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Betriebkostennachzahlung alte Wohnung Auch für frühere Wohnungen müssen Hartz IV -Behörden die Betriebskostennachzahlung für ALG II Bezieher übernehmen
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Betriebkostennachzahlung alte Wohnung Auch für frühere Wohnungen müssen Hartz IV -Behörden die Betriebskostennachzahlung für ALG II Bezieher übernehmen
FSS · Sächsisches Landessozialgericht 3. Senat
Urteil
1. Instanz Sozialgericht Chemnitz S 22 AS 2922/07 30.05.2008
2. Instanz Sächsisches Landessozialgericht L 3 AS 188/08 10.09.2009
3. Instanz
Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitsuchende
Entscheidung
I. Das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2008 wird,
soweit die Klage der Klägerin abgewiesen wurde, aufgehoben und die
Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar
2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007, den
Bescheid vom 15. August 2006 abzuändern und der Klägerin weitere Kosten
der Unterkunft für den Monat September 2006 in Höhe von 212,30 EUR zu
bewilligen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die
Klägerin begehrt die Übernahme einer im September 2006 fälligen
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung in Höhe von 212,30 EUR, welche
aus einer Betriebskosten- und Heizmittelabrechnung für das Jahr 2005
aus einem im Februar 2006 beendeten Mietverhältnis resultiert.
Die
Klägerin bezog durchgängig Leistungen der Grundsicherung nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB
II).
Die Klägerin beantragte erstmals am 18. Februar 2005 –
allerdings erfolglos – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte sie eine Wohnung in der S.
7 in 09496 M ... Das Mietverhältnis bestand vom 1. April 2004 bis
einschließlich 14. März 2005 zwischen den Stadtwerken M. GmbH und dem
"Sozialpädagogischen Erziehungs- und Familienhelfer e.V.", welcher für
die Betreuung der Klägerin bis dahin zuständig war. Mit Wirkung zum 15.
März 2005 begründete die volljährig gewordene Klägerin mit der
Stadtwerke M. GmbH ein eigenes Mietverhältnis für die vorgenannte
Wohnung. Die zu entrichtende Gesamtmiete betrug 174,69 EUR.
Die
Mutter der Klägerin wohnte ausweislich des Erstantrages ebenfalls in M
... Ihr Vater hat eine Wohnung in dem knapp 100 km entfernten K. (S.
Sch. ).
Auf den zweiten Antrag der Klägerin hin bewilligte die
Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2005 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Januar
2006 in Höhe von monatlich 373,51 EUR.
Am 28. Februar 2006 teilte
die Klägerin der Beklagten mit, dass sie in ihre aktuelle Wohnung in
der Scheffelstraße 16 in 09496 M. umziehen werde. Der Mietvertrag wurde
am 27. März 2006 "mit Wirkung zum 01.03.2006" unterzeichnet. Der Umzug
erfolgte am 1. März 2006. Die Klägerin hatte für diese Wohnung eine
Grundmiete in Höhe von 175,50 EUR zu entrichten. Für den Bezug von
Heizmitteln sowie für die allgemeinen Betriebskosten der Wohnung waren
Vorauszahlungen im Umfang von insgesamt 74,10 EUR zu zahlen. Das Wasser
wurde über den zentralen Heizkreislauf erhitzt.
Die Beklagte
bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 18. Januar 2006 in der Fassung
des Änderungsbescheides vom 1. März 2006 Arbeitslosengeld II für den
Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Juli 2006.
Mit Bescheid vom
15. August 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II
für den Zeitraum 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 in Höhe von
monatlich 462,42 EUR. Neben dem Regelbedarf in Höhe von 345,00 EUR
anerkannte die Beklagte dabei auch Unterkunfts- und Heizmittelkosten im
Umfang von 241,42 EUR. Dies entspricht der geschuldeten Gesamtmiete
abzüglich einer Warmwasserpauschale in Höhe von 8,18 EUR. Die Beklagte
rechnete das der Klägerin zufließende Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR
abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR als Einkommen
an. Über ein eigenes Fahrzeug verfügte die Klägerin im Jahr 2006 nicht.
Ab
dem 4. September 2006 besuchte die Klägerin die Fachoberschule für W.
und V. am Beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft und Hauswirtschaft M
... Mit Bescheid vom 8. November 2006 lehnte das Landratsamt Mittlerer
Erzgebirgskreis – Amt für Ausbildungsforderung – eine
Berufsausbildungsförderung mit der Begründung ab, dass eine Förderung
für den Besuch von weiterführenden Schulen nur geleistet werde, wenn der
Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohne und von der Wohnung der
Eltern eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht innerhalb
von zwei Stunden erreichbar sei. Dies sei hier aber der Fall.
Am
26. September 2006 legte die Klägerin der Beklagten die Betriebskosten-
und Heizmittelabrechnung der Stadtwerke M. GmbH vom 31. August 2006 für
das Jahr 2005, betreffend die nicht mehr von der Klägerin genutzte
Wohnung in der S. 7, vor und bat um Übernahme der Verbindlichkeit.
Danach ergab sich ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 212,30 EUR,
welcher im September 2006 zur Zahlung fällig war.
Mit
streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Januar 2007 lehnte die Beklagte
die Übernahme der Nachforderung mit der Begründung ab, es handele sich
um Schulden aus einem vergangenen Mietverhältnis. Eine Übernahme komme
nur unter den – nicht gegebenen – Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II
in Betracht.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin
vom 21. Februar 2007. Sie wandte sich gegen die Höhe der bewilligten
Leistungen, insbesondere gegen die von der Beklagten vorgenommene
Einordnung der Betriebskosten- und Heizmittelnachforderung als
Mietschulden. Der sich aus der Abrechnung ergebende Betrag sei ein
aktueller Bedarf für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II im Monat der Fälligkeit der Betriebskosten- und
Heizmittelnachforderung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli
2007, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 13. Juli 2007, wies die
Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, die
Nachforderung aus der Betriebskosten- und Heizmittelabrechnung könne
lediglich in Anwendung von § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II von ihr getragen
werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben.
