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Müssen alleinstehende Hartz-IV-Empfänger in Sachsen künftig nur noch in 1-Raum-Wohnungen wohnen?
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Müssen alleinstehende Hartz-IV-Empfänger in Sachsen künftig nur noch in 1-Raum-Wohnungen wohnen?
Die Angemessenheit einer Unterkunft ist nach der Rechtsprechung des BSG in mehreren Schritten zu prüfen.
Nach
der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4
AS 18/09, Rnr. 13) wird zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze
in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der
Wohnungsstandard bestimmt und in einem zweiten Schritt festgelegt, auf
welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte
abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist nach Maßgabe der
Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine
einfache Wohnung aufzuwenden ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des
Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen
einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der
Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl
zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können
(BSG a.a.O. Rnr. 17).
Sozialgericht Dresden vom 14.05.2012
Bei
der Angemessenheitsprüfung ist regelmäßig nicht auf die Anzahl der
tatsächlich vorhandenen Zimmer abzustellen, sondern vielmehr auf die
Wohnungsgröße.
Somit wird eine 49,24 qm große Wohnung für eine Einzelperson nicht unangemessen, weil sie zwei Zimmer hat
Sozialgericht Dresden 3. Kammer
Urteil Format HTM PDF RTF XML
1. Instanz Sozialgericht Dresden S 3 AS 3496/10 14.05.2012
2. Instanz
3. Instanz
Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitsuchende
Entscheidung
I. Der Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 wird aufgehoben und der Beklagten
wird verpflichtet, unter Abänderung seiner Bescheide vom 19.04.2006, in
Gestalt des Änderungsbescheides vom 09.01.2007, der Klägerin Leistungen
der Grundsicherung für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 unter
Berücksichtung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
monatlich 362,44 EUR zu zahlen.
Klarstellend wird festgestellt, dass
der Beklagte der Klägerin für Mai bis Oktober 2010 monatlich weitere
63,19 EUR zu zahlen hat.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen, außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die
Klägerin begehrt im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für
Erwerbsfähige nach dem SGB II vom Beklagten die Bewilligung höherer
Unterkunftskosten für Mai bis Oktober 2006.
Die 1979 geborene
Klägerin ist alleinstehend und bezieht seit Januar 2005 Leistungen der
Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem SGB II. Sie bewohnt eine 49,24
qm-Wohnung, deren Grundmiete anfangs 251,76 EUR zuzüglich warmer
Betriebskosten in Höhe von 79,00 EUR betrug. Zum 01.09.2005 wurde die
Miete verändert auf Nettokaltmiete in Höhe von 248,66 EUR zuzüglich
Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 120,00 EUR.
Mit Bescheid vom
24.10.2005 bewilligte der Beklagte der Klägerin eine
Betriebskostennachzahlung, obwohl die Zahlung unangemessen sei und wies
die Klägerin im Bescheid auf die Notwendigkeit des sparsamen Umgangs
hin, da andernfalls im Wiederholungsfall nur die angemessenen
Betriebskosten übernommen werden könnten. Mit Schreiben vom 26.10.2005
forderte der Beklagte die Klägerin dazu auf, Ihre Kosten für Unterkunft
und Heizung zu senken. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei höchstens
eine Bruttokaltmiete von 252,45 EUR zuzüglich Heizkosten von maximal
46,80 angemessen. Auf diesen Wert habe die Klägerin ihr Kosten bis
31.03.2006 zu senken. Sollte ihr dies nicht möglich sein, habe sie
hiermit die Gelegenheit zur Stellungnahme, in deren Folge der Beklagte
prüfen werde, ob eine Ausnahme möglich sei. Mit Schreiben vom 23.11.2005
teilte die Klägerin mit, dass ihr bei Erstantragstellung gesagt worden
sei, dass sie in der Wohnung bleiben könne. Hieran sie ihr auch sehr
gelegen, da sie erheblich an Einrichtungsgegenständen investiert habe.
Zudem wohnten im Gebäude auch die Eltern der Klägerin, die sie im
Haushalt unterstütze. Mit Schreiben vom 13.12.2005 teilte der Beklagte
der Klägerin nochmals mit, dass ihre Unterkunftskosten unangemessen hoch
seinen und die von der Klägerin vorgebrachten Gründe nicht geeignet
seien, ausnahmsweise die überhöhten Kosten zu übernehmen. Ab 01.04.2006
werde die Klägerin den unangemessenen Mietteil selbst übernehmen müssen,
wenn sie nicht umziehe.
Auf ihren Fortzahlungsantrag vom
28.02.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bewilligungsbescheid
vom 19.04.2006 Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom
01.05.2006 bis 31.10.2006 in Höhe von monatlich 630,25 EUR, unter
Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
299,25 EUR. Am 12.09.2006 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass
sie eine befristete Tätigkeit aufgenommen habe. Am 23.10.2006 legte sie
ihre Lohnbescheinigung für September 2006 vor, wonach sie brutto 645,90
EUR, netto 511,09 EUR verdient hatte und im Oktober ausgezahlt erhielt.
Mit Änderungsbescheid vom 09.01.2007 bewilligte der Beklagte der
Klägerin wegen Anrechnung des Einkommens für Oktober 2006 nur 342,34
EUR.
Am 28.01.2010 beantragte die Klägerin ohne weitere
Begründung die Überprüfung aller Bewilligungsbescheide für den Zeitraum
April 2006 bis April 2010.
Mit Überprüfungsbescheid vom
04.02.2010 wies der Beklagte den Antrag zurück und führte aus, dass die
Bewilligungsbescheide auch nach nochmaliger Prüfung nicht zu beanstanden
seien.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
mit Schreiben vom 09.03.2010 Widerspruch mit der Begründung, dass die
Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in vollem Umfang berücksichtigt
seien und auch die Warmwasserpauschale nicht in gesetzlicher Höhe
abgezogen sei. Der Widerspruch wende sich gegen die Absenkung der
Unterkunftskosten auf 308,70 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid (W
2979/10) vom 03.05.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die
Absenkung der Unterkunftskosten sei entsprechend dem Stadtratsbeschluss
vom 24.02.2005 erfolgt. Erst mit Urteil des Bundessozialgerichts vom
22.09.2009 sei festgestellt worden, dass der Stadtratsbeschluss nicht
den Anforderungen entspricht und die Grenzwerte vielmehr an der
Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren zur
Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen als Ersatzwohnraum
vom 27.06.2005 auszurichten wären. Der vorliegend angefochtene Bescheid
sei davor aber bereits bestandskräftig gewesen, so dass das BSG-Urteil
auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht angewendet werden könne.
Die Rechtsbehelfsbelehrung lautete: "Gegen diese Entscheidung kann jeder
Betroffene für sich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim
Sozialgericht Dresden, Klage erheben." Der Widerspruchsbescheid wurde
dem Prozessbevollmächtigten ausweislich des dortigen Eingangsstempels am
04.05.2010 per Empfangsbekenntnis zugestellt. Das Empfangsbekenntnis,
in dem der Prozessbevollmächtigte mit seiner Unterschrift bestätigte,
den Widerspruchsbescheid am 04.05.2010 erhalten zu haben, wurde am
05.05.2010 an den Beklagten zurückgefaxt.
Mit Schreiben vom
04.06.2010, beim Sozialgericht Dresden (Nachtbriefkasten) am 04.06.2010
eingegangen erhob der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin gegen
diesen Widerspruchsbescheid Klage, mit der Begründung, dass die Klägerin
deutlich höhere Unterkunftskosten gehabt habe und dass das
Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22.09.2009 zudem für einen
Ein-Personen-Haushalt von 50qm, nicht nur 45qm angemessener Wohnfläche
ausgegangen sei. Soweit ein Mietspiegel zur Grundlage gemacht werde sei
zu berücksichtigen, dass dieser jedenfalls keine aktuelle Aussage über
die Verfügbarkeit des angemessenen Wohnraums geben könne. Zudem müssten
zumindest getrennte Erhebung bzgl. des aktuell bewohnten
Bestandswohnraums und des Preisgefüges des freien Wohnraumes erstellt
werden.
Die Klägerin beantragt, den Überprüfungsbescheid vom
04.02.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung seiner
Bescheide vom 19.04.2006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom
07.01.2007 der Klägerin Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung
nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 unter
Berücksichtung einer angemessenen Wohnfläche von 49,24 Quadratmetern in
gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der
Beklagte trug im Klageverfahren vor, die Absenkung der
Unterkunftskosten beruhe auf dem damals gültigen Stadtratsbeschluss. Die
diesbezüglichen Bescheide seien vor der Entscheidung durch das
Bundessozialgericht bestandskräftig gewesen. Erst mit dieser liege eine
ständige Rechtsprechung vor, so dass aufgrund der Regelung des § 330 SGB
III keine Änderung für den davor liegenden Zeitraum möglich sei. Mit
dem Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 seien die Angemessenheitsgrenzen
neu definiert worden, wonach für einen Ein-Personen-Haushalt eine
Bruttokaltmiete von 276,00 EUR angemessen sei, zuzüglich angemessener
Heizkosten. Das IWU-Gutachten sei sowohl für die Zeit ab November 2011
als auch für davor liegende Zeiträume aussagekräftig. Etwas anders gelte
auch nicht deshalb, weil der Gutachter selbst von einer Rückrechnung
nur bis Dezember 2008 ausging und mit Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011
die vorangegangenen Stadtratsbeschlüsse nur mit Wirkung ab 01.12.2010
aufgehoben worden seien. Der Beklagte nimmt auf das Gutachten im
einzelnen Bezug. Infolge der Index-Rückrechnung auf den
streitgegenständlichen Zeitraum sei vorliegend von einer angemessenen
Bruttokaltmiete von 272,00 EUR monatlich auszugehen. Die Klägerin habe
warme Betriebskosten von 120,00 EUR gehabt. Nach dem Gutachten des
Instituts wohnen und Umwelt GmbH (IWU), das das Gutachtenentwickelt
habe, auf dessen Grundlage der Stadtrat seinen neuen Beschluss gefasst
habe, entfallen statistisch auf die Heizkosten 48,9 % der warmen
Betriebskosten, mithin vorliegend nach Abzug der Warmwasserpauschale (in
Höhe von 6,26 EUR monatlich) 52,42 EUR. Die angemessenen Kosten der
Unterkunft betrügen somit bis 324,42 EUR. Im Rahmen der mündlichen
Verhandlung lies der Beklagte vortragen, dass man nun doch 50 qm
angemessene Wohnfläche zugrunde lege und daher von einer angemessenen
Bruttokaltmiete in Höhe von 287,00 EUR (224,00 EUR Nettokaltmiete +
63,00 EUR kalte Betriebskosten) ausgehe.
Das Gericht hat die
veröffentlichten kommunalen Bürgerumfragen aus 2002, 2005 und 2007, die
Stadtratsbeschlüsse zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und
Heizung gemäß § 22 SGB II vom 24.02.2005, 24.01.2008 und 24.11.2011, das
Schreiben der Stadt Dresden an den Beklagten vom 16.03.2010 zu den
Stadtratsbeschlüssen von 2005 bis 2008 bzgl. der angemessenen Kosten der
Unterkunft und Heizung, das Gutachten des Instituts Wohnen und Umwelt
(IWU) GmbH zur Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der
Kosten der Unterkunft für die Stadt Dresden vom 24.10.2011, die
Stellungnahme der IWU zur Anwendung des IWU-Gutachtens für
zurückliegende Zeiträume vom 16.02.2012 sowie die Stellungnahme der IWU
zum Beschluss des Sozialgerichts Dresden im Verfahren S 10 AS 6969/11 ER
beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Für das
weitere vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, sowie die
Verwaltungsakte des Beklagten (Nr. 07402BG0012818), deren Inhalt
Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die
zulässige Klage ist begründet. Der Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010,
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 verletzt die
Klägerin in ihren Rechten, soweit ihr nicht höhere Unterkunftskosten
gewährt wurden. Diese Bescheide waren daher aufzuheben und der Beklagte
zu verurteilen, den Bewilligungsbescheid vom 19.04.2006, in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 07.01.2007 abzuändern und die tatsächlichen
Unterkunftskosten (abzüglich der Warmwasserpauschale) zu zahlen.
