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Mehrbedarf für Alleinerziehende - geteilte Kinderbetreuung bzw -erziehung getrennt lebender Eltern BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R

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Mehrbedarf für Alleinerziehende - geteilte Kinderbetreuung bzw -erziehung getrennt lebender Eltern BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R  Empty Mehrbedarf für Alleinerziehende - geteilte Kinderbetreuung bzw -erziehung getrennt lebender Eltern BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R

Beitrag von Willi Schartema Do Jul 05, 2012 3:36 am

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R

Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf für Alleinerziehende - geteilte Kinderbetreuung bzw -erziehung getrennt lebender Eltern
Leitsätze



Besondere Lebensumstände, die die Zuerkennung des hälftigen
Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung rechtfertigen, liegen vor, wenn sich
geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung
des gemeinsamen Kinds in größeren, mindestens eine Woche umfassenden
Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig
teilen.


Tatbestand




1

Die Beteiligten streiten darum, ob ein Mehrbedarf wegen
alleiniger Pflege und Erziehung eines Kindes (im Folgenden: Mehrbedarf
für Alleinerziehende) auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sich die
geschiedenen und getrennt wohnenden Kindeseltern bei der Pflege und
Erziehung wöchentlich abwechseln.

2

Die 1977 geborene Klägerin war mit R O verheiratet. Die Ehe,
aus der die Tochter D (geb am 12.6.2002) hervorging, ist mittlerweile
geschieden. Ab 2005 lebten die Klägerin und D einerseits sowie R O
andererseits in getrennten Wohnungen. Seit diesem Zeitpunkt beziehen die
Klägerin und ihre Tochter Leistungen nach dem SGB II. Für Februar bis
Juli 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen in Höhe von
monatlich 469 Euro, bei denen eine Regelleistung von monatlich 345 Euro
und ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 124 Euro
berücksichtigt war (Bescheid vom 5.1.2006).

3

Im März 2006 zog D zu ihrem Vater. Daraufhin setzte die
Beklagte für die Zeit von April bis Juli 2006 die Regelleistung der
Klägerin auf monatlich 345 Euro und Kosten der Unterkunft auf monatlich
372,50 Euro fest; ein Mehrbedarf für Alleinerziehende stehe der Klägerin
seit dem 1.4.2006 nach dem Umzug D's zu ihrem leiblichen Vater nicht
mehr zu (Bescheid vom 22.3.2006, Widerspruchsbescheid vom 27.6.2006).

4

Unter Mitwirkung des Jugendamtes trafen die Klägerin und R O
am 20.6.2006 eine "vorläufige Elternvereinbarung". In dieser heißt es:

5

"1. Die Kindeseltern teilen sich die Betreuung ihrer
Tochter jeweils zur Hälfte. Die Übergabe der Tochter erfolgt jeweils im
wöchentlichen Wechsel am Montag um 16 Uhr.

style="margin-left:36">
2. Die Kindeseltern
tauschen sich regelmäßig bei der Übergabe über die Belange ihrer Tochter
aus.

3.
Bezgl. der finanziellen Angelegenheiten wurde folgende Vereinbarung
getroffen. Hauptwohnsitz der gemeinsamen Tochter ist bei Herrn O
Nebenwohnsitz ist bei Frau O Kindergeld und die anteiligen Alg
II-Leistungen (Regelsatz derzeit 207 Euro) werden an Herrn O gezahlt.
Pro Elternteil stehen 103,50 Euro für D zur Verfügung. Das Essensgeld
des Kindergartens in Höhe von voraussichtlich 47 Euro wird von Herrn O
beglichen und von dem Elternteil an Frau O hälftig abgezogen, so dass
ein Betrag von 80 Euro an Frau O von Herrn O weitergegeben wird.

style="margin-left:36">
4.

5.
Bezgl. Bekleidung und sonstigem Bedarf kauft jeder Elternteil, die für
ihre Tochter in ihrem Haushalt benötigten Dinge eigenverantwortlich ein.

style="margin-left:36">
6. Abweichende
Vereinbarungen sind nur einvernehmlich
möglich."

6

Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Klage abgewiesen
(Urteil vom 13.4.2007). Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat sich
die Klägerin lediglich noch dagegen gewandt, dass die ihr für Juli 2006
gewährte Leistung im Umfang des hälftigen Anteils des Mehrbedarfs für
Alleinerziehende aufgehoben worden ist. Das Landessozialgericht (LSG)
Nordrhein-Westfalen hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen,
die teilweise Aufhebung der der Klägerin im Juli 2006 gewährten Leistung
sei nicht zu beanstanden. Eine wesentliche Änderung in den
tatsächlichen Verhältnissen nach § 48 SGB X sei jedenfalls dadurch
eingetreten, dass die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann am 20.6.2006
die Elternvereinbarung getroffen und sie die Betreuung ihres Kindes
entsprechend dieser Vereinbarung auch tatsächlich im wöchentlichen
Wechsel ausgeübt hätten. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende habe der
Klägerin nicht mehr zugestanden. Denn sie habe dann nicht mehr allein,
sondern gemeinsam mit ihrem geschiedenen Ehemann für die Tochter gesorgt
(Urteil vom 13.9.2007).

