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Brille vom Amt Jobcenter oder Sozialamt und Zahnersatz von der Krankenkasse
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Brille vom Amt Jobcenter oder Sozialamt und Zahnersatz von der Krankenkasse
Für eine Brille ist das Jobcenter grundsätzlich nicht zuständig sondern die Krankenkasse. Hartz IV Bezieher, die Brillen mit Spezialgläsern benötigen, sind aufgeschmissen, da sie den Betrag, der den Krankenkassenanteil übersteigt, selbst aus dem Regelsatz schultern müssen. Gerade bei Spezialgläsern können hier schnell ein paar Hundert Euro zusammenkommen, die aus eigener Tasche bewältigt werden müssen. Unter Umständen können Menschen dennoch einen Zuschuss für die Brille erhalten, der über die Kassenleistungen hinausgeht, wie das Sozialgericht Oldenburg entschied.
Voraussetzung für diesen Zuschuss ist, dass die Brille nicht ausschließlich dem Ausgleich der Augenschwäche sondern auch zur Orientierung und zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft notwendig ist. Zuständig für diesen Antrag ist jedoch nicht das Jobcenter sondern das Sozialamt. Dabei können nicht nur Sozialhilfeempfänger die Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX beantragen, sondern auch Hartz IV Bezieher und andere Sozialleistungsempfänger.
Im Rahmen der Vorschriften des SGB IX wird die Eingliederungshilfe als Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geregelt, daraus geht hervor, dass prinzipiell erst einmal eine Behinderung vorliegen muss. Die Definition der Behinderung selbst findet sich im § 2 SGB IX. Dieser Fall liegt bei Menschen vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und damit die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt wird. Eine Schwerbehinderung (ab GdB 50 mit Schwerbehindertenausweis) muss nicht vorliegen!
Sozialgericht Osnabrück, Urteil vom 05.02.2013 - S 33 AS 46/12
1. Kosten für die Reparatur von Brillen zur Korrektur der Sehschärfe sind als Sonderbedarf nach § 24 SGB II zu erstatten.
2. Es handelt sich insoweit um einen abtrennbaren Streitgegenstand.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=159090
LSG Beschluss: Jobcenter muss Hartz IV Bezieher Brille als Sonderbedarf bezuschussen
24. Juni 2013
Wie aus einer aktuellen Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) hervorgeht, sind die Kosten für eine Brille, die dem Ausgleich der Sehschwäche dient, regelmäßig nur darlehensweise zu gewähren, sofern es sich um einen einmaligen Bedarf handelt.
Der Kläger machte Kosten für eine Brille geltend und verwies auf seine chronische Augenerkrankung. Der Hartz IV Empfänger leidet an chronischer Bindehautentzündung, Hornhautdistrophie, Linseineintrübung sowie einer Hornhauterosion und trägt vor, dass diese Erkrankungen zu einer kontinuierlichen Verschlechterung seines Sehvermögens beitragen, so dass eine wiederkehrende Anpassung der Sehschärfe vonnöten sei.
Jobcenter müssen Kosten übernehmen, sofern es sich um einen regelmäßig wiederlehrenden Bedarf handelt, nach Wortlaut des § 21 Abs. 6 SGB II “im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht“. Gemeinsam mit dieser Regelung und der Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II muss das SGB II sicherstellen, dass jeder atypische oder besondere Bedarf abgedeckt wird. In seinem Tatbestandsmerkmal grenzt sich der “laufende Bedarf” vom “einmaligen Bedarf” ab.
Bei bestehenden Augenerkrankungen gestaltet sich die Sachlage anders. Hierbei handelt es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf, der vom Jobcenter als Zuschuss erbracht werden muss (LSG, Az. L 7 AS 138/13 B).