I.
Die Klägerin hat den Streitgegenstand zulässig auf die Kosten der
Unterkunft und Heizung beschränkt. Zwar sind nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) bei einem Streit um höhere Leistungen
grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach
zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rn. 13). Ein Bescheid kann
im Einzelfall jedoch gleichwohl mehrere abtrennbare Verfügungen
enthalten. Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei
dem Betrag, der für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB
II bewilligt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 01.06.2010, B 4 AS 60/09
R, zitiert nach Juris Rn. 13 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die
Leistungsbewilligung im Übrigen nicht der Rechtsordnung entspräche, sind
nicht gegeben.
II. Die von der Klägerin angegriffenen Bescheide
sind dem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zugänglich. Gemäß § 44
SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im
Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht
unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist,
der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu
Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der
Überprüfungsantrag wurde am 04.02.2010 für Zeiträume bis April 2006
zurück gestellt. Dies war auch zulässig, da gemäß § 44 Abs. 4 SGB X Im
Falle der Aufhebung Leistungen für Zeiträume bis zu 4 Jahren vor der
Rücknahme (zuzüglich des Jahres der Antragstellung) erbracht werden. Die
Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die den Anwendungsbereich des
§ 44 SGB X für den Bereich des SGB II auf ein Jahr vor Rücknahme
beschränkt, trat erst mit Wirkung vom 01.04.2011 in Kraft und ist daher
auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Die Überprüfung kann
nicht, wie durch den Beklagten geschehen, durch Verweis auf § 40 Abs. 2
Ziff. 2 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 1 SGB III abgelehnt werden. § 330 SGB
III schränkt den Anwendungsbereich des § 44 SGB X für das SGB II und
SGB III insoweit ein, als die Rücknahme des rechtswidrig nicht
begünstigenden Verwaltungsaktes, der in ständiger Rechtsprechung anders
als durch die Bundesagentur für Arbeit (bzw. den Leistungsträger)
ausgelegt wurde, nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Bestehen einer
ständigen Rechtsprechung erfolgt. Voraussetzung für die Anwendung dieser
Vorschrift wäre, dass sich die ständige Rechtsprechung hinsichtlich der
der Verwaltungsentscheidung zugrundeliegenden Rechtsnorm geändert hat.
Allerdings entscheid auch das Bundessozialgericht, dass es für die
Anwendbarkeit der norm erforderlich ist, dass sämtliche
Grundsicherungsträger bundesweit die betreffende Norm einheitlich
ausgelegt hätten (Vgl. Urteil des BSG vom 21.06.2011, Az.: B 4 AS 118/10
R und vom 15.12.2010, Az.: B 14 AS 61/09 R). Dies ist vorliegend jedoch
nicht der Fall. Die erheblichen Abweichungen der örtlichen
Rechtsvorschriften, mit denen der Begriff der Angemessenheit in § 22 SGB
II ausgelegt wird, zeigt, dass von einer einheitlichen Praxis nicht die
Rede sein kann.
Gemäß § 44 SGB X, der gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1
SGB II (in der bis 01.04.2011 gültigen Fassung einschränkungslos) auch
im Rahmen des Grundsicherungsrechts Anwendung findet, ist ein
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt,
dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder
von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Im vorliegenden
Fall wurde das Recht unrichtig angewandt, weil der Beklagte zu niedrige
Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft festgelegt und in
der Folge zu niedrige Leistungen gewährt hat. Die
Bewilligungsverwaltungsakte waren daher aufzuheben. Dies hat der
Beklagte aber mit dem Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 abgelehnt, so dass der
Überprüfungsbescheid die Klägerin in ihren Rechten verletzt und deshalb
aufzuheben war. Der Überprüfungsantrag wurde am 04.02.2010 gestellt, so
dass der streitgegenständliche Zeitraum der Überprüfung bzw. Nachzahlung
von Leistungen gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1, 3 SGB X (4 Jahre zurück ab
Stellung des Überprüfungsantrages – vorliegend also bis Februar 2006)
zugänglich ist.
III. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen
Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen für ihre Kosten der Unterkunft
und Heizung im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.
Die
Klägerin erfüllt, wie auch die Leistungsbewilligung zeigt, die
Leistungsvoraussetzungen des § 7 SGB II. Ebenso unstreitig ist die
zeitweilige Einkommensanrechnung in den betroffenen Zeiträumen teilweise
aus Erwerbslohn oder aus Arbeitslosengeld I.
Ihr Anspruch
umfasst auch die alleinstreitgegenständlichen Leistungen für Kosten der
Unterkunft und Heizung. Diese werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen
sind. Die Angemessenheitsprüfung begrenzt somit die erstattungsfähigen
Kosten der Höhe nach (vgl. Urteil des BSG vom 01.06.2010, Az.: B 4 AS
60/09 R, Rnr. 16). Dabei ist die Angemessenheit der Wohnungskosten in
mehreren Schritten zu prüfen.
Nach der Rechtsprechung des BSG
(vgl. Urteil des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09, Rnr. 13) wird
zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze in einem ersten Schritt
die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt
und in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen
Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. In
einem dritten Schritt ist nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln,
wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden
ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des Grundsicherungsträgers ist es,
einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln,
um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger
zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene
Miete feststellen zu können (BSG a.a.O. Rnr. 17).
1. Die Größe
der angestrebten Wohnung der Antragstellerin von ca. 49,24 qm für eine
Person ist auch im streitgegenständlichen Zeitraum abstrakt angemessen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. dazu das "Oberwiesental"-Urteil
des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 70/08 R, Rnr. 13 bis 15) war hierfür
auf die in der bis 31.12.2009 gültigen Verwaltungsvorschrift des
Sächsischen Innenministeriums zur Modernisierung und Instandsetzung von
Mietwohnungen als Ersatzwohnraum im Rahmen des Stadtumbaus vom
27.06.2005 – VwV Ersatzwohnraum – (Sächs. ABl. S. 682) festgesetzten
Werte abzustellen. Danach wurden neue Flächenobergrenzen für die
Wohnraumförderung festgesetzt, die für eine Person von 50 qm in einer
Einraumwohnung und 60qm in einer Zwei-Raum-Wohnung ausgeht. Nach Ansicht
der Kammer ist sich hier am unteren Wert zu orientieren, da im Rahmen
des SGB II nur Grundbedürfnisse abzudecken sind. Wenn 50qm-Wohnungen als
förderfähig anzusehen sind, dann sind sie auch grundsätzlich
ausreichend, um menschenwürdige Wohnverhältnisse zu schaffen. Auf die
Anzahl der tatsächlich vorhandenen Zimmer kann im Rahmen der
Angemessenheitsprüfung insoweit nicht abgestellt werden (vgl. auch SG
Dresden, Urteil vom 02.11.2011, Az.: S 10 AS 4150/10 und Urteil des SG
Dresden vom 28.02.2012, Az.: S 29 AS 7524/10).
2. Örtlicher
Vergleichsraum für die Prüfung der angemessenen Mietkosten ist das
Gebiet der Landeshauptstadt Dresden. Dieses umfasst einen ausreichend
großen Raum der Wohnbebauung, der aufgrund seiner räumlichen Nähe,
seiner Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit einen
insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet und eine
Ghettobildung vermeidet.
3. Fraglich ist, welcher
Quadratmeterpreis auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung dieser
Größe im Zeitraum ab Mai 2006 im Vergleichsraum, d.h. in Dresden, zu
zahlen und damit angemessen ist. Bei der Angemessenheitsprüfung sind
nach der Rechtsprechung des BSG die Heizkosten nicht zu berücksichtigen;
die Angemessenheit der Heizkosten ist vielmehr isoliert zu prüfen (vgl.
Urteil des BSG vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 36/08 R).
Nach der
durch die Kammervertretenen Rechtsansicht beruhen die von der Beklagten
im angefochtenen Bescheid vom 19.04.2006 in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 09.01.2007, auf einen Betrag von monatlich
insgesamt 299,25 EUR begrenzten Mietkosten nicht auf einem schlüssigen
Konzept (vgl. dazu BSG, Urteile vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R – und
vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R – und – B 14 AS 65/08 R – jeweils
zitiert nach Juris). Abgesehen davon, dass weder der Bescheid vom
19.04.2006 noch die nachfolgenden Änderungsbescheide erläutern, wie sich
der Betrag von 299,25 EUR zusammensetzt, benennen weder der Bescheid
vom 19.04.2006 noch die nachfolgenden Änderungsbescheide die Grundlage
bzw. das Konzept, auf dessen Grundlage der nach Meinung der Beklagten
angemessene Mietpreis festgesetzt wurde. Erst die Begründung des
Widerspruchsbescheides durch den Beklagten lässt sich entnehmen, dass
dieser seiner Entscheidung einen Beschluss des Stadtrates der
Landeshauptstadt Dresden vom 24.02.2005 zugrunde gelegt hat. Im Rahmen
des Klagevortrags führt der Beklagte dann weiter aus, dass nunmehr der
neue Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 auch rückwirkend auf frühere
Zeiträume anzuwenden sei und insoweit eine Rückrechnung (der im Jahr
2011 vom Beklagten für 45 qm als angemessen betrachteten 276,00 EUR
Bruttokaltmiete) erfolgen könne, in deren Ergebnis eine Nettokaltmiete
für 50 qm in Höhe von 287,00 EUR angemessen sei, zuzüglich Heizkosten.
a)
Nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, kann ein
gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb des Vergleichsraumes nur dann
gewährleistet werden, wenn die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze auf
der Grundlage eines überprüfbaren so genannten "schlüssigen Konzeptes"
erfolgt. Das schlüssige Konzept soll hinreichende Gewähr dafür bieten,
dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes
wiedergegeben werden. Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht
zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel im Sinne
der §§ 558c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und 558d BGB abstellen. Ein
qualifizierter Mietspiegel kann jedoch als Grundlage eines schlüssigen
Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete im
Vergleichsraum geeignet sein (vgl. Urteil des BSG vom 17.12.2009, Az.: B
4 AS 27/09 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R und
Urteile vom 20.08.2009, Az.: B 14 AS 41/08 R und B 14 AS 65/08 R). Nach
der Rechtsprechung des BSG erfordert ein "Konzept" ein planmäßiges
Vorgehen des Grundssicherungsträgers im Sinne der systematischen
Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter
Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum
und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Das Konzept ist
schlüssig, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt
(vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R): 1. Die
Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss
über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung). 2. Es
bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der
Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnung – Differenzierung nach
Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach
Wohnungsgröße. 3. Es muss Angaben über den Beobachtungszeitraum
enthalten. 4. Es muss die Art und Weise der Datenerhebung
(Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel) festlegen. 5. Der Umfang der
eingezogenen Daten muss repräsentativ sein. 6. Die Datenerhebung muss
valide sein. 7. Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze der
Datenauswertung müssen eingehalten sein. 8. Das Konzept muss Angaben
über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwerte oder Kappungsgrenze)
enthalten.
b) Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung liegt
jedenfalls dem Stadtratsbeschluss vom 24.02.2005 und 24.01.2008 kein
schlüssiges Konzept zugrunde, ebenso wenig wie die im Stadtratsbeschluss
vom 24.11.2011 vom Beklagten als angemessen betrachteten Werte auf
frühere Zeiträume zurückgerechnet werden können.
aa) Der Beklagte
hat erstmals im Klageverfahren vorgetragen, dass das vom Beklagten in
Auftrag gegebene Gutachten des Institutes Wohnen und Umwelt (IWU) über
die "Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der Kosten
der Unterkunft für die Stadt Dresden" vom 24.10.2011 durch Rückrechnung
zur Grundlage für die Ermittlung von Angemessenheitswerten auch für
zurückliegende Zeiten gemacht werden könne. Das Gutachten liegt dem
Gericht vor, weitere Stellungnahmen wurden im Rechtstreit übersandt bzw.
durch Bezugnahme auf den Vortrag in Parallelrechtstreiten der Klägerin
vom Beklagten eingeführt. Jedenfalls können diese dort gefundenen Werte
nicht der Verwaltungsentscheidung zugrunde gelegen haben.