7

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des §
21 Abs 3 SGB II. Das LSG stelle auf einen Zeitfaktor ab, der weder dem
Wortlaut von § 21 Abs 3 SGB II noch den gesetzgeberischen Motiven zu
entnehmen sei. Der Gesetzgeber habe nur allgemein beispielhaft - ohne
zeitliche Fixierung - angeführt, dass Alleinerziehende wegen der Sorge
für ihre Kinder weniger Zeit hätten. Ähnlich sei dies bei
Alleinerziehenden mit nur einem Kind. Auch sie seien weniger mobil,
hätten keine ausreichende Zeit zum Preisvergleich, müssten die
nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit nutzen und hätten ein höheres
Informations- und Kontaktbedürfnis. Demgemäß liege in Bezug auf die
gesetzlich typisierende Regelung kein anderer Lebenssachverhalt vor.
Wäre, bezogen auf den gesetzlich maßgeblichen Bedarfszeitraum von in der
Regel sechs Monaten, die ausschließliche Alleinsorge für je drei Monate
zwischen den Kindeseltern aufgeteilt, so stehe völlig außer Zweifel,
dass jeder Elternteil für die jeweiligen drei Monate, in denen das Kind
bei ihm sei, Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende habe. Die
"vorläufige Elternvereinbarung" gebe zudem nur das wieder, was der
gesetzliche Regelfall sei.

8

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen vom 13.9.2007 und des Sozialgerichts Detmold vom
13.4.2007 in vollem Umfang sowie den Bescheid vom 22.3.2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2006 insoweit aufzuheben,
als die ihr mit Bescheid vom 5.1.2006 bewilligten Leistungen wegen eines
Mehrbedarfs für Alleinerziehende über einen Betrag von 62 Euro hinaus
aufgehoben worden sind.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.




Entscheidungsgründe



11

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die
Vorinstanzen haben die gegen die Entziehung auch des hälftigen
Mehrbedarfs gerichtete Anfechtungsklage für den Monat Juli 2006 zu
Unrecht abgewiesen.

12

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid
vom 22.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2006,
mit dem die Beklagte den Bescheid vom 5.1.2006 gemäß § 48 Abs 1 Satz 1
SGB X aufgehoben hat, soweit sie die Bewilligung von Leistungen für den
Monat Juli 2006 über einen Betrag von 407 Euro hinaus aufgehoben hat.
Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) ist für
den streitigen Zeitraum unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen,
soweit nicht Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung betroffen
sind.

13

Die Aufhebung der Bewilligung der erhöhten Regelleistung für
Juli 2006 gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X über einen Betrag von 407 Euro
hinaus war rechtswidrig. Denn die Aufhebung der Bewilligung von
Leistungen ist nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft
nur zulässig, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Klägerin hat -
obwohl sie sich im Juli 2006 in der Betreuung ihrer Tochter mit deren
leiblichen Vater abgewechselt hat - für diesen Monat Anspruch auf den
hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Die Beklagte war folglich
nicht berechtigt, ihr den zunächst bewilligten Mehrbedarf für
Alleinerziehende wegen einer Änderung der Verhältnisse in voller Höhe zu
entziehen.

14

Die Klägerin erfüllte nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des LSG bei Erlass des Bescheides vom 5.1.2006 die
Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 iVm § 7 Abs 1 Satz
1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das
15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

15

Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern
zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist
gemäß § 21 Abs 3 SGB II ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20
Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem
Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter sechzehn
Jahren zusammenleben (Nr 1), oder in Höhe von 12 vH der nach § 20 Abs 2
SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein
höherer Vomhundertsatz als nach der Nr 1 ergibt, höchstens jedoch in
Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung (Nr
2). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur
Regelleistung gewährter Bestandteil des Arbeitslosengeldes II. Der
genannte Mehrbedarf wird unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfes
gewährt, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere
Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insoweit
von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein
zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist.

