habe. Hierzu gebe es einen Musterschriftsatz des
Deutschen Anwaltvereins, dessen Inhalt er wie folgt wiedergibt:
-
Die Festlegung der Referenzgruppe sei in qualitativer und quantitativer
Hinsicht fehlerhaft, insbesondere, soweit bei den Einzelpersonen auf
die unteren 15 % und bei den Familienhaushalten auf die unteren 20 %
abgestellt werde.
- Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
(EVS) von 2008 sei im Gegensatz zu derjenigen von 2003 als
Datengrundlage nicht ausreichend, da keine eigenen statistischen
Erhebungen der Bundesregierung zu den Bedarfen vorgenommen worden seien.
-
Die Problematik von Abschlägen infolge der Vermischung des Warenkorb-
mit dem Statistik-Modell führe zu einer Größenordnung der Reduzierung
des Regelsatzes, die es ausschließe, einen überdurchschnittlichen Bedarf
in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer
anderen Position auszugleichen. Hinzu komme, dass die Abschläge immer
auch Personen träfen, die diese Ausgaben nicht hätten.
-
Tabak und Alkohol hätten nicht aus dem Regelbedarf gestrichen werden
dürfen, weil der Konsum von Bier und Wein vielfach Bestandteil einer
regionalen Kultur sei. Es gebe nur sehr wenige Veranstaltungen im
privaten und öffentlichen Bereich, in denen die Zugehörigkeit im
gesellschaftlichen Leben nicht auch dadurch geprägt sei, dass man in der
Lage sei, die Kosten für ein Getränk, das auch Alkohol enthalte,
aufzubringen, wie das Bier beim Schauen einer Sport- oder
Musikveranstaltung. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, bei denen
der Konsum von Bier oder Wein üblich sei, dürfe auch Empfängern von
Leistungen nach dem SGB II nicht grundsätzlich vorenthalten bleiben.
-
Bei der Berechnung des Bedarfs für Verkehr hätten Personen, die ein
Auto fahren, nicht herausgerechnet werden dürfen. Dies bewirke einen
deutlichen statistischen Fehler, der zu einer Verfälschung nach unten
führe."
Die Rechtssache hat im vorliegenden Fall keine grundsätzliche Bedeutung.
Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Urteil vom 09.02.2010 (BVerfGE
125, 175) ausführlich und erschöpfend zu den verfassungsrechtlichen
Vorgaben für die Bestimmung der Höhe der Regelleistung durch den
Gesetzgeber im SGB II und SGB XII Stellung genommen. Die hierbei zu
beachtenden Grundsätze sind damit höchstrichterlich geklärt.
Grundsätzliche
Bedeutung hätte man im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides
noch der Frage beimessen können, in welcher Höhe die Regelleistung in
der Zeit ab dem 01.01.2011 bis zu der vom Bundesverfassungsgericht
geforderten gesetzlichen Neuregelung der Regelleistung anzuwenden war,
weil das Bundesverfassungsgericht in seinem oben genannten Urteil die
bis dahin geltende gesetzliche Regelung für verfassungswidrig und nur
für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 für anwendbar erklärt hatte.
Diese
allenfalls übergangsweise bestehende grundsätzliche Rechtsfrage hat
sich jedoch mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von
Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I S. 453; vgl. Neubekanntmachung
des SGB II vom 13.05.2011, BGB. I S. 850) erledigt. In diesem Gesetz hat
der Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II den Regelbedarf für
Alleinstehende von 359 EUR rückwirkend zum 01.01.2011 auf 364 EUR
erhöht.
Auch die Rechtsfrage, ob die Neuregelung der Regelbedarfe
zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 20 SGB II durch das Gesetz vom
24.03.2011 mit dem aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrecht auf
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmininums in Einklang steht
und insbesondere die vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 hierfür
aufgestellten Grundsätze beachtet hat, bedarf keiner grundsätzlichen
Klärung, weil Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen
Neuregelung nicht bestehen.
Das BVerfG hat bereits im Urteil vom
09.12.2010 festgestellt, dass der seiner Entscheidung zugrunde liegende
Regelsatz für Alleinstehende in Höhe von 345 EUR nicht evident
unzureichend ist (aaO. Rdnr. 152). Dies muss für den nach § 20 Abs. 2
SGB II n. F. auf 364 EUR erhöhten Regelbedarf für Alleinstehende erst
recht gelten.