Auf
die Klage vom 13. August 2007 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30.
Mai 2008 der Klägerin 1,51 EUR zugesprochen und im Übrigen die Klage
hinsichtlich der begehrten Übernahme der Betriebs- und
Heizkostennachforderung für die Wohnung, die die Klägerin im Zeitpunkt
der Fälligkeit nicht mehr bewohnt hat, abgewiesen. Das Sozialgericht hat
die Berufung zugelassen und die Klageabweisung damit begründet, dass
grundsätzlich bei nachträglichen Änderungen ein Verwaltungsakt mit
Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben sei,
soweit den tatsächlichen rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass
eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung zu Gunsten des Betroffenen eintritt (§ 40 Abs. 1
Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz – [SGB X] und § 330 Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – [SGB III]). Zwar sei eine Änderung
eingetreten, allerdings habe die Klägerin keinen Anspruch auf höhere
Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB
II. Im Rahmen dieser Vorschrift seien nur Aufwendungen für die aktuell
noch genutzte Unterkunft anzuerkennen. Eine Betriebsnachzahlung für die
nicht mehr genutzte Wohnung stelle keinen Bedarf der Klägerin im
September 2006 gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Ein solcher Anspruch
ergebe ich auch nicht aus § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Zwar gehörten zur
Wohnungsbeschaffungskosten auch doppelte Mietaufwendungen in der Phase
des Umzuges. Zweck der Übernahme sei es jedoch, in der Umzugsphase
sowohl die bisher genutzte Unterkunft als auch den neuen
Lebensmittelpunkt zu sichern. Zudem müssten die daraus resultierenden
Mehraufwendungen unvermeidbar seien. Dies habe die Beklagte zutreffend
verneint. Zudem fehle es an der zwingend erforderlichen Zusicherung zum
Umzug. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 22 Abs. 5 SGB II. Die
Beklagte habe im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt, dass
Mietschulden nur dann übernommen werden sollen, wenn dies gerechtfertigt
und notwendig ist und ansonsten Wohnungslosigkeit einzutreten drohe.
Die Klägerin sei jedoch auch nach Ablehnung der Schuldenübernahme nicht
von Wohnungslosigkeit bedroht gewesen.
Die Klägerin hat gegen das
ihr am 13. Juni 2008 zugestellte Urteil am 14. Juli 2008, einem Montag,
Berufung eingelegt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag führt sie
aus, dass es nicht zu ihren Lasten gehen könne, dass die monatliche
Betriebskostenvorauszahlung zu gering bemessen gewesen sei. Dass sie zum
Zeitpunkt des Zugangs der Betriebskosten- und Heizmittelnachforderung
bereits aus der der Abrechnung zu Grunde liegenden Wohnung ausgezogen
gewesen sei, könne einer Bewilligung zusätzlicher Leistungen nicht
entgegenstehen. Sie habe keinen Einfluss auf den Zugang und den
Zeitpunkt der Abrechnung durch die Stadtwerke M. GmbH gehabt.
Die Klägerin beantragt:
Das
Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2008 wird, soweit die
Klage der Klägerin abgewiesen wurde, aufgehoben und die Beklagte
verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 15. August 2006 und
Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007 der Klägerin weitere Kosten der
Unterkunft für den Monat September 2006 in Höhe von 212,30 EUR zu
bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die
Beklagte vertritt ebenso wie das Sozialgericht die Auffassung, dass es
sich bei den Betriebskostennachzahlungen für eine im Zeitpunkt der
Geltendmachung dieser Nachzahlung nicht mehr genutzte Wohnung nicht mehr
um laufende Kosten der Unterkunft und Heizung handelt, sondern um
Schulden aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis.
Das
Gericht hat die erstinstanzliche Gerichtsakte (Az.: S 22 AS 2922/07) und
die Leistungsakte der Beklagten (Nr. der Bedarfsgemeinschaft: 07106 BG
000 7960) beigezogen, auf welche zur Ergänzung des Sach- und
Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen
Anspruch der Klägerin auf Abänderung des ursprünglichen
Bewilligungsbescheides und Übernahme der Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung verneint.
1. Der Antrag, die
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung für das Jahr 2005 zusätzlich
zum bewilligten Arbeitslosengeld II zu übernehmen, ist gemäß § 123 des
Sozialgerichtgesetzes (SGG) auszulegen (eingehend hierzu: SächsLSG,
Urteil vom 3. April 2008 – L 3 AS 164/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 22 ff.).
Bei sachgerechter Auslegung begehrt die Klägerin die Abänderung des
Bewilligungsbescheides vom 15. August 2006 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB
II i. V. m. § 48 SGB X. Denn die Beklagte hat in diesem Bescheid über
den Antrag der Klägerin vom 28. Juni 2006, ihr Arbeitslosengeld II für
die Zeit ab 1. August 2006 zu gewähren, bestandskräftig entschieden.
Höhere Leistungen als die bewilligten können aber nur geleistet werden,
wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid mit Wirkung und Zeitpunkt
der Änderung geändert wird (vgl. SächsLSG, a. a. O., Rdnr. 22). Dies ist
gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X auch dann möglich, wenn die
Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt.
Prozessrechtlich ist
dieses Begehren mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage
im Sinne von § 54 Abs 4 SGG zu verfolgen. Die Anfechtungsklage richtet
sich bei einem Antrag nach § 48 SGB X allerdings nicht nur gegen den
Bescheid, mit dem die Aufhebung des ursprünglichen
Bewilligungsbescheides abgelehnt worden ist, sondern auch gegen den
ursprünglichen Bescheid, auf den der Antrag nach § 48 SGB X zielt (so
zum Antrag gemäß § 44 SGB X: SächsLSG, a. a. O., Rdnr. 27, m. w. N.).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Anfechtungsklage
einerseits auf die Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides vom 15.