• Von
der Möglichkeit der Rückrechnung der im "IWU-Gutachten" gefundenen Werte
auf Zeiten vor 2008 scheint auch das Institut für Wohnen und Umwelt,
das das dem Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 zugrundeliegende Gutachten
erstellt hat, nicht auszugehen. Vielmehr wird in dessen Stellungnahme
vom 16.02.2012, anders als im Vortrag des Beklagten, lediglich von einer
Rückrechnung auf Sachverhalte gesprochen, denen der Mietspiegel von
2008 zugrunde gelegt werden kann, also für Zeiten ab Dezember 2008. Dies
dürfte aber vorliegend schon deshalb ausgeschlossen sein, weil ein
Sachverhalt aus dem Jahr 2006 in Streit steht.
• Auch darüber
hinaus scheidet vorliegend eine Rückrechnung aus, da die
Landeshauptstadt Dresden selbst diese Möglichkeit nicht eröffnet hat.
Der Umstand allein, dass das dem Stadtratsbeschluss zugrundeliegende
Gutachten eine solche Rückwirkung entwirft reicht nicht dazu aus, diese
auch anzunehmen. Vielmehr hat die Landeshauptstadt Dresden selbst in
Ziffer 6 ihres Stadtratsbeschlusses vom 24.11.2011 die vorangegangenen
Beschlüsse vom 24.01.2008 und vom 24.02.2005 nur für die Zeit ab
01.12.2010 aufgehoben, so dass diese für die Zeit davor weiterhin
Gültigkeit haben. Der Vortrag des Beklagten im vorliegenden Verfahren,
wonach der Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 auf Sachverhalte noch
(weit) vor 2010 zurückwirken soll und die Stadtratsbeschlüsse von 2005
und 2008 vollumfänglich auch für Zeiten vor 2010 aufgehoben seien,
entbehrt somit jeglicher rechtlicher Grundlage. Im Ergebnis widerspricht
sich die Landeshauptstadt Dresden nach Auffassung der Kammer selbst,
wenn sie einerseits davon ausgeht, dass aufgrund der dem Gutachten
zugrundeliegenden Datengrundlage auf deren Anwendbarkeit ab Dezember
2010 ausgegangen und der Beschluss entsprechend abgefasst wird,
gleichzeitig aber von der Möglichkeit einer Index-Rückrechnung der
Gutachtens-Ergebnisse für Zeiträume davor ausgegangen wird, "um
laufenden Klageverfahren zügig abschließen zu können", obgleich die
Stadtratsbeschlüsse aus 2005 und 2008 für diesen Zeitraum fortgelten.
Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung kann dies höchstens als
Kalkulationsgrundalge für eine vergleichsweise Einigung dienen,
vorausgesetzt der Widerspruchsführer/ Kläger ist damit einverstanden.
•
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass zudem
erhebliche Zweifel an der Methodik der Index-Rückrechnung bestehen, die
im IWU-Gutachten vorgeschlagen wird. Es ist für die Kammer nicht
nachvollziehbar, wie ein bundeseinheitlicher Index gleichermaßen auf
alle Kommunen bundesweit angewendet Auskunft darüber geben soll, welche
Mieten in Dresden in der Vergangenheit angemessen waren. Der örtliche
Vergleichsmaßstab wird dabei ausgeschaltet. Die herangezogenen
rechtlichen Regelungen (§ 558d BGB) beziehen sich nur auf die Zukunft,
nicht auf die Vergangenheit. Dies liegt schon daran, dass eine
Rückrechnung auf die Vergangenheit auch grundsätzlich nicht erforderlich
erscheint, da für die Vergangenheit Werte aus dem Mietspiegel
vorliegen, die der Beklagte der Methode des von ihm zugrunde gelegten
Gutachtens unterziehen könnte. Wenn bzw. soweit er in der Vergangenheit
keine ausreichende Datengrundalge geschaffen hat, kann dies nicht zu
Lasten der Kläger gehen (so auch Urteil der 29. Kammer des SG Dresden
vom 28.02.2012, Az.: S 29 AS 7524/10). Eine Indexierung ist nur in die
Zukunft hinein erforderlich, für die noch keine Werte vorliegen können.
Nur in dieser Weise wird der Index auch im Rahmen des § 558d BGB
verwendet, nämlich für eine Fortschreibung, nicht eine Rückrechnung.
Diese Fortschreibung des Mietspiegels dient unabhängig von der
tatsächlichen Entwicklung der Mieten der Anpassung des Mietspiegels
zumindest an die Rate der Geldentwertung. Nach Auffassung der Kammer hat
die Index-Fortschreibung des qualifizierten Mietspiegels damit schon
eine ganz andere Zielrichtung als die Festsetzung von
Angemessenheitsgrenzen im Grundsicherungsrecht.
• Zur darüber
hinaus erheblichen Kritik am IWU-Gutachten als Basis für die neuen, mit
Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 festgelegten Angemessenheitsgrenzen
für die Kosten der Unterkunft sei hier, da es letztlich für den
streitgegenständlichen Zeitraum mangels Rückrechnungsmöglichkeit nicht
darauf ankommt, nur Bezug genommen auf den ausführlichen Beschluss der
10. Kammer des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.2011, Az.: S 10 AS
6969/11 ER, der sich die Kammer nach eigener Prüfung hinsichtlich der
Kritikpunkte anschließt. An dieser Kritik ändert sich auch nichts durch
die nachträgliche Stellungnahme des IWU-Instituts vom 16.02.2012.
Insoweit führte bereits die 29. Kammer des SG Dresden (S 29 AS 7524/10)
zutreffend aus:
"Die vom Beklagten erst nach Fristablauf
vorgelegte Stellungnahme des IWU zu dem zitierten Beschluss der 10.
Kammer vermag die darin vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken gegen die
Wahl der Datengrundlage nicht auszuräumen. Insbesondere geht sie nicht
auf die Ausführungen der 10. Kammer ein, dass das IWU der Ermittlung der
Angemessenheitsgrenzen auch Daten zugrunde gelegt hat, die nicht den
vom BSG an die Aktualität und Validität entsprechenden Anforderungen
entsprechen, indem es neben den Mietspiegeldaten und den Bestandsdaten
der Landeshauptstadt Dresden über die SGB II- und XII-Bezieher sowie
neben den aus der Kommunalen Bürgerumfrage 2010 (Datenerhebung im
September 2010) erhobenen Daten außerdem eine Befragung des Sachgebiets
Wohnungsfürsorge unter den acht größten Wohnungsunternehmen in Dresden
(Stand Oktober 2010), eine Befragung von 30 mittelgroßen Vermietern
durch das Stadtplanungsamt (Stand Juli 2011), eine Auswertung des
Mikrozensus (Datengrundlage aus den Jahren 2003 bis 2006), eine Erhebung
aus der Internetdatenbank immodaten.net (Erhebungszeitraum nicht
angegeben) sowie eine Recherche auf dem Internetportal wg-gesucht.de
(Erhebungszeitraum ebenfalls nicht angegeben) als wesentliche Grundlagen
für die Berechnung der Angemessenheitsgrenze herangezogen hat, also
Daten, die jedenfalls teilweise noch vor In-Kraft-Treten des SGB II
erfasst worden sind bzw. deren Erhebungszeitraum unklar ist. Daraus
grundsicherungsrelevante Schlüsse zu ziehen, mag statistisch vertretbar
erscheinen, überzeugt aber rechtlich nach wie vor nicht.
Die Rückrechnung der Werte aus dem IWU-Gutachten von 2011 entbehrt damit jeglicher rechtlicher und logischer Grundlage.
bb)
Soweit die Landeshauptstadt Dresden in ihrem Stadtratsbeschluss vom
24.2.2005 für einen 1-Personenhaushalt die Angemessenheitsgrenze bei
einer Bruttokaltmiete von 252,45 EUR und Heizkosten in Höhe von 46,80
EUR angesetzt hat, und die Kosten der Unterkunft der Klägerin
entsprechend beschränkt, sind diese Beträge nicht anzuwenden, denn dabei
handelt es sich nicht um eine zutreffende Bestimmung der
Angemessenheitsobergrenze.
Nach den oben (unter 3a) genannten
Maßgaben, die sich das erkennende Gericht zu Eigen macht, ist die von
der Landeshauptstadt Dresden in dem genannten Stadtratsbeschluss vom
24.02.2005 festgelegte Bruttokaltmiete als Obergrenze nicht auf der
Grundlage eines sogenannten "schlüssigen Konzeptes" ermittelt. Denn die
Landeshauptstadt Dresden hat die ihr zur Verfügung stehenden, Daten
fehlerhaft ausgewertet und insbesondere nicht nach der Wohnungsgröße
differenziert (vgl. auch S 40 AS 390/09).
Zwar geht auch die 3.
Kammer des Sozialgerichts Dresden davon aus, dass die qualifizierten
Mietspiegel, die dem Gericht nebst den dazugehörigen Methodenberichten
vorliegen, als Datengrundlage für die Ermittlung der angemessenen
Nettokaltmiete für einfachen Wohnraum grundsätzlich geeignet sind und
schließt sich damit der Rechtsprechung der 40. und 29. und 10. Kammer
des Sozialgerichts Dresden an (vgl. Urteil vom 29.06.2010, Az.: S 40 AS
390/09, S 29 AS 7574/10 vom 28.02.2012, S 10 AS4150/10 vom 02.11.2011).
Allerdings hat die Landeshauptstadt Dresden die ihr zur Verfügung
stehenden Daten nicht korrekt ausgewertet. Es fehlt vor allem an einer
Differenzierung nach der Wohnungsgröße. Die Methode der Stadt, aus allen
Wohnungsgrößen ein arithmetisches Mittel zu bilden führt dazu, dass
kleine Wohnungen, wie sie auch vorliegend streitgegenständlich sind,
künstlich preiswert gerechnet werden, da ein Durchschnitt unter
Einbeziehung größerer Wohnungen mit niedrigeren Quadratmeterpreisen
gebildet wurde. Dies spiegelt aber jedenfalls nicht die Kosten wieder,
die für die Anmietung einer nach Quadratmetern angemessenen Wohnung
aufgebracht werden müssen (vgl. hierzu auch Urteile des SG Dresden vom
21.12.2010, Az.: S 29 AS 6468/10 und S 29 AS 3225/10 für den Zeitraum ab
2008, der sich aber methodisch nicht von der vorgehensweise im
vorangegangenen Zeitraum unterscheidet).