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=161832
[size=32]Zwei immer wiederkehrende Probleme aus der Sozialberatung: Zahnersatz und Beitragsschulden[/size]
Erstellt am 25.11.2012
Von Claudia Mehlhorn, Dipl.-Verwaltungswirtin (FH) und Dozentin für den Bereich „Krankenversicherung für Bearbeiter/innen SGB II, VIII und XII”
1. Zahnersatz (§ 55 SGB V)
1.1 Voraussetzung für Zahnersatz als Leistung der KK ist ein Heil- und Kostenplan des Zahnarztes.
Aufgrund dieses Heil- und Kostenplanes ergibt sich ein befundbezogener Festzuschuss der KK. D.h. der Zahnarzt (ZA) stellt die Diagnose (= Befund) und aufgrund dieses Befundes ermittelt die KK den Festbetrag, von dem sie – je nach Eintragungen im Bonusheft – zwischen 50 und max. 65% erstattet. In welcher Form der Zahnersatz dann erfolgt, ist Entscheidung des Patienten (in Absprache mit dem Zahnarzt). Je „luxuriöser“ der Zahnersatz erfolgt, desto mehr muss man zuzahlen. Die Bezuschussung richtet sich demnach nicht mehr nach der individuell durchzuführenden zahnärztlichen Therapie, sondern nach einer für den jeweiligen Zahnbefund vorgesehenen durchschnittlichen Regelversorgung.
Bsp: Ein Zahn links unten fehlt. Befund des ZA ist dann „Fehlender Zahn Nr. xy links unten“. Für diesen Befund ermittelt die KK dann den Festzuschuss. Um die Lücke zu schließen, gibt es mehrere Möglichkeiten: Z.B. einen herausnehmbaren Zahnersatz, eine Brücke, einen Stiftzahn, ein Implantat … Mit dem Festzuschuss ist eine Regelversorgung abgedeckt. Wenn man z.B. ein Implantat wünscht, muss man den Differenzbetrag zwischen der Regelversorgung (diese ist in der Zahnersatz-Richtlinie festgelegt) und den Kosten des Implantates dazu bezahlen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien die Befunde, für die Festzuschüsse nach § 55 SGB V gewährt werden und ordnet diesen prothetische Regelversorgungen zu (§ 56 SGB V, Festzuschussrichtlinie, auf der Website der KZBV, http://www.kzbv.de/richtlinien.73.de.html). D.h. es gibt einen „Katalog“ mit Diagnosen und den dazu gehörigen Regelversorgungen.
1.2 Implantate und Reparaturen für Implantate
Bei Implantaten muss unterschieden werden in die sog. implantologische Leistung (d.h. das Einoperieren des Trägers für das Implantat in den Kiefer) und der sog. Suprakonstruktion (das ist dann der auf ein Implantat aufgesetzte Zahnersatz (implantatgestützter Zahnersatz). Das kann z.B. eine Krone, eine Totalprothese, aber auch eine Brücke sein.
Die implantologische Leistung gehört gem. § 28 (2) Satz 9 nicht zur zahnärztlichen Behandlung und darf auch nicht bezuschusst werden (außer in seltenen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien gem. § 92 (1) genau festlegt, sog. Ausnahmeindikatoren, BSG vom 13.07.2004, B 1 KR 37/02 R). Danach werden bei bestimmten medizinischen Ausnahme-Indikationen in besonders schweren Fällen (z.B. größere Gesichtsdefekte, die ihre Ursache in Tumoroperationen oder in Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten haben) sowohl die Kosten für die Implantate als auch für den darauf aufbauenden Zahnersatz (Suprakonstruktion) im Wege der Kostenerstattung als Sachleistung übernommen.
Die Suprakonstruktion gehört gem. § 55 (1) als Wahlleistung zu den Leistungen der GKV. Für Suprakonstruktionen nach Erstversorgung mit Implantaten besteht Anspruch auf den Festzuschuss zur Versorgung der Befundsituation, die vor dem Setzen der Implantate bestand. Für die Erneuerung und Wiederherstellung (= Reparatur) von Suprakonstruktionen sind die entsprechenden Festzuschüsse nach der Befundklasse 7 der Festzuschuss-Richtlinien (http://www.mdk.de/media/pdf/FZ_RL_2006.pdf) ansetzbar.
Sowohl bei der Erstversorgung als auch bei der Erneuerung oder der Wiederherstellung von Suprakonstruktionen werden für alle Leistungen im Zusammenhang mit den Implantaten, wie die Implantate selbst, die Implantataufbauten und die implantatbedingten Verbindungselemente, keine Kosten übernommen. Damit können sogar in Härtefällen (s.a. 1.3) keine Kosten von den Kassen für das eigentliche Implantat geltend gemacht werden, sondern nur für die Suprakonstruktion (BSG vom 03.09.2003, B 1 KR 9/02 R).