August 2006 gerichtet ist, soweit darin nicht die Betriebskosten- und
Heizmittelnachforderung enthalten ist, und andererseits auf die
Ablehnung ihres Antrages gemäß § 48 SGB X durch den Bescheid vom 31.
Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007.
2.
Streitgegenständlich sind nur die Kosten der Unterkunft im Monat
September 2006. Weitere Streitgegenstände waren nicht zu prüfen, da die
Klägerin in der Berufung ausdrücklich nur noch die Kosten der Unterkunft
in Höhe von 212,30 EUR, also einen abtrennbaren Streitgegenstand (vgl.
BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 Rdnr.
18 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 Rdnr. 18 = JURIS-Dokument Rdnr. 18; vgl.
auch: BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 59/06 R – NJW 2008,
2458 = JURIS-Dokument Rdnr. 15), geltend macht.
3. Die Klägerin
hat einen Anspruch auf Abänderung des ursprünglichen
Bewilligungsbescheides und Übernahme der Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung in Höhe von 212,30 EUR.
a) Diesem Anspruch
steht nicht entgegen, dass die Klägerin ab dem 4. September 2006 die
Fachoberschule besuchte. Denn sie war trotzdem weiterhin
leistungsberechtigt im Sinne des § 7 SGB II. Zwar haben gemäß § 7 Abs. 5
Satz 1 SGB II unter anderem Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig
ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Besuch einer Fachoberschulklasse, deren Besuch – wie im Falle der
Klägerin – eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, ist
gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundesgesetzes über individuelle
Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) dem
Grunde nach förderfähig. Der Klägerin blieb allerdings die
Ausbildungsförderung verwehrt, weil sie nicht die Voraussetzungen des § 2
Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG erfüllte. Danach wird Ausbildungsförderung
für den Besuch der in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätten,
mithin auch für den Besuch einer Fachoberschule, nur geleistet, wenn der
Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der
Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht
erreichbar ist. Für diesen Fall enthält aber § 7 Abs. 6 Nr.1 SGB II eine
Rückausnahme. Danach findet § 7 Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf
Auszubildende, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf
Ausbildungsförderung haben.
b) Anspruchsgrundlage für die
Abänderung des Bewilligungsbescheides ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.
V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist
ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X mit
Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu
Gunsten des Betroffenen erfolgt. Dies ist vorliegend der Fall.
Die
Beklagte war bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 15. August 2006
noch vom richtigen Sachverhalt ausgegangen, da die Vermieterin der
Klägerin, die Stadtwerke M. GmbH, die Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung noch nicht geltend gemacht hatte.
Allerdings
ist dieser Bescheid nachträglich unrichtig geworden. Denn auch für
September 2006 wurden nur die laufenden Kosten für Unterkunft und
Heizung als tatsächliche und angemessene Aufwendungen im Sinne von § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II übernommen. Die im September 2006 fällige
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung blieb hingegen
unberücksichtigt. Bei der streitgegenständlichen Neben- und
Heizkostennachforderung in Höhe von 212,30 EUR handelt es sich in dem
Monat der Fälligkeit um tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und
Heizung, die als laufender Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG II
zu befriedigen sind, und nicht um Mietschulden (unten c).
Der
Berücksichtigung der Forderung zur Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung stehen die Regelungen in § 37 Abs. 1 und 2 SGB II,
wonach Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag,
jedoch nicht für Zeit vor der Antragstellung erbracht werden, nicht
entgegen. Diese Regelungen beziehen sich auf die Leistungen der
Grundsicherung insgesamt. Für eine Antragstellung im Sinne des § 37 SGB
II reicht eine Geltendmachung dem Grunde nach aus (vgl. SG Freiburg,
Urteil vom 1. Februar 2008 – S 12 AS 3204/06 – JURIS-Dokument Rdnr. 19;
SG Hildesheim, Urteil vom 27. April 2009 – S 43 AS 80/08 –
JURIS-Dokument Rdnr. 28). Die streitige Grundsicherungsleistung ist im
vorliegenden Fall die Leistung für Unterkunft und Heizung im Sinne von §
19 Satz 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 22 SGB II. Die Übernahme der
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung ist aber keine eigenständige
Leistung. Die Nachzahlungsforderung ist ein Posten bei den Aufwendungen
für Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. SächsLSG, a. a. O., Rdnr.
34). Der Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosengeld II wurde aber bereits
im Juni 2006 gestellt, bevor die Abrechnung vom 31. August 2006
zugegangen ist und im September 2006 fällig gestellt worden ist.
c)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch auf Übernahme
der Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung nicht auf eine –
regelmäßig darlehensweise – Übernahme auf der Grundlage von § 22 Abs. 5
SGB II beschränkt. Denn es liegen keine Mietschulden im Sinne dieser
Regelung vor.
Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die
trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen
Vorauszahlungen entstehen und vom Vermieter geltend gemacht werden, sind
grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1
SGB II anzusehen und nicht etwa als Schulden nur unter den
Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen (vgl. SächsLSG, a.
a. O., Rdnr. 41; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.
Januar 2009 – L 7 AS 44/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 50).
Hilfebedürftigkeit
besteht zunächst nur in Höhe der vereinbarten Vorauszahlung, die sich
im Nachhinein als zu gering bemessen herausstellen kann. Denn der Mieter
hat tatsächlich nur diese Vorauszahlung zu leisten. Mietschulden liegen
hingegen erst vor, wenn der Mieter auf eine mietrechtliche
Verpflichtung (vgl. § 241 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) trotz
Fälligkeit (vgl. § 271 BGB) nicht geleistet hat (vgl. SächsLSG, a. a.