Anders als die 40.
Kammer (a.a.O.) und mit der 29. Kammer (a.a.O.) sieht die 3. Kammer des
Sozialgerichts Dresden jedoch keine Möglichkeit, aufgrund der gegebenen
Datengrundlagen entsprechend den Vorgaben des Bundessozialgerichts
selbst korrekte Angemessenheitswerte zu berechnen. Dies scheitert daran,
dass nach den Vorgaben des BSG eine Bruttokaltmiete zu ermitteln ist,
der Mietspiegel aber nur Auskunft über die Nettokaltmiete gibt.
Für
das Gericht ist nicht nachvollziehbar, worauf die vom Beklagten als
Grundlage seines Stadtratsbeschlusses von 2005 angenommenen Werte für
kalte Betriebskosten beruhen. Die Stadt Dresden merkte insoweit in ihrem
Schreiben vom 16.03.2010 selbst an: "Mit Beschluss des Stadtrates vom
24.02.2005 wurden 2,30 EUR je qm für die Gesamtbetriebskosten (kalte und
warme Betriebskosten) als angemessen festgelegt. Davon sind 55 % dieses
Betrages (1,26 EUR je qm) für die kalten Betriebskosten (Nebenkosten)
und 45% dieses Betrages (1,04 EUR je qm) für die warmen Betriebskosten
(Heizkosten) zur Feststellung der angemessenen Obergrenzen jeweils
zugeordnet worden."
Wie die Landeshauptstadt auf diese Zahlen und
die pauschale Aufteilung kommt, ist nicht dargelegt worden und kann vom
Gericht nicht nachvollzogen werden. Vielmehr ergibt sich aus der
kommunalen Bürgerumfrage von 2002 ein (wie auch immer) nach Haushalten
gewichteter Durchschnittswert für kalte Betriebskosten von 1,39 EUR pro
qm und Heizkosten von 1,00 EUR pro qm, wobei sich für Menschen in der
Situation der Klägerin (ohne Partner und weiblich, Haushalt mit
Einkommen bis 700,00 EUR, 1-Personen-Haushalt, im Stadtteil Pieschen) in
der Auswertungstabelle zur Frage gleich vier verschiedene Einzelwerte
ergeben (1,60 EUR/qm, 1,27 EUR/qm, 1,50 EUR/qm oder 1,54EUR/qm). Die
pauschale Zuordnung, deren prozentuale Aufteilung weder belegt noch
irgendwie nachvollziehbar ist, kann nicht zur Grundlage einer den
Anforderungen des BSG entsprechenden Berechnung der Angemessenheit
gemacht werden.
Auch aus der kommunalen Bürgerumfrage 2005
ergeben sich keine Zahlen, die die vom Beklagten angenommenen Werte
(nachträglich) rechtfertigen könnten. Dort sind kalte Betriebskosten von
1,29 EUR/ qm im Durchschnitt errechnet worden, die ebenfalls nicht mit
dem noch für 2006 und 2007 angewendeten Wert von 1,26 EUR übereinstimmen
sondern noch darunter liegen. Zudem leiden auch diese aktuelleren
Zahlen daran, dass ihre Berechnung nicht nachvollziehbar ist. Die
Ergebnisse der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 wurden ebenfalls
veröffentlich, und in deren Frage 30 wurde nach Betriebskosten gefragt.
Hier bildete der Beklagte aus den Angaben der Befragten einen Mittelwert
(arithmetisches Mittel) gewichtet nach Haushalten und berechnete daraus
insgesamt monatliche kalte Betriebskosten von 1,29 EUR je qm.
Allerdings kann die Kammer der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 nicht
entnehmen, dass es sich um eine repräsentative Befragung handelt und wie
die Gewichtung ("nach Haushalten"?) der Angaben vorgenommen wurde.
Insbesondere hat die Landeshauptstadt Dresden versäumt, bei der
Bürgerumfrage danach zu differenzieren, ob die Betriebskosten ganz oder
teilweise nach Anzahl der Personen oder allein nach der Größe der
Wohnfläche umgelegt werden. Darüber hinaus lassen sich aus dem
Tabellenteil der Auswertung der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 wiederum
erheblich unterschiedliche Werte entnehmen. So ergibt sich, dass
Personen ohne Partner im Erhebungszeitraum zwischen 1,22 und 1,98 EUR/m²
Betriebskosten gezahlt haben. Für gering verdienende Haushalte und
Alleinerziehende sind gar keine Angaben entnehmbar, erst ab einem
Nettoeinkommen von 1250,00 EUR ergeben sich 0,95 EUR je qm. Für einen
1-Personen-Haushalt werden 1,55 EUR angegeben und differenziert nach
Stadtteilen ergeben sich Werte zwischen 0,99 EUR und 1,83 EUR. Auffällig
ist jedoch, dass der für die Stadtteile Pieschen - Kaditz, Mickten und
Trachau angegebene Wert von 1,06 EUR nicht in den vorhergehenden Gruppen
(Haushaltsgröße, Haushaltsnettoeinkommen, Befragte mit Partner und
Befragte ohne Partner) zu finden ist. Für den (großen) Stadtteil Gorbitz
wurden keine Angaben in die Tabelle aufgenommen. Da schon die volle
Datengrundlage nicht bekannt ist, auf der diese "gewichteten" Zahlen
beruhen und diese Werte dermaßen lückenhaft und variabel sind, lässt
sich hieraus nach der hier vertretenen Rechtsansicht im Wege des
arithmetischen Mittelwertes keine rechnerisch nachvollziehbare
Durchschnittszahl ermitteln, die dem tatsächlichen Hilfebedarf gerecht
würde.
Die Antwortdaten, die den kommunalen Bürgerumfragen
zugrunde lagen, stehen dem Gericht nicht zur Verfügung, so dass auch
kein nachvollziehbares Rechenwerk erstellt werden kann.
c) Nach
der Rechtsprechung des BSG dürfen dann, wenn es an lokalen
Erkenntnismöglichkeiten mangelt, hilfsweise die Werte der rechten Spalte
der Wohngeldtabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der bis
31.12.2008 geltenden Fassung (a. F.) angewendet werden, die zudem durch
einen maßvollen Zuschlag zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil vom
22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R – und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R
– zitiert nach Juris). Die Landeshauptstadt Dresden war nach der von
2002 bis 2008 geltenden Wohngeldverordnung (WoGV) - Anlage (zu § 1 Abs.
4) Mietenstufen der Gemeinden (§ 8 des Wohngeldgesetzes) nach Ländern ab
1. Januar 2002 - (vgl. BGBl. I 2001 Seiten 2727 bis 2756) der Stufe 3
zuzuordnen. Die maximal angemessenen (kalten) Unterkunftskosten würden
bei einem 1-Personen-Haushalt nach der bis 31.12.2008 geltenden Tabelle
zu § 8 WoGG a.F. monatlich 300,- EUR betragen. Erhöht man diesen Wert
(maßvoll) um 10 % (so z. B. SG Braunschweig, Urteil vom 09.09.2009 – S
33 AS 2716/08, Randnr. 19; SG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 –
S 16 AS 444/08 – Randnr. 42), d.h. um 30,00 EUR, wäre monatlich eine
Bruttokaltmiete bis zu 330,00 EUR angemessen.
Die Grundmiete für
die Wohnung der Klägerin betrug im streitigen Zeitraum 248,66 EUR und
die warme Betriebskostenvorauszahlung betrug 120,- EUR, d.h. die
tatsächlichen, warmen Kosten der Unterkunft betrugen insgesamt 368,66
EUR. Da keine anderen Anhaltspunkte für die Aufteilung der
Betriebskosten gegeben sind, können diese nur hälftig geteilt werden, so
dass von einer Bruttokaltmiete auszugehen ist, die mit 308,66 EUR auch
bei nur geringer Erhöhung noch im Rahmen der Grenzen der Wohngeldtabelle
liegen. Damit lagen die tatsächlichen (kalten) Kosten der Unterkunft im
streitigen Zeitraum nicht über der Angemessenheitsgrenze nach dem WoGG.
d)
Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten, deren Vorauszahlung der mit
Erdgas versorgten Wohnung der Kläger monatlich 60,00 EUR betrug. Da in
der Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser auch Energiekosten für die
Zubereitung von Warmwasser enthalten waren, sind diese entgegen der
Auffassung der Kläger nach dem Grundsatzurteil des BSG vom 27.02.2008 - B
14/11b AS 15/07 R – (NZS 2009 S. 53), dem die Kammer nach eigener
Prüfung folgt, aus den Kosten der Unterkunft herauszurechnen, da die
Kosten für die Haushaltsenergie bereits zu 1,8029 % im Regelsatz
enthalten sind. Demnach waren bei einem Regelsatz von 345,- EUR für die
Klägerin 6,22 EUR von den (tatsächlichen) Heiz- und
Warmwasserbereitungskosten abzuziehen. Damit betrugen die tatsächlichen
Kosten der Heizung der Klägerin im Mai bis Oktober 2006 monatlich 53,78
EUR. Nach dem bundeseinheitlichen Heizkostenspiegel für das Jahr 2006
sind bei einem (erd-)gasbeheizten Gebäude mit über 1000 qm Wohnfläche
jährliche Kosten von 12,40 EUR je Quadratmeter noch angemessen, mithin
im Fall der Klägerin 50,88 EUR.
e) Auf der Grundlage der
Produkttheorie sind nun die maximal abstrakt angemessenen Gesamtkosten
für Unterkunft und Heizung, vorliegend 380,88 EUR (330,00 EUR
Bruttokaltmiete + 50,88 EUR Heizkosten) mit den tatsächlichen
Gesamtkosten in Höhe von 362,44 EUR (308,66 EUR + 60,00 EUR - 6,22 EUR )
zu vergleichen. Im Ergebnis waren die tatsächlichen Kosten der
Unterkunft und Heizung der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum
angemessen. Damit waren der Klägerin von der Beklagten Kosten der
Unterkunft und Heizung für Mai bis Oktober 2006 von 362,44 EUR zu
gewähren bzw. in die Berechnung einzustellen. In die Berechnung
einbezogen wurden mit Bescheid vom 19.04.2006 in der Fassung des
Änderungsbescheids vom 07.01.2007 monatlich nur 299,25 EUR, d.h. für den
Zeitraum Mai bis Oktober 2006 waren der Klägerin für ihre Unterkunfts-
und Heizkosten weitere Leistungen in Höhe von monatlich 63,19 EUR
zuzusprechen.
Im Ergebnis war der Klage stattzugeben, die auf die
Gewährung der nach dem Gesetz angemessenen KdU unter Berücksichtigung
einer tatsächlichen und angemessenen Wohnfläche der Klägerin von 49,24
qm gerichtet war.
III. Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Hauptsache, § 193 SGG.
IV.