1.3 Härtefälle sind ganz eindeutig im Gesetz geregelt und keine Ermessenentscheidung der KK, die man „verhandeln“ muss:
Alle Härtefälle erhalten den doppelten Festzuschuss, sodass damit die Regelversorgung (medizinisch notwendige zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) zuzahlungsfrei abgesichert ist (§ 55 (2) SGB V).
1.2.1 Härtefallberechnung, wenn nicht alle im Haushalt lebenden Menschen SGB II oder XII oder Bafög beziehen:
Gem. § 55 (2) S. 3 SGB V gelten als Einnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten auch die Einnahmen anderer, im gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger und Angehöriger des Lebenspartners. Angehörige im Sinne dieser Härtefallregelung sind Ehegatten und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz sowie familienversicherte Kinder des Versicherten. Die Prüfung, ob eine unzumutbare Belastung wegen geringer Einnahmen zum Lebensunterhalt vorliegt, ist grundsätzlich für jeden Versicherten getrennt durchzuführen. Für die im Familienverbund zu berücksichtigenden Angehörigen sind allerdings die gesamten Einnahmen zum Lebensunterhalt des Familienverbundes bei Prüfung des Vorliegens einer unzumutbaren Belastung zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass nicht für jeden Versicherten einer im gemeinsamen Haushalt lebenden Familie eine separate Prüfung der unzumutbaren Belastung durchgeführt werden muss. Es soll i.d.R. das Einkommen zugrunde gelegt werden, welches in dem Monat erzielt wurde, der dem Monat vorangeht, in dem der Heil- und Kostenplan zur Prüfung bei der Kasse eingereicht wurde. Bei stark schwankendem Einkommen ist ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen (z.B. die letzten 3 Monate).
1.4 Restkosten
Weiterhin müssen Restkosten bei gleichartiger Versorgung (Versorgungsform entspricht der Regelversorgung, allerdings kommen weitere Elemente, wie z.B. zusätzliche Keramikverblendungen, hinzu) und andersartiger Versorgung (von der Regelversorgung abweichende Versorgungsform, z.B. anstatt einer herausnehmbaren Modellgussprothese eine festsitzende Brückenversorgung) als Zuzahlung vom Versicherten geleistet werden.
§ 55 (4) SGB V ist da eindeutig: „Wählen Versicherte einen über die Regelversorgung gemäß § 56 Abs. 2 hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz, haben sie die Mehrkosten gegenüber den in § 56 Abs. 2 Satz 10 SGB V aufgelisteten Leistungen selbst zu tragen.“ Genaue Regelungen finden sich in den GR vom 21.12.98, 21.12.99 und vom 21.12.04 (alle drei leider nicht im Netz, aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes – IFG – müsste man sie vom GKV-Spitzenverband anfordern: https://www.gkv-spitzenverband.de/kontakt/kontakt).
Auch Restkosten für Material (z.B. Edelmetallkosten), müssen vom Patienten selber aufgebracht werden, die Kosten werden auch nicht von Sozialämtern im Rahmen des SGB XII übernommen (Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.8.05, L 1 B 6/05 SO). Beim Zahnarzt sollte bei Härtefällen daher gleich erklärt werden, dass keine Eigenleistungen erbracht werden können, die von der KK nicht getragen werden (z.B. Zuzahlungen für den Einsatz von bestimmten Edelmetallen).
Sollte eine Versorgung gewählt werden, die von der KK nicht zu 100% übernommen wird, ist eine Übernahme gem.
§ 24 (3) Nr. 3 SGB II ebenso ausgeschlossen wie gem. § 73 SGB XII: § 24 SGB II übernimmt die Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten. Zahnersatz fällt da inhaltlich nicht drunter. Auch das Eingliederungsbudget würde nicht greifen.
Im SGB XII wäre Zahnersatz inhaltlich in die Krankenhilfe gem. §§ 48 ff einzuordnen. Dort ist der Umfang auf den im SGB V beschränkt.
§ 73 SGB XII ist eine Kann-Leistung. Insbes. unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Wahl der Regelversorgung keine Eigenanteile/Zuzahlungen anfallen, dürfte sich kein Anspruch realisieren lassen.