O., Rdnr. 42).
Auch die Klägerin war mietvertraglich nur
verpflichtet, die vereinbarte Vorauszahlung zu leisten. Wenn – wie
vorliegend – der Vermieter am Ende der vereinbarten Rechungsperiode an
Hand der dann bekannten Daten feststellt, dass die monatlichen
Vorauszahlungen die tatsächlich entstandenen Kosten nicht decken und
dementsprechend von dem Mieter eine Nachzahlung fordert, so stellt diese
Nachforderung erst zu diesem Zeitpunkt einen gegenwärtigen, nach § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II zu befriedigenden Bedarf dar. Auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsverwaltungsgericht zur Sozialhilfe
konnte der Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung erst nach endgültiger
Abrechnung entstehen und fällig werden, und stellte dementsprechend
erst im Zeitpunkt seiner Geltendmachung eine Tatsache dar, die als
gegenwärtiger Bedarf zu befriedigen war (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.
Februar 1988 – 5 C 89/85 – BVerwGE 79, 46 = JURIS-Dokument Rdnr. 10;
Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [3. Aufl., 2009], § 22 Rdnr. 20, m.
w. N.).
Die Regelungen in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 22 Abs.
5 SGB II stehen sich in einem Ausschließlichkeitsverhältnis gegenüber.
Das bedeutet, dass ein gegenwärtiger Bedarf hinsichtlich der
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB
II zu decken ist, nicht zugleich eine Mietschuld im Sinne von § 22 Abs.
5 SGB II sein kann. Ein gegenwärtiger Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II, der noch nicht gedeckt ist, kann sich auch nicht
beispielsweise durch bloßen Zeitablauf in Schulden im Sinne von § 22
Abs. 5 SGB II umwandeln. Daher sind Schulden im Sinne des § 22 Abs. 5
SGB II nur zum einen solche offenen, das heißt von dem Hilfedürftigen
noch nicht erfüllten, fälligen Verbindlichkeiten, die aus der Zeit vor
Beginn des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II herrühren. Zum andern können darüber hinaus während des
laufenden Leistungsbezugs Schulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II
entstehen, wenn der Hilfebedürftige seine laufenden zivilrechtlichen
oder öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten über Dritte nicht
vollständig erfüllt, obwohl der Leistungsträger Leistungen in
gesetzmäßiger Höhe gewährt hatte (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 31. Mai
2006 – L 3 B 273/05 AS-ER – JURIS-Dokument Rdnr. 41).
In Bezug
auf die streitige Nachzahlungsforderung ist eine Bedarfslage im Sinne
von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch nicht deshalb zu verneinen, weil die
Klägerin im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzahlungsforderung nicht
mehr die Unterkunft bewohnte, auf die sich die Forderung bezieht. Denn
die Grundsicherung bezweckt, soweit es die Leistungen für Unterkunft und
Heizung betrifft, nicht nur, den Hilfebedürftigen durch die Übernahme
der angemessenen Aufwendungen vor Wohnungslosigkeit zu bewahren.
Vielmehr soll mit dem Arbeitslosengeld II dem Betroffenen und den mit
ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen ein der Würde des
Menschen entsprechendes Leben ermöglicht und der Lebensunterhalt im
Rahmen des soziokulturellen Existenzminimums gesichert werden, wenn sie
hierzu selbst nicht in der Lage sind (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 44 f.).
Dies bedeutet aber, dass ein Hilfebedürftiger, der sich durchgängig im
Leistungsbezug befand, der seinen Verpflichtungen aus einem Mietvertrag
ordnungsgemäß nachkam, und bei dem die Unterkunfts- und Heizkosten
angemessen sind, nicht mit einem Teil dieser Kosten als Schulden
zurückgelassen werden darf.
Etwas anderes würde möglicherweise
gelten, wenn es sich um Mietschulden handeln würde, die aus der Zeit
herrühren, die vor der Hilfebedürftigkeit lagen oder aber wenn im
Zeitpunkt der Gegenwärtigkeit des Bedarfs beim Leistungsempfänger
Hilfebedürftigkeit nicht mehr vorliegen würde (vgl. Herold-Tews, in:
Löns/Herold-Tews, SGB II [2. Aufl., 2009], § 22 Rdnr. 22). Beide
Varianten sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
d) Entgegen der
von der Beklagten vertretenen Ansicht steht dem Anspruch der Klägerin
auch nicht die mit Artikel 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I
S. 558 ff.) mit Wirkung vom 1. April 2006 eingefügte Regelung für junge
Hilfebedürftige in § 22 Satz 2a SGB II entgegen. Nach dieser Vorschrift
erhalten Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem Umzug nur dann, wenn
sie vorher die Zusicherung des Leistungsträgers eingeholt haben. Zum
einen galt diese Vorschrift noch nicht im Zeitpunkt ihres Umzuges am 1.
März 2006. Zum anderen bezieht sich die Vorschrift nach dem
Gesetzeszweck auf den erstmaligen Umzug, nicht auf Folgeumzüge (vgl.
Berlit, a. a. O., § 22 Rdnr. 81; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB
II [2. Aufl., 2008], § 22 Rdnr. 80e). Die Klägerin war bereits im Jahr
2004 auf Grund familiärer Probleme aus der elterlichen Wohnung
ausgezogen. Sie stand unter der Betreuung des Sozialpädagogischen
Erziehungs- und Familienhelfer e.V., welcher einen Mietvertrag mit den
Stadtwerken M. GmbH vermittelt hatte.
e) Gegen die Höhe und die Angemessenheit der geltend gemachten Mietnebenkosten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II bestehen keine Bedenken.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
III.