Das BVerfG hat darüber hinaus nur gefordert, dass
der Gesetzgeber zur Ermittlung des Anspruchsumfangs alle
existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und
sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der
Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu
berechnen hat (aaO. Rdnr. 139). Dabei steht dem Gesetzgeber ein
Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen
Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen
Bedarfs umfasst (aaO. Ls. 2 und Rdnr. 138).
Eine bestimmte
Methode ist ihm nicht vorgeschrieben, jedoch müssen Abweichungen von der
gewählten Methode sachlich gerechtfertigt sein (Rdnr. 139). Mit
Rücksicht auf den gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum beschränkt sich
die materielle Kontrolle des BVerfG im Hinblick auf das Ergebnis
darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (Rdnr. 141).
Aus
den Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP vom 26.10.2010 BT-Drs. 17/3404, S. 42 ff.) geht hervor, dass der
Gesetzgeber sich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur
Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe gehalten hat.
Auf Grundlage
einer Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)
von 2008 wurden die Bedarfe von Erwachsenen und Kindern im Einzelnen
ermittelt. Abschläge von einzelnen Verbrauchspositionen wurden entweder
nicht mehr vorgenommen (z. B. bei Bekleidung) oder durch
Sonderauswertungen berichtigt (z. B. Heizstromanteil,
Personennahverkehr, Telefonkosten).
Die Fortschreibung der
Regelbedarfe wurde an die Entwicklung der Preise mit einem Anteil von 70
% sowie der Nettolöhne und -gehälter zu 30 % angebunden (§ 20 Abs. 5
SGB II i. V. m. § 28a SGB XII), statt wie zuvor an die
Rentenentwicklung.
Zu den Leistungen für Bildung und Teilhabe für
Kinder und Jugendliche wurden gesonderte Anspruchsgrundlagen in §§ 28
und 29 SGB II geschaffen. Für den Mehrbedarf in atypischen Härtefällen
war bereits mit Gesetz vom 27.05.2010 (BGBl I S. 1076) in § 21 Abs. 6
SGB II eine Anspruchsgrundlage eingefügt worden, die den Vorgaben des
BVerfG entspricht.
Einzelne Punkte der Ermittlung des neuen
Regelbedarfs werden politisch unterschiedlich bewertet, etwa die
Abgrenzung der unteren Einkommensschicht nach § 4
Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG), wonach von den
Einpersonenhaushalten die unteren 15 % und von den Familienhaushalten
die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt werden. Dies darf aber
nicht mit der Frage verwechselt werden, ob die getroffene Regelung
verfassungswidrig ist.
Das BVerfG hat im Urteil vom 09.02.2010
nicht die Forderung aufgestellt, nicht weniger als die unteren 20 % der
Haushalte zu berücksichtigen. Es hat lediglich festgestellt, dass die
bisherige Entscheidung des Gesetzgebers, die unteren 20 % der Haushalte
zu berücksichtigen, auf sachgerechten Erwägungen beruhe und deshalb
nicht zu beanstanden sei, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es
nicht zu prüfen habe, ob die Wahl einer anderen Referenzgruppe
angemessener gewesen wäre (aaO. Rdnr. 168).
Auf sachgerechten
Erwägungen beruht auch die neue Wahl der Referenzgruppe durch den
Gesetzgeber in § 4 RBEG. Er durfte davon ausgehen, dass die Wahl der
untersten 15 % bei den Einpersonenhaushalten die Gruppe der Bezieher von
geringen Einkommen möglichst breit erfasst und statistisch zuverlässige
Daten erlangt werden.
Dabei hat der Gesetzgeber nachvollziehbar
berücksichtigt, dass bei den Einpersonenhaushalten der Anteil der vorab -
zur Vermeidung von Zirkelschlüssen - ausgeschlossenen Haushalte mit 8,6
% aller Haushalte dieses Haushaltstyps erheblich über den bei der
Sonderauswertung der EVS 2003 ausgeschlossenen Haushalten (0,5 %) liegt,
der durchschnittliche Konsum der jeweiligen Referenzgruppe um ca. 70,-
EUR monatlich gestiegen ist und bei einem Anteil der Referenzhaushalte
von 20 % an allen nach dem Nettoeinkommen geschichteten
Einpersonenhaushalten sich die Abgrenzung nach oben hin zu höheren
Einkommen verschieben würde (BT-Drs. 17/3404, S. 89).