1.5 Situation für Leistungsbezieher/innen nach dem SGB II
Damit fallen alle Leistungsbezieher/innen nach dem SGB II, die in der GKV versichert sind, kraft Gesetz unter die Härtefallregelung. Obwohl die KK aus den Versichertendaten erkennen kann, dass Alg II-Bezug vorliegt, muss zusammen mit dem Heil- und Kostenplan sowie dem Bonusheft der letzte Alg II-Bescheid eingereicht und konkret die Gewährung des doppelten Festzuschusses (Härtefall) beantragt werden. Auch wenn die Voraussetzungen für einen Bonus von mehr als 50% nicht erfüllt sind (keine regelmäßigen und im Bonusheft dokumentierten Zahnuntersuchungen), muss der doppelte Festzuschuss von der KK gewährt werden.
Hilfslösungen sind daher entbehrlich, weil eine zuzahlungsfreie Zahnersatzversorgung in Deutschland gewährleistet ist. Auch eine Zahnzusatzversicherung ist nicht nötig, es sei denn, man möchte mit dieser Restkosten für Edelmetalle abdecken. Für Kinder sind Zahnzusatzversicherungen gem. Rz. 11.135 der fachlichen Hinweise der BA zum § 11, 11a und 11b SGB II nicht absetzbar. Zahnzusatzversicherungen werden von div. Unternehmen angeboten, die Leistungen sind unterschiedlich. Vor Abschluss einer solchen Versicherung sollte man einen Versicherungsmakler aufsuchen, der etliche Unternehmen „vertritt“ und von daher ein passgenaues Angebot machen kann. Die Beratungen bei diesen Agenturen sind i.d.R. kostenlos.
1.6 Zahnersatzreparaturen fallen genauso unter die Härtefallregelung wie Zahnersatz überhaupt, da nicht zwischen „Zahnersatz“ und „Zahnersatzreparatur“ unterschieden wird.
Damit erübrigt sich auch die Frage, ob Zahnersatz-(reparaturen) über den neuen § 24 Abs. 3 Nr. 3 SGB II oder ganz oder zum Teil über § 73 SGB XII zu übernehmen sind.
1.7 Zahnersatz für PKV-Versicherte
Ein Problem könnte Zahnersatz bei SGB II-Empfänger/innen werden, die in der PKV versichert sind und dort nicht im Basistarif (BT), sondern in einem Normaltarif. Jeder Normaltarif in den div. PKV-Unternehmen ist hinsichtlich Zahnersatz unterschiedlich, i.d.R. werden aber max. 85% der Kosten übernommen. Oft ist Zahnersatz betraglich pro Jahr begrenzt, häufig liegt der Betrag auch deutlich unter 85% der Kosten. Hier hilft nur ein Wechsel in den BT, der für SGB II-Empfänger/innen jederzeit möglich ist (§ 193 (5) i.V.m. § 204 (1) VVG). Der BT bietet Leistungen wie in der GKV und damit eine Versorgung ohne Restkosten.
Aufgrund der Wechselmöglichkeit in den BT können auch keine Restkosten aus dem SGB XII übernommen werden (nachrangiger Leistungsträger) und über den § 24 SGB II aus inhaltlichen Gründen nicht.
2. Beitragsschulden
Beitragsschulden müssen zuerst unterteilt werden in solche bei der PKV und solche bei der GKV.
2.1 PKV
Es gibt SGB II-Bezieher/innen, die Beitragsschulden „aus alten Zeiten“ bei der PKV haben und solche, die erst unter dem SGB II-Bezug aufgrund der „Deckungslücke“ entstanden sind.
2.1.1 Für die Schulden „aus alten Zeiten“ gibt es derzeit – außer der üblichen Ratenzahlung bzw. einer Privatinsolvenz – keine Lösung, da die PKV-Unternehmen auf ihre Forderungen i.d.R. nicht verzichten.