Die Revision wurde gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage,
ob Betriebskostennachzahlungen auch dann zu übernehmen sind, wenn das
Mietverhältnis, aus welchem sie herrühren, im Zeitpunkt der Fälligkeit
der Betriebskostennachzahlung nicht mehr besteht, der
Leistungsberechtigte aber im Zeitpunkt der Fälligkeit bedürftig ist, hat
über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=126642
Gruß Willi S
Urteil
1. Instanz Sozialgericht Chemnitz S 22 AS 2922/07 30.05.2008
2. Instanz Sächsisches Landessozialgericht L 3 AS 188/08 10.09.2009
3. Instanz
Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitsuchende
Entscheidung
I. Das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2008 wird,
soweit die Klage der Klägerin abgewiesen wurde, aufgehoben und die
Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar
2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007, den
Bescheid vom 15. August 2006 abzuändern und der Klägerin weitere Kosten
der Unterkunft für den Monat September 2006 in Höhe von 212,30 EUR zu
bewilligen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die
Klägerin begehrt die Übernahme einer im September 2006 fälligen
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung in Höhe von 212,30 EUR, welche
aus einer Betriebskosten- und Heizmittelabrechnung für das Jahr 2005
aus einem im Februar 2006 beendeten Mietverhältnis resultiert.
Die
Klägerin bezog durchgängig Leistungen der Grundsicherung nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB
II).
Die Klägerin beantragte erstmals am 18. Februar 2005 –
allerdings erfolglos – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte sie eine Wohnung in der S.
7 in 09496 M ... Das Mietverhältnis bestand vom 1. April 2004 bis
einschließlich 14. März 2005 zwischen den Stadtwerken M. GmbH und dem
"Sozialpädagogischen Erziehungs- und Familienhelfer e.V.", welcher für
die Betreuung der Klägerin bis dahin zuständig war. Mit Wirkung zum 15.
März 2005 begründete die volljährig gewordene Klägerin mit der
Stadtwerke M. GmbH ein eigenes Mietverhältnis für die vorgenannte
Wohnung. Die zu entrichtende Gesamtmiete betrug 174,69 EUR.
Die
Mutter der Klägerin wohnte ausweislich des Erstantrages ebenfalls in M
... Ihr Vater hat eine Wohnung in dem knapp 100 km entfernten K. (S.
Sch. ).
Auf den zweiten Antrag der Klägerin hin bewilligte die
Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2005 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Januar
2006 in Höhe von monatlich 373,51 EUR.
Am 28. Februar 2006 teilte
die Klägerin der Beklagten mit, dass sie in ihre aktuelle Wohnung in
der Scheffelstraße 16 in 09496 M. umziehen werde. Der Mietvertrag wurde
am 27. März 2006 "mit Wirkung zum 01.03.2006" unterzeichnet. Der Umzug
erfolgte am 1. März 2006. Die Klägerin hatte für diese Wohnung eine
Grundmiete in Höhe von 175,50 EUR zu entrichten. Für den Bezug von
Heizmitteln sowie für die allgemeinen Betriebskosten der Wohnung waren
Vorauszahlungen im Umfang von insgesamt 74,10 EUR zu zahlen. Das Wasser
wurde über den zentralen Heizkreislauf erhitzt.
Die Beklagte
bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 18. Januar 2006 in der Fassung
des Änderungsbescheides vom 1. März 2006 Arbeitslosengeld II für den
Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Juli 2006.
Mit Bescheid vom
15. August 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II
für den Zeitraum 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 in Höhe von
monatlich 462,42 EUR. Neben dem Regelbedarf in Höhe von 345,00 EUR
anerkannte die Beklagte dabei auch Unterkunfts- und Heizmittelkosten im
Umfang von 241,42 EUR. Dies entspricht der geschuldeten Gesamtmiete
abzüglich einer Warmwasserpauschale in Höhe von 8,18 EUR. Die Beklagte
rechnete das der Klägerin zufließende Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR
abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR als Einkommen
an. Über ein eigenes Fahrzeug verfügte die Klägerin im Jahr 2006 nicht.
Ab
dem 4. September 2006 besuchte die Klägerin die Fachoberschule für W.
und V. am Beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft und Hauswirtschaft M
... Mit Bescheid vom 8. November 2006 lehnte das Landratsamt Mittlerer
Erzgebirgskreis – Amt für Ausbildungsforderung – eine
Berufsausbildungsförderung mit der Begründung ab, dass eine Förderung
für den Besuch von weiterführenden Schulen nur geleistet werde, wenn der
Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohne und von der Wohnung der
Eltern eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht innerhalb
von zwei Stunden erreichbar sei. Dies sei hier aber der Fall.
Am
26. September 2006 legte die Klägerin der Beklagten die Betriebskosten-
und Heizmittelabrechnung der Stadtwerke M. GmbH vom 31. August 2006 für
das Jahr 2005, betreffend die nicht mehr von der Klägerin genutzte
Wohnung in der S. 7, vor und bat um Übernahme der Verbindlichkeit.
Danach ergab sich ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 212,30 EUR,
welcher im September 2006 zur Zahlung fällig war.
Mit
streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Januar 2007 lehnte die Beklagte
die Übernahme der Nachforderung mit der Begründung ab, es handele sich
um Schulden aus einem vergangenen Mietverhältnis. Eine Übernahme komme
nur unter den – nicht gegebenen – Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II
in Betracht.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin
vom 21. Februar 2007. Sie wandte sich gegen die Höhe der bewilligten
Leistungen, insbesondere gegen die von der Beklagten vorgenommene
Einordnung der Betriebskosten- und Heizmittelnachforderung als
Mietschulden. Der sich aus der Abrechnung ergebende Betrag sei ein
aktueller Bedarf für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II im Monat der Fälligkeit der Betriebskosten- und
Heizmittelnachforderung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli
2007, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 13. Juli 2007, wies die
Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, die
Nachforderung aus der Betriebskosten- und Heizmittelabrechnung könne
lediglich in Anwendung von § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II von ihr getragen
werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben.