Die Berufung ist nicht kraft Gesetzes zulässig, § 144 Abs. 1 SGG. Sie
war aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Beim Sozialgericht Dresden sind eine Vielzahl von Fällen anhängig, die
die gleiche Rechtsfrage, nämlich die Angemessenheit der in den
Stadtratsbeschlüssen der Landeshauptstadt Dresden vom 24.2.2005 und
24.1.2008 sowie 24.11.2011 niederlegten Obergrenzen für
Unterkunftskosten zum Gegenstand haben.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=153047&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/07/mussen-alleinstehende-hartz-iv.html
Willi S
Nach
der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4
AS 18/09, Rnr. 13) wird zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze
in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der
Wohnungsstandard bestimmt und in einem zweiten Schritt festgelegt, auf
welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte
abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist nach Maßgabe der
Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine
einfache Wohnung aufzuwenden ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des
Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen
einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der
Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl
zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können
(BSG a.a.O. Rnr. 17).
Sozialgericht Dresden vom 14.05.2012
Bei
der Angemessenheitsprüfung ist regelmäßig nicht auf die Anzahl der
tatsächlich vorhandenen Zimmer abzustellen, sondern vielmehr auf die
Wohnungsgröße.
Somit wird eine 49,24 qm große Wohnung für eine Einzelperson nicht unangemessen, weil sie zwei Zimmer hat
Sozialgericht Dresden 3. Kammer
Urteil Format HTM PDF RTF XML
1. Instanz Sozialgericht Dresden S 3 AS 3496/10 14.05.2012
2. Instanz
3. Instanz
Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitsuchende
Entscheidung
I. Der Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 wird aufgehoben und der Beklagten
wird verpflichtet, unter Abänderung seiner Bescheide vom 19.04.2006, in
Gestalt des Änderungsbescheides vom 09.01.2007, der Klägerin Leistungen
der Grundsicherung für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 unter
Berücksichtung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
monatlich 362,44 EUR zu zahlen.
Klarstellend wird festgestellt, dass
der Beklagte der Klägerin für Mai bis Oktober 2010 monatlich weitere
63,19 EUR zu zahlen hat.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen, außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die
Klägerin begehrt im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für
Erwerbsfähige nach dem SGB II vom Beklagten die Bewilligung höherer
Unterkunftskosten für Mai bis Oktober 2006.
Die 1979 geborene
Klägerin ist alleinstehend und bezieht seit Januar 2005 Leistungen der
Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem SGB II. Sie bewohnt eine 49,24
qm-Wohnung, deren Grundmiete anfangs 251,76 EUR zuzüglich warmer
Betriebskosten in Höhe von 79,00 EUR betrug. Zum 01.09.2005 wurde die
Miete verändert auf Nettokaltmiete in Höhe von 248,66 EUR zuzüglich
Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 120,00 EUR.
Mit Bescheid vom
24.10.2005 bewilligte der Beklagte der Klägerin eine
Betriebskostennachzahlung, obwohl die Zahlung unangemessen sei und wies
die Klägerin im Bescheid auf die Notwendigkeit des sparsamen Umgangs
hin, da andernfalls im Wiederholungsfall nur die angemessenen
Betriebskosten übernommen werden könnten. Mit Schreiben vom 26.10.2005
forderte der Beklagte die Klägerin dazu auf, Ihre Kosten für Unterkunft
und Heizung zu senken. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei höchstens
eine Bruttokaltmiete von 252,45 EUR zuzüglich Heizkosten von maximal
46,80 angemessen. Auf diesen Wert habe die Klägerin ihr Kosten bis
31.03.2006 zu senken. Sollte ihr dies nicht möglich sein, habe sie
hiermit die Gelegenheit zur Stellungnahme, in deren Folge der Beklagte
prüfen werde, ob eine Ausnahme möglich sei. Mit Schreiben vom 23.11.2005
teilte die Klägerin mit, dass ihr bei Erstantragstellung gesagt worden
sei, dass sie in der Wohnung bleiben könne. Hieran sie ihr auch sehr
gelegen, da sie erheblich an Einrichtungsgegenständen investiert habe.
Zudem wohnten im Gebäude auch die Eltern der Klägerin, die sie im
Haushalt unterstütze. Mit Schreiben vom 13.12.2005 teilte der Beklagte
der Klägerin nochmals mit, dass ihre Unterkunftskosten unangemessen hoch
seinen und die von der Klägerin vorgebrachten Gründe nicht geeignet
seien, ausnahmsweise die überhöhten Kosten zu übernehmen. Ab 01.04.2006
werde die Klägerin den unangemessenen Mietteil selbst übernehmen müssen,
wenn sie nicht umziehe.
Auf ihren Fortzahlungsantrag vom
28.02.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bewilligungsbescheid
vom 19.04.2006 Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom
01.05.2006 bis 31.10.2006 in Höhe von monatlich 630,25 EUR, unter
Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
299,25 EUR. Am 12.09.2006 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass
sie eine befristete Tätigkeit aufgenommen habe. Am 23.10.2006 legte sie
ihre Lohnbescheinigung für September 2006 vor, wonach sie brutto 645,90
EUR, netto 511,09 EUR verdient hatte und im Oktober ausgezahlt erhielt.
Mit Änderungsbescheid vom 09.01.2007 bewilligte der Beklagte der
Klägerin wegen Anrechnung des Einkommens für Oktober 2006 nur 342,34
EUR.
Am 28.01.2010 beantragte die Klägerin ohne weitere
Begründung die Überprüfung aller Bewilligungsbescheide für den Zeitraum
April 2006 bis April 2010.
Mit Überprüfungsbescheid vom
04.02.2010 wies der Beklagte den Antrag zurück und führte aus, dass die
Bewilligungsbescheide auch nach nochmaliger Prüfung nicht zu beanstanden
seien.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
mit Schreiben vom 09.03.2010 Widerspruch mit der Begründung, dass die
Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in vollem Umfang berücksichtigt
seien und auch die Warmwasserpauschale nicht in gesetzlicher Höhe
abgezogen sei. Der Widerspruch wende sich gegen die Absenkung der
Unterkunftskosten auf 308,70 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid (W
2979/10) vom 03.05.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die
Absenkung der Unterkunftskosten sei entsprechend dem Stadtratsbeschluss
vom 24.02.2005 erfolgt. Erst mit Urteil des Bundessozialgerichts vom
22.09.2009 sei festgestellt worden, dass der Stadtratsbeschluss nicht
den Anforderungen entspricht und die Grenzwerte vielmehr an der
Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren zur
Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen als Ersatzwohnraum
vom 27.06.2005 auszurichten wären. Der vorliegend angefochtene Bescheid
sei davor aber bereits bestandskräftig gewesen, so dass das BSG-Urteil
auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht angewendet werden könne.
Die Rechtsbehelfsbelehrung lautete: "Gegen diese Entscheidung kann jeder
Betroffene für sich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim
Sozialgericht Dresden, Klage erheben." Der Widerspruchsbescheid wurde
dem Prozessbevollmächtigten ausweislich des dortigen Eingangsstempels am
04.05.2010 per Empfangsbekenntnis zugestellt. Das Empfangsbekenntnis,
in dem der Prozessbevollmächtigte mit seiner Unterschrift bestätigte,
den Widerspruchsbescheid am 04.05.2010 erhalten zu haben, wurde am
05.05.2010 an den Beklagten zurückgefaxt.
Mit Schreiben vom
04.06.2010, beim Sozialgericht Dresden (Nachtbriefkasten) am 04.06.2010
eingegangen erhob der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin gegen
diesen Widerspruchsbescheid Klage, mit der Begründung, dass die Klägerin
deutlich höhere Unterkunftskosten gehabt habe und dass das
Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22.09.2009 zudem für einen
Ein-Personen-Haushalt von 50qm, nicht nur 45qm angemessener Wohnfläche
ausgegangen sei. Soweit ein Mietspiegel zur Grundlage gemacht werde sei
zu berücksichtigen, dass dieser jedenfalls keine aktuelle Aussage über
die Verfügbarkeit des angemessenen Wohnraums geben könne. Zudem müssten
zumindest getrennte Erhebung bzgl. des aktuell bewohnten
Bestandswohnraums und des Preisgefüges des freien Wohnraumes erstellt
werden.
Die Klägerin beantragt, den Überprüfungsbescheid vom
04.02.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung seiner
Bescheide vom 19.04.2006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom
07.01.2007 der Klägerin Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung
nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 unter
Berücksichtung einer angemessenen Wohnfläche von 49,24 Quadratmetern in
gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der
Beklagte trug im Klageverfahren vor, die Absenkung der
Unterkunftskosten beruhe auf dem damals gültigen Stadtratsbeschluss. Die
diesbezüglichen Bescheide seien vor der Entscheidung durch das
Bundessozialgericht bestandskräftig gewesen. Erst mit dieser liege eine
ständige Rechtsprechung vor, so dass aufgrund der Regelung des § 330 SGB
III keine Änderung für den davor liegenden Zeitraum möglich sei. Mit
dem Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 seien die Angemessenheitsgrenzen
neu definiert worden, wonach für einen Ein-Personen-Haushalt eine
Bruttokaltmiete von 276,00 EUR angemessen sei, zuzüglich angemessener
Heizkosten. Das IWU-Gutachten sei sowohl für die Zeit ab November 2011
als auch für davor liegende Zeiträume aussagekräftig. Etwas anders gelte
auch nicht deshalb, weil der Gutachter selbst von einer Rückrechnung
nur bis Dezember 2008 ausging und mit Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011
die vorangegangenen Stadtratsbeschlüsse nur mit Wirkung ab 01.12.2010
aufgehoben worden seien. Der Beklagte nimmt auf das Gutachten im
einzelnen Bezug. Infolge der Index-Rückrechnung auf den
streitgegenständlichen Zeitraum sei vorliegend von einer angemessenen
Bruttokaltmiete von 272,00 EUR monatlich auszugehen. Die Klägerin habe
warme Betriebskosten von 120,00 EUR gehabt. Nach dem Gutachten des
Instituts wohnen und Umwelt GmbH (IWU), das das Gutachtenentwickelt
habe, auf dessen Grundlage der Stadtrat seinen neuen Beschluss gefasst
habe, entfallen statistisch auf die Heizkosten 48,9 % der warmen
Betriebskosten, mithin vorliegend nach Abzug der Warmwasserpauschale (in
Höhe von 6,26 EUR monatlich) 52,42 EUR. Die angemessenen Kosten der
Unterkunft betrügen somit bis 324,42 EUR. Im Rahmen der mündlichen
Verhandlung lies der Beklagte vortragen, dass man nun doch 50 qm
angemessene Wohnfläche zugrunde lege und daher von einer angemessenen
Bruttokaltmiete in Höhe von 287,00 EUR (224,00 EUR Nettokaltmiete +
63,00 EUR kalte Betriebskosten) ausgehe.
Das Gericht hat die
veröffentlichten kommunalen Bürgerumfragen aus 2002, 2005 und 2007, die
Stadtratsbeschlüsse zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und
Heizung gemäß § 22 SGB II vom 24.02.2005, 24.01.2008 und 24.11.2011, das
Schreiben der Stadt Dresden an den Beklagten vom 16.03.2010 zu den
Stadtratsbeschlüssen von 2005 bis 2008 bzgl. der angemessenen Kosten der
Unterkunft und Heizung, das Gutachten des Instituts Wohnen und Umwelt
(IWU) GmbH zur Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der
Kosten der Unterkunft für die Stadt Dresden vom 24.10.2011, die
Stellungnahme der IWU zur Anwendung des IWU-Gutachtens für
zurückliegende Zeiträume vom 16.02.2012 sowie die Stellungnahme der IWU
zum Beschluss des Sozialgerichts Dresden im Verfahren S 10 AS 6969/11 ER
beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Für das
weitere vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, sowie die
Verwaltungsakte des Beklagten (Nr. 07402BG0012818), deren Inhalt
Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die
zulässige Klage ist begründet. Der Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010,
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 verletzt die
Klägerin in ihren Rechten, soweit ihr nicht höhere Unterkunftskosten
gewährt wurden. Diese Bescheide waren daher aufzuheben und der Beklagte
zu verurteilen, den Bewilligungsbescheid vom 19.04.2006, in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 07.01.2007 abzuändern und die tatsächlichen
Unterkunftskosten (abzüglich der Warmwasserpauschale) zu zahlen.