2.1.2 Anders mit den Beitragsschulden aus Zeiten der sog. Deckungslücke:
Seit 18.1.2011 sind mit Urteil des BSG von den Job-Centern PKV-Beiträge bis zur Höhe des halbierten BT zu übernehmen. Von daher laufen seit dem keine neuen Beitragsschulden mehr auf. Für die aufgelaufenen Schulden gibt es eine Lösung:
Die privaten Versicherungsunternehmen sind grundsätzlich bereit, die Beitragsschulden aller privat krankenversicherter Hilfebedürftiger (Leistungsbezieher/innen nach dem SGB XII und SGB II) niederzuschlagen. Der Erlass erfolgt nur für Schulden, die im Zeitraum vom 1.1.2009 bis 17.1.2011 und nur aufgrund der Deckungslücke entstanden sind. Privat krankenversicherte Beitragsschuldner sollten daher schriftlich ihr Versicherungsunternehmen um einen Verzicht auf die Beitragsforderungen ersuchen. Diesem (formlosen) Antrag sollte ein durch die SGB II-Behörde erstellter Nachweis über den Leistungsbezug in dem betreffenden Zeitraum beigefügt werden. Ein Musterantrag findet sich hier: http://www.f-sb.de/download/erlasspkvschulden_2012.pdf
2.2 GKV
Hier kann es sich nur um Schulden aus Zeiten vor dem SGB II-Bezug handeln. Bei SGB II-Bezug entsteht entweder eine Pflichtversicherung GKV (mit Direktüberweisung der Beiträge an die KK) oder aber – das sind aber nur Einzelfälle - bei freiwilliger Versicherung im Sozialgeldbezug , wenn keine Familienversicherung möglich ist oder wenn allein durch die zu zahlenden Beiträge Hilfedürftigkeit entsteht. Hier wird der Beitrag zur freiwilligen KV als Zuschuss gem. § 26 SGB II in der tatsächlichen Höhe bzw. bis zur Höhe der Hilfebedürftigkeit übernommen; muss allerdings vom Leistungsbezieher selber an die KK eingezahlt werden. Nur wenn dies nicht geschieht, könnten Beitragsrückstände entstehen.
Altschulden vor Beginn des SGB II-Bezuges sind häufig a) aus Zeiten der freiwilligen Versicherung (zumeist bei Selbständigkeit) aufgelaufen (meist verbunden mit einer Kündigung wegen Beitragsrückständen, die bis zum 31.3.07 noch möglich war) und b), manchmal auch aus einer von der KK eingetragenen Pflichtversicherung gem. § 5 (1) Nr. 13 SGB V (nach dem 1.4.2007).
2.2.1 Rechtsgrundlage für die KKen
§ 76 SGB IV regelt grundsätzlich, welche Möglichkeiten die KK hat, mit Beitragsrückständen umzugehen:
2.2.2 Unbilligkeit ist ein weites Feld. Hier kann man bei Beitragsrückständen aus der Eintragung einer allg. Pflichtversicherung gem. § 5 (1) Nr. 13 SGB V Chancen haben:
Viele Menschen in Deutschland haben überhaupt nicht mitbekommen, dass es seit dem 1.4.2007 eine Versicherungspflicht für alle, die unversichert sind und zuletzt gesetzlich versichert waren, gibt. Es kann daher passieren, dass ein Versicherungspflichtiger seine Mitgliedschaft nicht anzeigt und seine bereits eingetretene Versicherungspflicht erst klar wird, wenn ein Leistungsfall eintritt, z.B. ein stationärer Aufenthalt nötig wird oder eine Mitgliedsbescheinigung zur Vorlage beim Job-Center zu Beginn des SGB II-Bezuges benötigt wird.
Der § 186 (11) SGB V sieht für die Fälle, in denen der Versicherte seine Versicherung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, verspätet anzeigt, vor, dass die KKen in ihren Satzungen regeln müssen, wie mit den Beitragsnachforderungen umzugehen ist (Ermäßigung, Stundung, Absehen von der Erhebung). Der Spitzenverband der KKen hat sofort ein Rundschreiben erlassen (GR vom 20.3.2007, http://www.aok-business.de/fileadmin/user_upload/global/Fachthemen/Rundschreiben/2007/rds_20070320-5Abs1Nr13SGBV.pdf), in dem es heißt, dass lediglich die Nichtkenntnis der Anzeigepflicht keinen Grund darstellt.