16

Derartige besondere Lebensumstände, die die Zuerkennung des
in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs rechtfertigen, liegen
grundsätzlich vor, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern
bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren,
mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die
anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen. Der Senat folgt in Fällen
dieser Art nicht dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip". Vielmehr bejaht er bei
Vorliegen der genannten Umstände die in Rechtsprechung und Literatur
nicht einheitlich behandelte Frage
(für die Berücksichtigung des vollen Mehrbedarfs, wenn
die zeitliche Betreuung des Kindes bei rund einem Drittel liegt: LSG
Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.6.2007 - L 8 AS 491/05 = juris RdNr
46; den Mehrbedarf ablehnend bei einem halbwöchentlichen Wechsel:
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, FEVS 48, 24, 25; Behrend in jurisPK-SGB
II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 25; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II,
Januar 2007, § 21 RdNr 9; Tattermusch in Estelmann, SGB II, April 2008, §
21 RdNr 19; den Mehrbedarf ganz versagend wohl: LSG Hamburg, Beschluss
vom 26.9.2005 - L 5 B 196/05 ER AS = ZFSH/SGB 2006, 101, 102; LSG
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.4.2008 - L 20 AS 112/06 = Sozialrecht
aktuell 2008, 155, 160)

in der Weise, dass den Berechtigten ein hälftiger Mehrbedarf
für Alleinerziehende zusteht. Denn es ist bei einer derartigen
Situation weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen
Alleinerziehung gänzlich zu versagen, noch erscheint es sachgerecht,
ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der Senat trägt insoweit den
Wertungen des Familienrechts Rechnung, das die gemeinsame elterliche
Sorge auch bei Getrenntleben der Eltern zumindest fördern will
(vgl nur Diederichsen in Palandt, BGB, 68. Aufl 2009, § 1671 RdNr 1)
. Er nimmt zugleich auf die grundsätzliche Zielvorstellung
des SGB II Rücksicht, wonach die Leistungen der Grundsicherung
insbesondere darauf auszurichten sind, dass die familienspezifischen
Lebensverhältnisse von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die Kinder
erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, berücksichtigt
werden (§ 1 Abs 1 Satz 4 Nr 4 SGB II).

17

Die Voraussetzungen für den Mehrbedarf für Alleinerziehende
sind nach § 21 Abs 3 SGB II erfüllt, wenn Berechtigte mit einem oder
mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung
sorgen. Die Begriffe "Pflege" und "Erziehung" beschreiben die
umfassende Verantwortung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des
Kindes. Pflege konkretisiert die Sorge für das körperliche Wohl,
Erziehung die Sorge für die seelische und geistige Entwicklung, die
Bildung und Ausbildung der minderjährigen Kinder. Es geht um die gesamte
Sorge für das Kind, mithin die Ernährung, Bekleidung, Gestaltung des
Tagesablaufs und emotionale Zuwendung
(vgl Behrend, jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 22).

18

Die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin trotz des
wöchentlichen Aufenthaltswechsels als alleinerziehend im Sinne der
Regelung angesehen werden kann, ergibt sich mangels einer ausdrücklichen
Regelung der Fälle des sog Wechselmodells aus dem aus der
Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck des Mehrbedarfs. Dieser wird
zwar vom Gesetz selbst nicht näher beschrieben, er hat aber im
Gesetzgebungsverfahren hinreichenden Ausdruck gefunden. Da nach dem
Willen des Gesetzgebers inhaltlich an die entsprechende Vorschrift im
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) angeknüpft werden sollte
(vgl BT-Drucks 15/1516 S 57)
, kann auf die Motive zum Vierten Änderungsgesetz des BSHG zurückgegriffen werden
(vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 )
. Zum Zeitpunkt dieser Gesetzesinitiative war in § 23 Abs 2
BSHG bereits ein Mehrbedarfszuschlag für solche Personen vorgesehen, die
mit zwei oder mehr Kindern unter 16 Jahren zusammenleben und allein für
deren Pflege und Erziehung sorgen. Die Rechtfertigung dieses
Mehrbedarfszuschlages ergab sich nach den Materialien vor allem dadurch,
dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder weniger Zeit
haben, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen zur
Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssen.
Nach dem Gesetzentwurf sei die Situation bei Alleinerziehenden mit nur
einem Kind ähnlich, solange das Kind noch nicht schulpflichtig sei. Auch
sie seien weniger mobil, fänden keine ausreichende Zeit zum
Preisvergleich, müssten die nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit nutzen
und hätten ein höheres Informations- und Kontaktbedürfnis. Für sie werde
deshalb ein Mehrbedarfszuschlag vorgesehen. § 23 Abs 2 BSHG idF vom
21.6.1985
(BGBl I 1081)
hatte daher folgenden Wortlaut: "Für Personen, die mit einem
Kind unter 7 Jahren oder die mit 2 oder 3 Kindern unter 16 Jahren
zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein
Mehrbedarf von 20 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen,
soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht …". Auch der
Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liegt mithin
darin, den höheren Aufwand des Alleinerziehenden für die Versorgung und
Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und
zusätzlicher Aufwendungen für Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von
Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen
(vgl nur Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.
Aufl 2008, § 21 RdNr 26; Deutscher Verein für öffentliche und private
Fürsorge, Gutachtliche Äußerung: Mehrbedarf nach §§ 23, 24 BSHG und
Einkommensgrenzen nach §§ 79, 81 BSHG, 1991, S 19 ff)

.