I.
Die Klägerin hat den Streitgegenstand zulässig auf die Kosten der
Unterkunft und Heizung beschränkt. Zwar sind nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) bei einem Streit um höhere Leistungen
grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach
zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rn. 13). Ein Bescheid kann
im Einzelfall jedoch gleichwohl mehrere abtrennbare Verfügungen
enthalten. Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei
dem Betrag, der für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB
II bewilligt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 01.06.2010, B 4 AS 60/09
R, zitiert nach Juris Rn. 13 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die
Leistungsbewilligung im Übrigen nicht der Rechtsordnung entspräche, sind
nicht gegeben.
II. Die von der Klägerin angegriffenen Bescheide
sind dem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zugänglich. Gemäß § 44
SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im
Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht
unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist,
der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu
Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der
Überprüfungsantrag wurde am 04.02.2010 für Zeiträume bis April 2006
zurück gestellt. Dies war auch zulässig, da gemäß § 44 Abs. 4 SGB X Im
Falle der Aufhebung Leistungen für Zeiträume bis zu 4 Jahren vor der
Rücknahme (zuzüglich des Jahres der Antragstellung) erbracht werden. Die
Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die den Anwendungsbereich des
§ 44 SGB X für den Bereich des SGB II auf ein Jahr vor Rücknahme
beschränkt, trat erst mit Wirkung vom 01.04.2011 in Kraft und ist daher
auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Die Überprüfung kann
nicht, wie durch den Beklagten geschehen, durch Verweis auf § 40 Abs. 2
Ziff. 2 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 1 SGB III abgelehnt werden. § 330 SGB
III schränkt den Anwendungsbereich des § 44 SGB X für das SGB II und
SGB III insoweit ein, als die Rücknahme des rechtswidrig nicht
begünstigenden Verwaltungsaktes, der in ständiger Rechtsprechung anders
als durch die Bundesagentur für Arbeit (bzw. den Leistungsträger)
ausgelegt wurde, nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Bestehen einer
ständigen Rechtsprechung erfolgt. Voraussetzung für die Anwendung dieser
Vorschrift wäre, dass sich die ständige Rechtsprechung hinsichtlich der
der Verwaltungsentscheidung zugrundeliegenden Rechtsnorm geändert hat.
Allerdings entscheid auch das Bundessozialgericht, dass es für die
Anwendbarkeit der norm erforderlich ist, dass sämtliche
Grundsicherungsträger bundesweit die betreffende Norm einheitlich
ausgelegt hätten (Vgl. Urteil des BSG vom 21.06.2011, Az.: B 4 AS 118/10
R und vom 15.12.2010, Az.: B 14 AS 61/09 R). Dies ist vorliegend jedoch
nicht der Fall. Die erheblichen Abweichungen der örtlichen
Rechtsvorschriften, mit denen der Begriff der Angemessenheit in § 22 SGB
II ausgelegt wird, zeigt, dass von einer einheitlichen Praxis nicht die
Rede sein kann.
Gemäß § 44 SGB X, der gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1
SGB II (in der bis 01.04.2011 gültigen Fassung einschränkungslos) auch
im Rahmen des Grundsicherungsrechts Anwendung findet, ist ein
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt,
dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder
von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Im vorliegenden
Fall wurde das Recht unrichtig angewandt, weil der Beklagte zu niedrige
Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft festgelegt und in
der Folge zu niedrige Leistungen gewährt hat. Die
Bewilligungsverwaltungsakte waren daher aufzuheben. Dies hat der
Beklagte aber mit dem Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 abgelehnt, so dass der
Überprüfungsbescheid die Klägerin in ihren Rechten verletzt und deshalb
aufzuheben war. Der Überprüfungsantrag wurde am 04.02.2010 gestellt, so
dass der streitgegenständliche Zeitraum der Überprüfung bzw. Nachzahlung
von Leistungen gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1, 3 SGB X (4 Jahre zurück ab
Stellung des Überprüfungsantrages – vorliegend also bis Februar 2006)
zugänglich ist.
III. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen
Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen für ihre Kosten der Unterkunft
und Heizung im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.
Die
Klägerin erfüllt, wie auch die Leistungsbewilligung zeigt, die
Leistungsvoraussetzungen des § 7 SGB II. Ebenso unstreitig ist die
zeitweilige Einkommensanrechnung in den betroffenen Zeiträumen teilweise
aus Erwerbslohn oder aus Arbeitslosengeld I.
Ihr Anspruch
umfasst auch die alleinstreitgegenständlichen Leistungen für Kosten der
Unterkunft und Heizung. Diese werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen
sind. Die Angemessenheitsprüfung begrenzt somit die erstattungsfähigen
Kosten der Höhe nach (vgl. Urteil des BSG vom 01.06.2010, Az.: B 4 AS
60/09 R, Rnr. 16). Dabei ist die Angemessenheit der Wohnungskosten in
mehreren Schritten zu prüfen.
Nach der Rechtsprechung des BSG
(vgl. Urteil des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09, Rnr. 13) wird
zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze in einem ersten Schritt
die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt
und in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen
Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. In
einem dritten Schritt ist nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln,
wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden
ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des Grundsicherungsträgers ist es,
einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln,
um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger
zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene
Miete feststellen zu können (BSG a.a.O. Rnr. 17).
1. Die Größe
der angestrebten Wohnung der Antragstellerin von ca. 49,24 qm für eine
Person ist auch im streitgegenständlichen Zeitraum abstrakt angemessen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. dazu das "Oberwiesental"-Urteil
des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 70/08 R, Rnr. 13 bis 15) war hierfür
auf die in der bis 31.12.2009 gültigen Verwaltungsvorschrift des
Sächsischen Innenministeriums zur Modernisierung und Instandsetzung von
Mietwohnungen als Ersatzwohnraum im Rahmen des Stadtumbaus vom
27.06.2005 – VwV Ersatzwohnraum – (Sächs. ABl. S. 682) festgesetzten
Werte abzustellen. Danach wurden neue Flächenobergrenzen für die
Wohnraumförderung festgesetzt, die für eine Person von 50 qm in einer
Einraumwohnung und 60qm in einer Zwei-Raum-Wohnung ausgeht. Nach Ansicht
der Kammer ist sich hier am unteren Wert zu orientieren, da im Rahmen
des SGB II nur Grundbedürfnisse abzudecken sind. Wenn 50qm-Wohnungen als
förderfähig anzusehen sind, dann sind sie auch grundsätzlich
ausreichend, um menschenwürdige Wohnverhältnisse zu schaffen. Auf die
Anzahl der tatsächlich vorhandenen Zimmer kann im Rahmen der
Angemessenheitsprüfung insoweit nicht abgestellt werden (vgl. auch SG
Dresden, Urteil vom 02.11.2011, Az.: S 10 AS 4150/10 und Urteil des SG
Dresden vom 28.02.2012, Az.: S 29 AS 7524/10).
2. Örtlicher
Vergleichsraum für die Prüfung der angemessenen Mietkosten ist das
Gebiet der Landeshauptstadt Dresden. Dieses umfasst einen ausreichend
großen Raum der Wohnbebauung, der aufgrund seiner räumlichen Nähe,
seiner Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit einen
insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet und eine
Ghettobildung vermeidet.
3. Fraglich ist, welcher
Quadratmeterpreis auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung dieser
Größe im Zeitraum ab Mai 2006 im Vergleichsraum, d.h. in Dresden, zu
zahlen und damit angemessen ist. Bei der Angemessenheitsprüfung sind
nach der Rechtsprechung des BSG die Heizkosten nicht zu berücksichtigen;
die Angemessenheit der Heizkosten ist vielmehr isoliert zu prüfen (vgl.
Urteil des BSG vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 36/08 R).
Nach der
durch die Kammervertretenen Rechtsansicht beruhen die von der Beklagten
im angefochtenen Bescheid vom 19.04.2006 in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 09.01.2007, auf einen Betrag von monatlich
insgesamt 299,25 EUR begrenzten Mietkosten nicht auf einem schlüssigen
Konzept (vgl. dazu BSG, Urteile vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R – und
vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R – und – B 14 AS 65/08 R – jeweils
zitiert nach Juris). Abgesehen davon, dass weder der Bescheid vom
19.04.2006 noch die nachfolgenden Änderungsbescheide erläutern, wie sich
der Betrag von 299,25 EUR zusammensetzt, benennen weder der Bescheid
vom 19.04.2006 noch die nachfolgenden Änderungsbescheide die Grundlage
bzw. das Konzept, auf dessen Grundlage der nach Meinung der Beklagten
angemessene Mietpreis festgesetzt wurde. Erst die Begründung des
Widerspruchsbescheides durch den Beklagten lässt sich entnehmen, dass
dieser seiner Entscheidung einen Beschluss des Stadtrates der
Landeshauptstadt Dresden vom 24.02.2005 zugrunde gelegt hat. Im Rahmen
des Klagevortrags führt der Beklagte dann weiter aus, dass nunmehr der
neue Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 auch rückwirkend auf frühere
Zeiträume anzuwenden sei und insoweit eine Rückrechnung (der im Jahr
2011 vom Beklagten für 45 qm als angemessen betrachteten 276,00 EUR
Bruttokaltmiete) erfolgen könne, in deren Ergebnis eine Nettokaltmiete
für 50 qm in Höhe von 287,00 EUR angemessen sei, zuzüglich Heizkosten.
a)
Nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, kann ein
gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb des Vergleichsraumes nur dann
gewährleistet werden, wenn die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze auf
der Grundlage eines überprüfbaren so genannten "schlüssigen Konzeptes"
erfolgt. Das schlüssige Konzept soll hinreichende Gewähr dafür bieten,
dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes
wiedergegeben werden. Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht
zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel im Sinne
der §§ 558c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und 558d BGB abstellen. Ein
qualifizierter Mietspiegel kann jedoch als Grundlage eines schlüssigen
Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete im
Vergleichsraum geeignet sein (vgl. Urteil des BSG vom 17.12.2009, Az.: B
4 AS 27/09 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R und
Urteile vom 20.08.2009, Az.: B 14 AS 41/08 R und B 14 AS 65/08 R). Nach
der Rechtsprechung des BSG erfordert ein "Konzept" ein planmäßiges
Vorgehen des Grundssicherungsträgers im Sinne der systematischen
Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter
Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum
und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Das Konzept ist
schlüssig, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt
(vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R): 1. Die
Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss
über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung). 2. Es
bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der
Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnung – Differenzierung nach
Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach
Wohnungsgröße. 3. Es muss Angaben über den Beobachtungszeitraum
enthalten. 4. Es muss die Art und Weise der Datenerhebung
(Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel) festlegen. 5. Der Umfang der
eingezogenen Daten muss repräsentativ sein. 6. Die Datenerhebung muss
valide sein. 7. Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze der
Datenauswertung müssen eingehalten sein. 8. Das Konzept muss Angaben
über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwerte oder Kappungsgrenze)
enthalten.
b) Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung liegt
jedenfalls dem Stadtratsbeschluss vom 24.02.2005 und 24.01.2008 kein
schlüssiges Konzept zugrunde, ebenso wenig wie die im Stadtratsbeschluss
vom 24.11.2011 vom Beklagten als angemessen betrachteten Werte auf
frühere Zeiträume zurückgerechnet werden können.
aa) Der Beklagte
hat erstmals im Klageverfahren vorgetragen, dass das vom Beklagten in
Auftrag gegebene Gutachten des Institutes Wohnen und Umwelt (IWU) über
die "Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der Kosten
der Unterkunft für die Stadt Dresden" vom 24.10.2011 durch Rückrechnung
zur Grundlage für die Ermittlung von Angemessenheitswerten auch für
zurückliegende Zeiten gemacht werden könne. Das Gutachten liegt dem
Gericht vor, weitere Stellungnahmen wurden im Rechtstreit übersandt bzw.
durch Bezugnahme auf den Vortrag in Parallelrechtstreiten der Klägerin
vom Beklagten eingeführt. Jedenfalls können diese dort gefundenen Werte
nicht der Verwaltungsentscheidung zugrunde gelegen haben.