Das BSG hat bereits in seinem Urteil B 11a/11 AL 81/04 R am 25.5.2005 entschieden, dass eine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt nicht ausreicht, um davon auszugehen, dass einschlägige Rechtsvorschriften bei jedem Bürger bekannt sind, sondern dass es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen einer Rechtsvorschrift ankommt. Weiterhin hat das LSG Rheinland-Pfalz in seinem Beschluss L 5 KR 159/09 B ER am 18.9.2009 zum Nicht-Ausreichen der bloßen Unkenntnis festgestellt, „dass eine dergestalt eingeschränkte Anwendung des § 186 (11) Satz 4 SGB V der Vorschrift weitgehend ihren Anwendungsbereich nehmen würde“. Für eine "unverschuldete" i.S.d. § 186 (11) Satz 4 SGB V bzw. "nicht zu vertretende" (s. Satzung der KK) Unterlassung der Anzeige der Pflichtversicherung nach § 5 (1) Nr. 13 SGB V genüge einfache Fahrlässigkeit. In Rechtsprechung und Schrifttum nicht eindeutig geklärt sei jedoch, welche Maßstäbe hieran anzulegen sind. Für die Beurteilung des Verschuldens müssten individuelle Maßstäbe (z.B. Beruf, Bildungsstand etc.) des Versicherungspflichtigen mit einbezogen werden.“
Die Begründung zum Gesetzentwurf (BT-DRS 16/3100 Seite 159, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/031/1603100.pdf) des zum 1.4.07 neu eingeführten § 5 (1) Nr. 13 SGB V drückt den Willen des Gesetzgebers aus, dass in Fällen von rückwirkend festgestellter Mitgliedschaft unbillige Härten vermieden werden sollen:
„Durch Satz 4 der Neuregelung (gemeint ist § 186 (11) SGB V) soll vermieden werden, dass diese Nachzahlungspflicht bei unverschuldet verspäteter Anzeige zu unbilligen Härten für die Betroffenen führt. Eine Ermäßigung oder Nichterhebung der nachzuentrichtenden Beiträge wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Betroffenen in der Zwischenzeit keine Leistungen oder nur Leistungen in geringem Umfang in Anspruch genommen haben.“
Konkrete gute Chancen hat man insbes. in den Fällen, in denen rückwirkend eine allg. Pflichtversicherung gem. § 5 (1) Nr. 13 SGB V für Zeiten der Obdachlosigkeit und bei sozialer Schwäche festgestellt wurde:
„Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Spitzenverbände der Krankenkassen und nachrichtlich die Aufsichtsbehörden angeschrieben und darum gebeten, darauf hinzuwirken, dass von der Möglichkeit eines Beitragsnachlasses bei sozial schwachen Betroffenen, insbesondere bei Wohnungslosen, in der Regel auch Gebrauch gemacht wird und insoweit eine einheitliche Praxis der Krankenkassen herbeizuführen.“
2.2.3 Verjährung
Beitragsforderungen der KKen unterliegen den Verjährungsvorschriften im § 25 (1) SGB IV:
Damit sind Beitragsforderungen aus 2007 bereits seit 1.1.2012 verjährt und Beitragsforderungen der KKen aus 2008 verjähren zum 31.12.2012.
3. Ruhen des Leistungsanspruchs als Folge von Beitragsrückständen
Sowohl in der PKV (seit 1.1.2009) und in der GKV (seit 1.4.2007) können Mitgliedschaften nicht mehr wegen Beitragsrückständen gekündigt werden. Dies wird auch von den Kassen beachtet. Allerdings haben die Kassen bei Beitragsrückständen nunmehr ein anderes gesetzliches Mittel zum Handeln bekommen: Das Ruhen des Leistungsanspruchs.
Das Ruhen ist in der GKV im § 16 (3a) SGB V und in der PKV im § 193 (6) VVG geregelt. Die inhaltlichen Vorgaben sind in beiden Fällen ähnlich: Nicht die Mitgliedschaft ruht, sondern nur der Leistungsanspruch und dieser auch nicht vollständig. Weiterhin abgesichert sind Behandlungen akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie in der GKV auch Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten. In der GKV ruht lediglich der Leistungsanspruch für den/die Hauptversicherte/n, nicht aber für die familienversicherten Angehörigen (Ehegatten und Kinder). In der PKV gibt es ja keine Familienversicherung, sodass hier der Leistungsanspruch für alle ruht, die in dem Vertrag versichert sind. Die Leistungen entsprechen in beiden Systemen inhaltlich den Leistungen, die auch gem. § 4 Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden. Das
Ruhen endet, wenn alle Rückstände (incl. Säumniszuschlägen und Mahngebühren) beglichen wurden. In der GKV endet das Ruhen bereits dann, wenn eine Ratenzahlungsvereinbarung zustande gekommen ist und die Raten wie vereinbart gezahlt wurden.