Auf
die Klage vom 13. August 2007 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30.
Mai 2008 der Klägerin 1,51 EUR zugesprochen und im Übrigen die Klage
hinsichtlich der begehrten Übernahme der Betriebs- und
Heizkostennachforderung für die Wohnung, die die Klägerin im Zeitpunkt
der Fälligkeit nicht mehr bewohnt hat, abgewiesen. Das Sozialgericht hat
die Berufung zugelassen und die Klageabweisung damit begründet, dass
grundsätzlich bei nachträglichen Änderungen ein Verwaltungsakt mit
Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben sei,
soweit den tatsächlichen rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass
eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung zu Gunsten des Betroffenen eintritt (§ 40 Abs. 1
Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz – [SGB X] und § 330 Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – [SGB III]). Zwar sei eine Änderung
eingetreten, allerdings habe die Klägerin keinen Anspruch auf höhere
Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB
II. Im Rahmen dieser Vorschrift seien nur Aufwendungen für die aktuell
noch genutzte Unterkunft anzuerkennen. Eine Betriebsnachzahlung für die
nicht mehr genutzte Wohnung stelle keinen Bedarf der Klägerin im
September 2006 gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Ein solcher Anspruch
ergebe ich auch nicht aus § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Zwar gehörten zur
Wohnungsbeschaffungskosten auch doppelte Mietaufwendungen in der Phase
des Umzuges. Zweck der Übernahme sei es jedoch, in der Umzugsphase
sowohl die bisher genutzte Unterkunft als auch den neuen
Lebensmittelpunkt zu sichern. Zudem müssten die daraus resultierenden
Mehraufwendungen unvermeidbar seien. Dies habe die Beklagte zutreffend
verneint. Zudem fehle es an der zwingend erforderlichen Zusicherung zum
Umzug. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 22 Abs. 5 SGB II. Die
Beklagte habe im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt, dass
Mietschulden nur dann übernommen werden sollen, wenn dies gerechtfertigt
und notwendig ist und ansonsten Wohnungslosigkeit einzutreten drohe.
Die Klägerin sei jedoch auch nach Ablehnung der Schuldenübernahme nicht
von Wohnungslosigkeit bedroht gewesen.
Die Klägerin hat gegen das
ihr am 13. Juni 2008 zugestellte Urteil am 14. Juli 2008, einem Montag,
Berufung eingelegt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag führt sie
aus, dass es nicht zu ihren Lasten gehen könne, dass die monatliche
Betriebskostenvorauszahlung zu gering bemessen gewesen sei. Dass sie zum
Zeitpunkt des Zugangs der Betriebskosten- und Heizmittelnachforderung
bereits aus der der Abrechnung zu Grunde liegenden Wohnung ausgezogen
gewesen sei, könne einer Bewilligung zusätzlicher Leistungen nicht
entgegenstehen. Sie habe keinen Einfluss auf den Zugang und den
Zeitpunkt der Abrechnung durch die Stadtwerke M. GmbH gehabt.
Die Klägerin beantragt:
Das
Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2008 wird, soweit die
Klage der Klägerin abgewiesen wurde, aufgehoben und die Beklagte
verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 15. August 2006 und
Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007 der Klägerin weitere Kosten der
Unterkunft für den Monat September 2006 in Höhe von 212,30 EUR zu
bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die
Beklagte vertritt ebenso wie das Sozialgericht die Auffassung, dass es
sich bei den Betriebskostennachzahlungen für eine im Zeitpunkt der
Geltendmachung dieser Nachzahlung nicht mehr genutzte Wohnung nicht mehr
um laufende Kosten der Unterkunft und Heizung handelt, sondern um
Schulden aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis.
Das
Gericht hat die erstinstanzliche Gerichtsakte (Az.: S 22 AS 2922/07) und
die Leistungsakte der Beklagten (Nr. der Bedarfsgemeinschaft: 07106 BG
000 7960) beigezogen, auf welche zur Ergänzung des Sach- und
Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen
Anspruch der Klägerin auf Abänderung des ursprünglichen
Bewilligungsbescheides und Übernahme der Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung verneint.
1. Der Antrag, die
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung für das Jahr 2005 zusätzlich
zum bewilligten Arbeitslosengeld II zu übernehmen, ist gemäß § 123 des
Sozialgerichtgesetzes (SGG) auszulegen (eingehend hierzu: SächsLSG,
Urteil vom 3. April 2008 – L 3 AS 164/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 22 ff.).
Bei sachgerechter Auslegung begehrt die Klägerin die Abänderung des
Bewilligungsbescheides vom 15. August 2006 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB
II i. V. m. § 48 SGB X. Denn die Beklagte hat in diesem Bescheid über
den Antrag der Klägerin vom 28. Juni 2006, ihr Arbeitslosengeld II für
die Zeit ab 1. August 2006 zu gewähren, bestandskräftig entschieden.
Höhere Leistungen als die bewilligten können aber nur geleistet werden,
wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid mit Wirkung und Zeitpunkt
der Änderung geändert wird (vgl. SächsLSG, a. a. O., Rdnr. 22). Dies ist
gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X auch dann möglich, wenn die
Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt.
Prozessrechtlich ist
dieses Begehren mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage
im Sinne von § 54 Abs 4 SGG zu verfolgen. Die Anfechtungsklage richtet
sich bei einem Antrag nach § 48 SGB X allerdings nicht nur gegen den
Bescheid, mit dem die Aufhebung des ursprünglichen
Bewilligungsbescheides abgelehnt worden ist, sondern auch gegen den
ursprünglichen Bescheid, auf den der Antrag nach § 48 SGB X zielt (so
zum Antrag gemäß § 44 SGB X: SächsLSG, a. a. O., Rdnr. 27, m. w. N.).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Anfechtungsklage
einerseits auf die Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides vom 15.