• Von
der Möglichkeit der Rückrechnung der im "IWU-Gutachten" gefundenen Werte
auf Zeiten vor 2008 scheint auch das Institut für Wohnen und Umwelt,
das das dem Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 zugrundeliegende Gutachten
erstellt hat, nicht auszugehen. Vielmehr wird in dessen Stellungnahme
vom 16.02.2012, anders als im Vortrag des Beklagten, lediglich von einer
Rückrechnung auf Sachverhalte gesprochen, denen der Mietspiegel von
2008 zugrunde gelegt werden kann, also für Zeiten ab Dezember 2008. Dies
dürfte aber vorliegend schon deshalb ausgeschlossen sein, weil ein
Sachverhalt aus dem Jahr 2006 in Streit steht.
• Auch darüber
hinaus scheidet vorliegend eine Rückrechnung aus, da die
Landeshauptstadt Dresden selbst diese Möglichkeit nicht eröffnet hat.
Der Umstand allein, dass das dem Stadtratsbeschluss zugrundeliegende
Gutachten eine solche Rückwirkung entwirft reicht nicht dazu aus, diese
auch anzunehmen. Vielmehr hat die Landeshauptstadt Dresden selbst in
Ziffer 6 ihres Stadtratsbeschlusses vom 24.11.2011 die vorangegangenen
Beschlüsse vom 24.01.2008 und vom 24.02.2005 nur für die Zeit ab
01.12.2010 aufgehoben, so dass diese für die Zeit davor weiterhin
Gültigkeit haben. Der Vortrag des Beklagten im vorliegenden Verfahren,
wonach der Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 auf Sachverhalte noch
(weit) vor 2010 zurückwirken soll und die Stadtratsbeschlüsse von 2005
und 2008 vollumfänglich auch für Zeiten vor 2010 aufgehoben seien,
entbehrt somit jeglicher rechtlicher Grundlage. Im Ergebnis widerspricht
sich die Landeshauptstadt Dresden nach Auffassung der Kammer selbst,
wenn sie einerseits davon ausgeht, dass aufgrund der dem Gutachten
zugrundeliegenden Datengrundlage auf deren Anwendbarkeit ab Dezember
2010 ausgegangen und der Beschluss entsprechend abgefasst wird,
gleichzeitig aber von der Möglichkeit einer Index-Rückrechnung der
Gutachtens-Ergebnisse für Zeiträume davor ausgegangen wird, "um
laufenden Klageverfahren zügig abschließen zu können", obgleich die
Stadtratsbeschlüsse aus 2005 und 2008 für diesen Zeitraum fortgelten.
Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung kann dies höchstens als
Kalkulationsgrundalge für eine vergleichsweise Einigung dienen,
vorausgesetzt der Widerspruchsführer/ Kläger ist damit einverstanden.
•
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass zudem
erhebliche Zweifel an der Methodik der Index-Rückrechnung bestehen, die
im IWU-Gutachten vorgeschlagen wird. Es ist für die Kammer nicht
nachvollziehbar, wie ein bundeseinheitlicher Index gleichermaßen auf
alle Kommunen bundesweit angewendet Auskunft darüber geben soll, welche
Mieten in Dresden in der Vergangenheit angemessen waren. Der örtliche
Vergleichsmaßstab wird dabei ausgeschaltet. Die herangezogenen
rechtlichen Regelungen (§ 558d BGB) beziehen sich nur auf die Zukunft,
nicht auf die Vergangenheit. Dies liegt schon daran, dass eine
Rückrechnung auf die Vergangenheit auch grundsätzlich nicht erforderlich
erscheint, da für die Vergangenheit Werte aus dem Mietspiegel
vorliegen, die der Beklagte der Methode des von ihm zugrunde gelegten
Gutachtens unterziehen könnte. Wenn bzw. soweit er in der Vergangenheit
keine ausreichende Datengrundalge geschaffen hat, kann dies nicht zu
Lasten der Kläger gehen (so auch Urteil der 29. Kammer des SG Dresden
vom 28.02.2012, Az.: S 29 AS 7524/10). Eine Indexierung ist nur in die
Zukunft hinein erforderlich, für die noch keine Werte vorliegen können.
Nur in dieser Weise wird der Index auch im Rahmen des § 558d BGB
verwendet, nämlich für eine Fortschreibung, nicht eine Rückrechnung.
Diese Fortschreibung des Mietspiegels dient unabhängig von der
tatsächlichen Entwicklung der Mieten der Anpassung des Mietspiegels
zumindest an die Rate der Geldentwertung. Nach Auffassung der Kammer hat
die Index-Fortschreibung des qualifizierten Mietspiegels damit schon
eine ganz andere Zielrichtung als die Festsetzung von
Angemessenheitsgrenzen im Grundsicherungsrecht.
• Zur darüber
hinaus erheblichen Kritik am IWU-Gutachten als Basis für die neuen, mit
Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 festgelegten Angemessenheitsgrenzen
für die Kosten der Unterkunft sei hier, da es letztlich für den
streitgegenständlichen Zeitraum mangels Rückrechnungsmöglichkeit nicht
darauf ankommt, nur Bezug genommen auf den ausführlichen Beschluss der
10. Kammer des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.2011, Az.: S 10 AS
6969/11 ER, der sich die Kammer nach eigener Prüfung hinsichtlich der
Kritikpunkte anschließt. An dieser Kritik ändert sich auch nichts durch
die nachträgliche Stellungnahme des IWU-Instituts vom 16.02.2012.
Insoweit führte bereits die 29. Kammer des SG Dresden (S 29 AS 7524/10)
zutreffend aus:
"Die vom Beklagten erst nach Fristablauf
vorgelegte Stellungnahme des IWU zu dem zitierten Beschluss der 10.
Kammer vermag die darin vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken gegen die
Wahl der Datengrundlage nicht auszuräumen. Insbesondere geht sie nicht
auf die Ausführungen der 10. Kammer ein, dass das IWU der Ermittlung der
Angemessenheitsgrenzen auch Daten zugrunde gelegt hat, die nicht den
vom BSG an die Aktualität und Validität entsprechenden Anforderungen
entsprechen, indem es neben den Mietspiegeldaten und den Bestandsdaten
der Landeshauptstadt Dresden über die SGB II- und XII-Bezieher sowie
neben den aus der Kommunalen Bürgerumfrage 2010 (Datenerhebung im
September 2010) erhobenen Daten außerdem eine Befragung des Sachgebiets
Wohnungsfürsorge unter den acht größten Wohnungsunternehmen in Dresden
(Stand Oktober 2010), eine Befragung von 30 mittelgroßen Vermietern
durch das Stadtplanungsamt (Stand Juli 2011), eine Auswertung des
Mikrozensus (Datengrundlage aus den Jahren 2003 bis 2006), eine Erhebung
aus der Internetdatenbank immodaten.net (Erhebungszeitraum nicht
angegeben) sowie eine Recherche auf dem Internetportal wg-gesucht.de
(Erhebungszeitraum ebenfalls nicht angegeben) als wesentliche Grundlagen
für die Berechnung der Angemessenheitsgrenze herangezogen hat, also
Daten, die jedenfalls teilweise noch vor In-Kraft-Treten des SGB II
erfasst worden sind bzw. deren Erhebungszeitraum unklar ist. Daraus
grundsicherungsrelevante Schlüsse zu ziehen, mag statistisch vertretbar
erscheinen, überzeugt aber rechtlich nach wie vor nicht.
Die Rückrechnung der Werte aus dem IWU-Gutachten von 2011 entbehrt damit jeglicher rechtlicher und logischer Grundlage.
bb)
Soweit die Landeshauptstadt Dresden in ihrem Stadtratsbeschluss vom
24.2.2005 für einen 1-Personenhaushalt die Angemessenheitsgrenze bei
einer Bruttokaltmiete von 252,45 EUR und Heizkosten in Höhe von 46,80
EUR angesetzt hat, und die Kosten der Unterkunft der Klägerin
entsprechend beschränkt, sind diese Beträge nicht anzuwenden, denn dabei
handelt es sich nicht um eine zutreffende Bestimmung der
Angemessenheitsobergrenze.
Nach den oben (unter 3a) genannten
Maßgaben, die sich das erkennende Gericht zu Eigen macht, ist die von
der Landeshauptstadt Dresden in dem genannten Stadtratsbeschluss vom
24.02.2005 festgelegte Bruttokaltmiete als Obergrenze nicht auf der
Grundlage eines sogenannten "schlüssigen Konzeptes" ermittelt. Denn die
Landeshauptstadt Dresden hat die ihr zur Verfügung stehenden, Daten
fehlerhaft ausgewertet und insbesondere nicht nach der Wohnungsgröße
differenziert (vgl. auch S 40 AS 390/09).
Zwar geht auch die 3.
Kammer des Sozialgerichts Dresden davon aus, dass die qualifizierten
Mietspiegel, die dem Gericht nebst den dazugehörigen Methodenberichten
vorliegen, als Datengrundlage für die Ermittlung der angemessenen
Nettokaltmiete für einfachen Wohnraum grundsätzlich geeignet sind und
schließt sich damit der Rechtsprechung der 40. und 29. und 10. Kammer
des Sozialgerichts Dresden an (vgl. Urteil vom 29.06.2010, Az.: S 40 AS
390/09, S 29 AS 7574/10 vom 28.02.2012, S 10 AS4150/10 vom 02.11.2011).
Allerdings hat die Landeshauptstadt Dresden die ihr zur Verfügung
stehenden Daten nicht korrekt ausgewertet. Es fehlt vor allem an einer
Differenzierung nach der Wohnungsgröße. Die Methode der Stadt, aus allen
Wohnungsgrößen ein arithmetisches Mittel zu bilden führt dazu, dass
kleine Wohnungen, wie sie auch vorliegend streitgegenständlich sind,
künstlich preiswert gerechnet werden, da ein Durchschnitt unter
Einbeziehung größerer Wohnungen mit niedrigeren Quadratmeterpreisen
gebildet wurde. Dies spiegelt aber jedenfalls nicht die Kosten wieder,
die für die Anmietung einer nach Quadratmetern angemessenen Wohnung
aufgebracht werden müssen (vgl. hierzu auch Urteile des SG Dresden vom
21.12.2010, Az.: S 29 AS 6468/10 und S 29 AS 3225/10 für den Zeitraum ab
2008, der sich aber methodisch nicht von der vorgehensweise im
vorangegangenen Zeitraum unterscheidet).