Auch der
Vergleich der Obergrenze der Referenzgruppe "Einpersonenhaushalte" der
Sonderauswertung EVS 2008 und EVS 2003 zeigt, dass diese nunmehr bei
22,3 % (8,6 % ausgeschlossene Haushalte + 15 % Referenzhaushalte)
gegenüber 20,5 % (EVS 2003) liegt (vgl. BT-Drs. 17/3404, S 89).
Dass
der Gesetzgeber bei der Referenzgruppe "Familienhaushalte" (§ 2 Nr. 2
RBEG) dagegen die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt (§ 4 S. 1
und 2 Nr. 2 RBEG), ist nicht zu beanstanden, da hier zur Vermeidung von
Zirkelschlüssen lediglich 2,3 % der Paarhaushalte mit Kind nach § 3 RBEG
ausgeschlossen werden mussten.
Ein Fehler ist dem Gesetzgeber
allerdings zugunsten der Betroffenen unterlaufen, der bei der Festlegung
des Existenzminimums einen Spielraum nach oben eröffnet.
Die
Bedarfsermittlungen im RBEG wurden nämlich auf der Grundlage
vorgenommen, dass die Kosten für Warmwasser aus dem Regelbedarf zu
bezahlen sind. Erst in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens
wurden die Kosten für Warmwasser zu den Kosten der Unterkunft umsortiert
(vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 7 und § 77 Abs. 6 SGB II), ohne
aber gleichzeitig die Regelbedarfe entsprechend nach unten zu
korrigieren.
Zu den übrigen vom Kläger gegen die
Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Regebedarfe vorgebrachten
Argumenten ist auszuführen:
- Anhaltspunkte dafür, dass die EVS 2008 als Datengrundlage nicht ausreichend sein könnten, sind nicht gegeben.
-
Die Möglichkeit, die Ausgaben der erfassten unteren Referenzgruppe nur
zu einem bestimmten Anteil zu berücksichtigen, wurde vom BVerfG
ausdrücklich anerkannt, sofern die Abschläge realitätsnah und
nachvollziehbar ermittelt werden (aaO. Rdnr. 170). Warum dies nicht
geschehen sein soll, wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch in
sonstiger Weise nicht ersichtlich.
- Die Entscheidung,
Ausgaben für Tabak und Alkohol nicht zu berücksichtigen (und
gleichzeitig die Ausgaben für Mineralwasser um 2,99 EUR zu erhöhen), ist
rein politischer Art, in verfassungsrechtlicher Hinsicht vom
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aber abgedeckt.
-
Ebenso gehört die Entscheidung, die Ausgaben für die Nutzung von
Kraftfahrzeugen nicht zu berücksichtigen, in den politischen, aber
rechtlich nicht überprüfbaren Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der
im Ausgleich dafür in nachvollziehbarer Weise durch eine
Sonderauswertung den Anteil der Ausgaben für Fahrräder und den
öffentlichen Personennahverkehr erhöht hat (BT-Drs. 17/3404 S. 59).
-
Dass Stromkosten in den Regelbedarf eingerechnet und nicht in
tatsächlicher Höhe als Kosten der Unterkunft erstattet werden, stellt
ebenfalls eine politische Entscheidung des Gesetzgebers dar, die
rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Insbesondere hat das
Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 10.06.2011 (Az. L
12 AS 1077/11) die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung
ausführlich begründet.
Anmerkung : Siehe dazu folgenden Beitrag :
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/07/von-einer-verfassungswidrigkeit-des.html
Der
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von
Rechtsanwältin A. ist gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114
Zivilprozessordnung abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung
nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat
(Anschluss an BayLSG, Beschlüsse vom 27.05.2011 Az. L 7 AS 342/11 B PKH
und vom 05.07.2011 Az. L 16 AS 310/11 B PKH).
Anmerkung vom Sozialberater Willi 2:
1.
Höhe der Hartz-IV-Zuschüsse für Warmwasser reicht nicht sagen die
Sozialrechtsexperten - Kinder brauchen doch nicht so viel Wasser sagt
der Gesetzgeber
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/hohe-der-hartz-iv-zuschusse-fur.html
2. Hartz IV Regelsätze- Und sie sind doch verfassungswidrig
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/hohe-der-hartz-iv-zuschusse-fur.html
3. Musterschriftsatz für eine Klage zum Regelsatz für Bedarfsgemeinschaften mit Kinder (und Alleinstehende)
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/hohe-der-hartz-iv-zuschusse-fur.html
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/09/bayerisches-landessozialgericht-lehnt.html
Gruß Willi S
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