August 2006 gerichtet ist, soweit darin nicht die Betriebskosten- und
Heizmittelnachforderung enthalten ist, und andererseits auf die
Ablehnung ihres Antrages gemäß § 48 SGB X durch den Bescheid vom 31.
Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007.
2.
Streitgegenständlich sind nur die Kosten der Unterkunft im Monat
September 2006. Weitere Streitgegenstände waren nicht zu prüfen, da die
Klägerin in der Berufung ausdrücklich nur noch die Kosten der Unterkunft
in Höhe von 212,30 EUR, also einen abtrennbaren Streitgegenstand (vgl.
BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 Rdnr.
18 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 Rdnr. 18 = JURIS-Dokument Rdnr. 18; vgl.
auch: BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 59/06 R – NJW 2008,
2458 = JURIS-Dokument Rdnr. 15), geltend macht.
3. Die Klägerin
hat einen Anspruch auf Abänderung des ursprünglichen
Bewilligungsbescheides und Übernahme der Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung in Höhe von 212,30 EUR.
a) Diesem Anspruch
steht nicht entgegen, dass die Klägerin ab dem 4. September 2006 die
Fachoberschule besuchte. Denn sie war trotzdem weiterhin
leistungsberechtigt im Sinne des § 7 SGB II. Zwar haben gemäß § 7 Abs. 5
Satz 1 SGB II unter anderem Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig
ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Besuch einer Fachoberschulklasse, deren Besuch – wie im Falle der
Klägerin – eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, ist
gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundesgesetzes über individuelle
Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) dem
Grunde nach förderfähig. Der Klägerin blieb allerdings die
Ausbildungsförderung verwehrt, weil sie nicht die Voraussetzungen des § 2
Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG erfüllte. Danach wird Ausbildungsförderung
für den Besuch der in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätten,
mithin auch für den Besuch einer Fachoberschule, nur geleistet, wenn der
Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der
Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht
erreichbar ist. Für diesen Fall enthält aber § 7 Abs. 6 Nr.1 SGB II eine
Rückausnahme. Danach findet § 7 Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf
Auszubildende, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf
Ausbildungsförderung haben.
b) Anspruchsgrundlage für die
Abänderung des Bewilligungsbescheides ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.
V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist
ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X mit
Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu
Gunsten des Betroffenen erfolgt. Dies ist vorliegend der Fall.
Die
Beklagte war bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 15. August 2006
noch vom richtigen Sachverhalt ausgegangen, da die Vermieterin der
Klägerin, die Stadtwerke M. GmbH, die Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung noch nicht geltend gemacht hatte.
Allerdings
ist dieser Bescheid nachträglich unrichtig geworden. Denn auch für
September 2006 wurden nur die laufenden Kosten für Unterkunft und
Heizung als tatsächliche und angemessene Aufwendungen im Sinne von § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II übernommen. Die im September 2006 fällige
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung blieb hingegen
unberücksichtigt. Bei der streitgegenständlichen Neben- und
Heizkostennachforderung in Höhe von 212,30 EUR handelt es sich in dem
Monat der Fälligkeit um tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und
Heizung, die als laufender Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG II
zu befriedigen sind, und nicht um Mietschulden (unten c).
Der
Berücksichtigung der Forderung zur Betriebskosten- und
Heizmittelnachzahlung stehen die Regelungen in § 37 Abs. 1 und 2 SGB II,
wonach Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag,
jedoch nicht für Zeit vor der Antragstellung erbracht werden, nicht
entgegen. Diese Regelungen beziehen sich auf die Leistungen der
Grundsicherung insgesamt. Für eine Antragstellung im Sinne des § 37 SGB
II reicht eine Geltendmachung dem Grunde nach aus (vgl. SG Freiburg,
Urteil vom 1. Februar 2008 – S 12 AS 3204/06 – JURIS-Dokument Rdnr. 19;
SG Hildesheim, Urteil vom 27. April 2009 – S 43 AS 80/08 –
JURIS-Dokument Rdnr. 28). Die streitige Grundsicherungsleistung ist im
vorliegenden Fall die Leistung für Unterkunft und Heizung im Sinne von §
19 Satz 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 22 SGB II. Die Übernahme der
Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung ist aber keine eigenständige
Leistung. Die Nachzahlungsforderung ist ein Posten bei den Aufwendungen
für Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. SächsLSG, a. a. O., Rdnr.
34). Der Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosengeld II wurde aber bereits
im Juni 2006 gestellt, bevor die Abrechnung vom 31. August 2006
zugegangen ist und im September 2006 fällig gestellt worden ist.
c)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch auf Übernahme
der Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung nicht auf eine –
regelmäßig darlehensweise – Übernahme auf der Grundlage von § 22 Abs. 5
SGB II beschränkt. Denn es liegen keine Mietschulden im Sinne dieser
Regelung vor.
Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die
trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen
Vorauszahlungen entstehen und vom Vermieter geltend gemacht werden, sind
grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1
SGB II anzusehen und nicht etwa als Schulden nur unter den
Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen (vgl. SächsLSG, a.
a. O., Rdnr. 41; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.
Januar 2009 – L 7 AS 44/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 50).
Hilfebedürftigkeit
besteht zunächst nur in Höhe der vereinbarten Vorauszahlung, die sich
im Nachhinein als zu gering bemessen herausstellen kann. Denn der Mieter
hat tatsächlich nur diese Vorauszahlung zu leisten. Mietschulden liegen
hingegen erst vor, wenn der Mieter auf eine mietrechtliche
Verpflichtung (vgl. § 241 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) trotz
Fälligkeit (vgl. § 271 BGB) nicht geleistet hat (vgl. SächsLSG, a. a.
O., Rdnr. 42).