Anders als die 40.
Kammer (a.a.O.) und mit der 29. Kammer (a.a.O.) sieht die 3. Kammer des
Sozialgerichts Dresden jedoch keine Möglichkeit, aufgrund der gegebenen
Datengrundlagen entsprechend den Vorgaben des Bundessozialgerichts
selbst korrekte Angemessenheitswerte zu berechnen. Dies scheitert daran,
dass nach den Vorgaben des BSG eine Bruttokaltmiete zu ermitteln ist,
der Mietspiegel aber nur Auskunft über die Nettokaltmiete gibt.
Für
das Gericht ist nicht nachvollziehbar, worauf die vom Beklagten als
Grundlage seines Stadtratsbeschlusses von 2005 angenommenen Werte für
kalte Betriebskosten beruhen. Die Stadt Dresden merkte insoweit in ihrem
Schreiben vom 16.03.2010 selbst an: "Mit Beschluss des Stadtrates vom
24.02.2005 wurden 2,30 EUR je qm für die Gesamtbetriebskosten (kalte und
warme Betriebskosten) als angemessen festgelegt. Davon sind 55 % dieses
Betrages (1,26 EUR je qm) für die kalten Betriebskosten (Nebenkosten)
und 45% dieses Betrages (1,04 EUR je qm) für die warmen Betriebskosten
(Heizkosten) zur Feststellung der angemessenen Obergrenzen jeweils
zugeordnet worden."
Wie die Landeshauptstadt auf diese Zahlen und
die pauschale Aufteilung kommt, ist nicht dargelegt worden und kann vom
Gericht nicht nachvollzogen werden. Vielmehr ergibt sich aus der
kommunalen Bürgerumfrage von 2002 ein (wie auch immer) nach Haushalten
gewichteter Durchschnittswert für kalte Betriebskosten von 1,39 EUR pro
qm und Heizkosten von 1,00 EUR pro qm, wobei sich für Menschen in der
Situation der Klägerin (ohne Partner und weiblich, Haushalt mit
Einkommen bis 700,00 EUR, 1-Personen-Haushalt, im Stadtteil Pieschen) in
der Auswertungstabelle zur Frage gleich vier verschiedene Einzelwerte
ergeben (1,60 EUR/qm, 1,27 EUR/qm, 1,50 EUR/qm oder 1,54EUR/qm). Die
pauschale Zuordnung, deren prozentuale Aufteilung weder belegt noch
irgendwie nachvollziehbar ist, kann nicht zur Grundlage einer den
Anforderungen des BSG entsprechenden Berechnung der Angemessenheit
gemacht werden.
Auch aus der kommunalen Bürgerumfrage 2005
ergeben sich keine Zahlen, die die vom Beklagten angenommenen Werte
(nachträglich) rechtfertigen könnten. Dort sind kalte Betriebskosten von
1,29 EUR/ qm im Durchschnitt errechnet worden, die ebenfalls nicht mit
dem noch für 2006 und 2007 angewendeten Wert von 1,26 EUR übereinstimmen
sondern noch darunter liegen. Zudem leiden auch diese aktuelleren
Zahlen daran, dass ihre Berechnung nicht nachvollziehbar ist. Die
Ergebnisse der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 wurden ebenfalls
veröffentlich, und in deren Frage 30 wurde nach Betriebskosten gefragt.
Hier bildete der Beklagte aus den Angaben der Befragten einen Mittelwert
(arithmetisches Mittel) gewichtet nach Haushalten und berechnete daraus
insgesamt monatliche kalte Betriebskosten von 1,29 EUR je qm.
Allerdings kann die Kammer der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 nicht
entnehmen, dass es sich um eine repräsentative Befragung handelt und wie
die Gewichtung ("nach Haushalten"?) der Angaben vorgenommen wurde.
Insbesondere hat die Landeshauptstadt Dresden versäumt, bei der
Bürgerumfrage danach zu differenzieren, ob die Betriebskosten ganz oder
teilweise nach Anzahl der Personen oder allein nach der Größe der
Wohnfläche umgelegt werden. Darüber hinaus lassen sich aus dem
Tabellenteil der Auswertung der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 wiederum
erheblich unterschiedliche Werte entnehmen. So ergibt sich, dass
Personen ohne Partner im Erhebungszeitraum zwischen 1,22 und 1,98 EUR/m²
Betriebskosten gezahlt haben. Für gering verdienende Haushalte und
Alleinerziehende sind gar keine Angaben entnehmbar, erst ab einem
Nettoeinkommen von 1250,00 EUR ergeben sich 0,95 EUR je qm. Für einen
1-Personen-Haushalt werden 1,55 EUR angegeben und differenziert nach
Stadtteilen ergeben sich Werte zwischen 0,99 EUR und 1,83 EUR. Auffällig
ist jedoch, dass der für die Stadtteile Pieschen - Kaditz, Mickten und
Trachau angegebene Wert von 1,06 EUR nicht in den vorhergehenden Gruppen
(Haushaltsgröße, Haushaltsnettoeinkommen, Befragte mit Partner und
Befragte ohne Partner) zu finden ist. Für den (großen) Stadtteil Gorbitz
wurden keine Angaben in die Tabelle aufgenommen. Da schon die volle
Datengrundlage nicht bekannt ist, auf der diese "gewichteten" Zahlen
beruhen und diese Werte dermaßen lückenhaft und variabel sind, lässt
sich hieraus nach der hier vertretenen Rechtsansicht im Wege des
arithmetischen Mittelwertes keine rechnerisch nachvollziehbare
Durchschnittszahl ermitteln, die dem tatsächlichen Hilfebedarf gerecht
würde.
Die Antwortdaten, die den kommunalen Bürgerumfragen
zugrunde lagen, stehen dem Gericht nicht zur Verfügung, so dass auch
kein nachvollziehbares Rechenwerk erstellt werden kann.
c) Nach
der Rechtsprechung des BSG dürfen dann, wenn es an lokalen
Erkenntnismöglichkeiten mangelt, hilfsweise die Werte der rechten Spalte
der Wohngeldtabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der bis
31.12.2008 geltenden Fassung (a. F.) angewendet werden, die zudem durch
einen maßvollen Zuschlag zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil vom
22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R – und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R
– zitiert nach Juris). Die Landeshauptstadt Dresden war nach der von
2002 bis 2008 geltenden Wohngeldverordnung (WoGV) - Anlage (zu § 1 Abs.
4) Mietenstufen der Gemeinden (§ 8 des Wohngeldgesetzes) nach Ländern ab
1. Januar 2002 - (vgl. BGBl. I 2001 Seiten 2727 bis 2756) der Stufe 3
zuzuordnen. Die maximal angemessenen (kalten) Unterkunftskosten würden
bei einem 1-Personen-Haushalt nach der bis 31.12.2008 geltenden Tabelle
zu § 8 WoGG a.F. monatlich 300,- EUR betragen. Erhöht man diesen Wert
(maßvoll) um 10 % (so z. B. SG Braunschweig, Urteil vom 09.09.2009 – S
33 AS 2716/08, Randnr. 19; SG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 –
S 16 AS 444/08 – Randnr. 42), d.h. um 30,00 EUR, wäre monatlich eine
Bruttokaltmiete bis zu 330,00 EUR angemessen.
Die Grundmiete für
die Wohnung der Klägerin betrug im streitigen Zeitraum 248,66 EUR und
die warme Betriebskostenvorauszahlung betrug 120,- EUR, d.h. die
tatsächlichen, warmen Kosten der Unterkunft betrugen insgesamt 368,66
EUR. Da keine anderen Anhaltspunkte für die Aufteilung der
Betriebskosten gegeben sind, können diese nur hälftig geteilt werden, so
dass von einer Bruttokaltmiete auszugehen ist, die mit 308,66 EUR auch
bei nur geringer Erhöhung noch im Rahmen der Grenzen der Wohngeldtabelle
liegen. Damit lagen die tatsächlichen (kalten) Kosten der Unterkunft im
streitigen Zeitraum nicht über der Angemessenheitsgrenze nach dem WoGG.
d)
Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten, deren Vorauszahlung der mit
Erdgas versorgten Wohnung der Kläger monatlich 60,00 EUR betrug. Da in
der Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser auch Energiekosten für die
Zubereitung von Warmwasser enthalten waren, sind diese entgegen der
Auffassung der Kläger nach dem Grundsatzurteil des BSG vom 27.02.2008 - B
14/11b AS 15/07 R – (NZS 2009 S. 53), dem die Kammer nach eigener
Prüfung folgt, aus den Kosten der Unterkunft herauszurechnen, da die
Kosten für die Haushaltsenergie bereits zu 1,8029 % im Regelsatz
enthalten sind. Demnach waren bei einem Regelsatz von 345,- EUR für die
Klägerin 6,22 EUR von den (tatsächlichen) Heiz- und
Warmwasserbereitungskosten abzuziehen. Damit betrugen die tatsächlichen
Kosten der Heizung der Klägerin im Mai bis Oktober 2006 monatlich 53,78
EUR. Nach dem bundeseinheitlichen Heizkostenspiegel für das Jahr 2006
sind bei einem (erd-)gasbeheizten Gebäude mit über 1000 qm Wohnfläche
jährliche Kosten von 12,40 EUR je Quadratmeter noch angemessen, mithin
im Fall der Klägerin 50,88 EUR.
e) Auf der Grundlage der
Produkttheorie sind nun die maximal abstrakt angemessenen Gesamtkosten
für Unterkunft und Heizung, vorliegend 380,88 EUR (330,00 EUR
Bruttokaltmiete + 50,88 EUR Heizkosten) mit den tatsächlichen
Gesamtkosten in Höhe von 362,44 EUR (308,66 EUR + 60,00 EUR - 6,22 EUR )
zu vergleichen. Im Ergebnis waren die tatsächlichen Kosten der
Unterkunft und Heizung der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum
angemessen. Damit waren der Klägerin von der Beklagten Kosten der
Unterkunft und Heizung für Mai bis Oktober 2006 von 362,44 EUR zu
gewähren bzw. in die Berechnung einzustellen. In die Berechnung
einbezogen wurden mit Bescheid vom 19.04.2006 in der Fassung des
Änderungsbescheids vom 07.01.2007 monatlich nur 299,25 EUR, d.h. für den
Zeitraum Mai bis Oktober 2006 waren der Klägerin für ihre Unterkunfts-
und Heizkosten weitere Leistungen in Höhe von monatlich 63,19 EUR
zuzusprechen.
Im Ergebnis war der Klage stattzugeben, die auf die
Gewährung der nach dem Gesetz angemessenen KdU unter Berücksichtigung
einer tatsächlichen und angemessenen Wohnfläche der Klägerin von 49,24
qm gerichtet war.
III. Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Hauptsache, § 193 SGG.
IV.
Die Berufung ist nicht kraft Gesetzes zulässig, § 144 Abs. 1 SGG. Sie
war aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Beim Sozialgericht Dresden sind eine Vielzahl von Fällen anhängig, die
die gleiche Rechtsfrage, nämlich die Angemessenheit der in den
Stadtratsbeschlüssen der Landeshauptstadt Dresden vom 24.2.2005 und
24.1.2008 sowie 24.11.2011 niederlegten Obergrenzen für
Unterkunftskosten zum Gegenstand haben.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=153047&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/07/mussen-alleinstehende-hartz-iv.html
Willi S
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