19

Ausgehend von dem in dieser Weise konkretisierten Zweck des
Mehrbedarfs kommt es darauf an, ob der hilfebedürftige Elternteil
entweder während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil oder
Partner in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer
nachhaltigen Entlastung auszugehen oder ob eine derartige Entlastung
innerhalb des Zeitraums, den das Kind sich bei dem anderen Elternteil
aufhält, eintritt
(vgl Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 10).
Innerhalb des Betreuungszeitraums, der vorliegend eine Woche
beträgt, kommt es für die Beurteilung allein auf die tatsächlichen
Verhältnisse an, sodass es unerheblich ist, wer im rechtlichen Sinne
Inhaber des Personensorgerechts iS der §§ 1626 ff BGB ist
(Lang/ Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl
2008, § 21 RdNr 30; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, März 2005, K § 21
RdNr 15; Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007 § 21 RdNr 9).


20

Im Hinblick auf den Zweck des Mehrbedarfs für
Alleinerziehende tritt in Fällen der vorliegenden Art in derjenigen
Woche, in der sich die Tochter der Klägerin bei ihrem Vater aufhält, bei
der Klägerin keine finanzielle oder sonst wie geartete Entlastung in
einem Umfang ein, dass die Zuerkennung eines Mehrbedarfs nicht
gerechtfertigt wäre. Während des jeweils eine Woche umfassenden
Zeitraums der Betreuung der Tochter durch die Klägerin sorgt diese
allein iS des § 21 Abs 3 SGB II für deren Pflege und Erziehung. Ihr
entstehen während des genannten Zeitraums infolge der Sorge für das Kind
die dem pauschalierten Mehrbedarf zugrunde liegenden erhöhten
Aufwendungen. Eine finanzielle Entlastung tritt insoweit nicht ein, weil
sich die Eltern die Kosten nach der getroffenen Vereinbarung in etwa
hälftig teilen. In der Betreuungswoche wirkt sich die fehlende
Arbeitsteilung mit einem Partner nach wie vor erheblich aus. Die
erhöhten Aufwendungen, zB für kostenaufwändigere Einkäufe und die Kosten
der Kinderbetreuung zur Aufrechterhaltung der Außenkontakte, lassen
sich in Fällen, wie dem vorliegenden, in denen sich das Kind
(mindestens) eine Woche bei dem einen, die andere Woche bei dem anderen
Elternteil aufhält, nicht außerhalb der Betreuungszeit im erforderlichen
Umfang kompensieren.

21

Der Senat hält es allerdings für geboten, in Fällen der
vorliegenden Art die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch zu
reduzieren und den Mehrbedarf bei der gebotenen pauschalierenden
Betrachtungsweise auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung zu
begrenzen. Denn es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die
Klägerin durch das Wechselmodell während des Zeitraums, für den der
andere Elternteil für die Pflege und Erziehung des Kindes sorgt, keinen
erhöhten Aufwendungen ausgesetzt ist. Die hälftige Leistung ist
unabhängig von den konkreten Betreuungszeiträumen aufgrund der durch §
21 Abs 3 SGB II vorgegebenen monatlichen Betrachtungsweise zu erbringen.

22

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass er es vor dem
Hintergrund des Zwecks des § 21 Abs 3 SGB II nicht für gerechtfertigt
hält, die vorstehenden Überlegungen auf andere Gestaltungen, bei denen
tatsächlich ein abweichender Anteil der Betreuungsleistungen praktiziert
wird, zu übertragen. Ist ein Elternteil in geringerem als hälftigem
zeitlichen Umfang für die Pflege und Betreuung des Kindes zuständig, so
steht die Leistung allein dem anderen Elternteil zu. Die Zuerkennung des
hälftigen Mehrbedarfs erscheint auf der Grundlage der vorstehenden
Überlegung auch dann nicht gerechtfertigt, wenn sich Betreuung in
kürzeren als wöchentlichen Intervallen vollzieht.

23

Es ist deshalb im Juli 2006 neben der Regelleistung in Höhe
von 345 Euro ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 62 Euro zu
berücksichtigen. Der Klägerin steht daher in diesem Zeitraum unter
Berücksichtigung von § 41 Abs 2 SGB II eine erhöhte Regelleistung in
Höhe von 407 Euro zu, weshalb die Beklagte die Bewilligungsentscheidung
vom 5.1.2006 in einem Umfang von (nur) 62 Euro aufheben durfte.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=10984

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