Auch die Klägerin war mietvertraglich nur
verpflichtet, die vereinbarte Vorauszahlung zu leisten. Wenn – wie
vorliegend – der Vermieter am Ende der vereinbarten Rechungsperiode an
Hand der dann bekannten Daten feststellt, dass die monatlichen
Vorauszahlungen die tatsächlich entstandenen Kosten nicht decken und
dementsprechend von dem Mieter eine Nachzahlung fordert, so stellt diese
Nachforderung erst zu diesem Zeitpunkt einen gegenwärtigen, nach § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II zu befriedigenden Bedarf dar. Auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsverwaltungsgericht zur Sozialhilfe
konnte der Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung erst nach endgültiger
Abrechnung entstehen und fällig werden, und stellte dementsprechend
erst im Zeitpunkt seiner Geltendmachung eine Tatsache dar, die als
gegenwärtiger Bedarf zu befriedigen war (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.
Februar 1988 – 5 C 89/85 – BVerwGE 79, 46 = JURIS-Dokument Rdnr. 10;
Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [3. Aufl., 2009], § 22 Rdnr. 20, m.
w. N.).
Die Regelungen in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 22 Abs.
5 SGB II stehen sich in einem Ausschließlichkeitsverhältnis gegenüber.
Das bedeutet, dass ein gegenwärtiger Bedarf hinsichtlich der
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB
II zu decken ist, nicht zugleich eine Mietschuld im Sinne von § 22 Abs.
5 SGB II sein kann. Ein gegenwärtiger Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II, der noch nicht gedeckt ist, kann sich auch nicht
beispielsweise durch bloßen Zeitablauf in Schulden im Sinne von § 22
Abs. 5 SGB II umwandeln. Daher sind Schulden im Sinne des § 22 Abs. 5
SGB II nur zum einen solche offenen, das heißt von dem Hilfedürftigen
noch nicht erfüllten, fälligen Verbindlichkeiten, die aus der Zeit vor
Beginn des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II herrühren. Zum andern können darüber hinaus während des
laufenden Leistungsbezugs Schulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II
entstehen, wenn der Hilfebedürftige seine laufenden zivilrechtlichen
oder öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten über Dritte nicht
vollständig erfüllt, obwohl der Leistungsträger Leistungen in
gesetzmäßiger Höhe gewährt hatte (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 31. Mai
2006 – L 3 B 273/05 AS-ER – JURIS-Dokument Rdnr. 41).
In Bezug
auf die streitige Nachzahlungsforderung ist eine Bedarfslage im Sinne
von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch nicht deshalb zu verneinen, weil die
Klägerin im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzahlungsforderung nicht
mehr die Unterkunft bewohnte, auf die sich die Forderung bezieht. Denn
die Grundsicherung bezweckt, soweit es die Leistungen für Unterkunft und
Heizung betrifft, nicht nur, den Hilfebedürftigen durch die Übernahme
der angemessenen Aufwendungen vor Wohnungslosigkeit zu bewahren.
Vielmehr soll mit dem Arbeitslosengeld II dem Betroffenen und den mit
ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen ein der Würde des
Menschen entsprechendes Leben ermöglicht und der Lebensunterhalt im
Rahmen des soziokulturellen Existenzminimums gesichert werden, wenn sie
hierzu selbst nicht in der Lage sind (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 44 f.).
Dies bedeutet aber, dass ein Hilfebedürftiger, der sich durchgängig im
Leistungsbezug befand, der seinen Verpflichtungen aus einem Mietvertrag
ordnungsgemäß nachkam, und bei dem die Unterkunfts- und Heizkosten
angemessen sind, nicht mit einem Teil dieser Kosten als Schulden
zurückgelassen werden darf.
Etwas anderes würde möglicherweise
gelten, wenn es sich um Mietschulden handeln würde, die aus der Zeit
herrühren, die vor der Hilfebedürftigkeit lagen oder aber wenn im
Zeitpunkt der Gegenwärtigkeit des Bedarfs beim Leistungsempfänger
Hilfebedürftigkeit nicht mehr vorliegen würde (vgl. Herold-Tews, in:
Löns/Herold-Tews, SGB II [2. Aufl., 2009], § 22 Rdnr. 22). Beide
Varianten sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
d) Entgegen der
von der Beklagten vertretenen Ansicht steht dem Anspruch der Klägerin
auch nicht die mit Artikel 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I
S. 558 ff.) mit Wirkung vom 1. April 2006 eingefügte Regelung für junge
Hilfebedürftige in § 22 Satz 2a SGB II entgegen. Nach dieser Vorschrift
erhalten Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem Umzug nur dann, wenn
sie vorher die Zusicherung des Leistungsträgers eingeholt haben. Zum
einen galt diese Vorschrift noch nicht im Zeitpunkt ihres Umzuges am 1.
März 2006. Zum anderen bezieht sich die Vorschrift nach dem
Gesetzeszweck auf den erstmaligen Umzug, nicht auf Folgeumzüge (vgl.
Berlit, a. a. O., § 22 Rdnr. 81; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB
II [2. Aufl., 2008], § 22 Rdnr. 80e). Die Klägerin war bereits im Jahr
2004 auf Grund familiärer Probleme aus der elterlichen Wohnung
ausgezogen. Sie stand unter der Betreuung des Sozialpädagogischen
Erziehungs- und Familienhelfer e.V., welcher einen Mietvertrag mit den
Stadtwerken M. GmbH vermittelt hatte.
e) Gegen die Höhe und die Angemessenheit der geltend gemachten Mietnebenkosten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II bestehen keine Bedenken.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
III.
Die Revision wurde gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage,
ob Betriebskostennachzahlungen auch dann zu übernehmen sind, wenn das
Mietverhältnis, aus welchem sie herrühren, im Zeitpunkt der Fälligkeit
der Betriebskostennachzahlung nicht mehr besteht, der
Leistungsberechtigte aber im Zeitpunkt der Fälligkeit bedürftig ist, hat
über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=126642
Gruß Willi S
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