Auf jeden Fall endet das Ruhen sowohl in der GKV als auch in der PKV dann, wenn Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder XII eintritt (alles im § 16 (3a) SGB V bzw. im § 193 (6) VVG). Im VVG wurde sogar eine konkrete Handlungsanweisung aufgenommen: „ … die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Berechtigten vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen.“ Denn Voraussetzung für das Ende des Ruhens ist nicht der Leistungsbezug, sondern nur die Hilfebedürftigkeit (die ja z.B. auch vorliegt, wenn rechnerische Bedürftigkeit z.B. i.H.v. 5 Euro vorliegt, die Leistung aber tatsächlich nicht bezogen wird).
Abkürzungen:
KK Krankenkasse, SHT = Sozialhilfeträger,
GR Gemeinsames Rundschreiben; BE = Besprechungsergebnis,
Alle Paragrafen finden sich unter www.gesetze-im-internet.de. Dort links oben auf „Gesetze/Verordnungen“ klicken, dann kommt eine Buchstabenübersicht. Unter S finden sich z.B. alle SGB’s.
Anhang:
BE 16.08.2006 (Leistungsrecht)
TOP 01
§ 55 Abs. 2 SGB V - Unzumutbare Belastung Zahnersatz;
(Teil-)Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Sachstand:
Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich anfallenden Kosten, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden; wählen Versicherte, die unzumutbar belastet würden, nach § 55 Abs. 4 oder 5 SGB V einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss. Eine unzumutbare Belastung liegt u.a. vor, wenn der Versicherte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch (SGB II) erhält (vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V).
Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden u. a. in Form von Geldleistungen, insbesondere zur Sicherung des Lebensunterhalts der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, erbracht (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (vgl. § 9 Abs. 2 SGB II). Somit erhalten ausdrücklich auch die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
Aus der Kassenpraxis wurde über Fallgestaltungen berichtet, wonach erwerbstätige versicherungspflichtige Mitglieder mit ihrem Einkommen zwar dem Grunde nach ihren eigenen Grundsicherungsbedarf, nicht jedoch aufgrund eines im gleichen Haushalt lebenden erwerbslosen Partners den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft decken konnten und somit Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bestand. Fraglich ist, ob diese erwerbstätigen Mitglieder aufgrund des Bezuges einer (Teil-)Leistung nach dem SGB II bei der Versorgung mit Zahnersatz als unzumutbar belastet i.S.d. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V gelten oder aber in diesen Fällen auf eine Bewertung nach § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 und 5 SGB V unter Berücksichtigung der insgesamt vorhandenen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt abzustellen ist.
Darüber hinaus ist ggf. zu klären, welche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II den Tatbestand einer unzumutbaren Belastung i.S.d. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V auslösen können. Die Spitzenverbände der Krankenkassen hatten sich bereits im Rahmen der Umsetzung des § 62 SGB V mit der Definition von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II befasst. Konkret ging es dabei um die Frage, welche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dazu führen, dass gemäß § 62 Abs. 2 Satz 6 SGB V als Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgeblich ist. Hierzu wurde die Auffassung vertreten, dass es sich um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handeln müsse (vgl. Verwaltungsvereinbarung zur Vorschrift über die Erstattung bzw. Befreiung von gesetzlichen Zuzahlungen gem. § 62 Abs. 1, 2 und 3 SGB V vom 1. Juli 2005, Abschnitt 4.2 Abs. 1 und TOP 2 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Leistungsrecht am 14./15. September 2005 in Bergisch Gladbach). Danach fallen neben dem monatlichen Bezug der Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 und ggf. 3 SGB II z. B. auch monatlich gewährte Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II unter diese Definition.
Im Übrigen wurde hierbei von den Spitzenverbänden der Krankenkassen auch die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen die Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 und ggf. 3 SGB II aufgrund von Einkommensanrechnungen z. B. in voller Höhe ruhen und deshalb allein Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II bezogen werden, auch der Bezug dieser laufenden (Teil-)Leistung dazu führt, dass als Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgeblich ist.
Fraglich ist, ob die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Rahmen der Umsetzung des § 62 SGB V vorgenommene Definition von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch auf die Bewertung im Rahmen des § 55 Abs. 2 Satz Nr. 2 SGB V übertragen werden kann. Im Sinne einer einheitlichen Vorgehensweise war eine Beratung im Kreise der Spitzenverbände der Krankenkassen angezeigt.
Besprechungsergebnis:
Eine unzumutbare Belastung im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V liegt für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auch dann vor, wenn die (teilweise) gewährte Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht die alleinige Einnahmequelle der Bedarfsgemeinschaft darstellt. Dabei muss es sich aber um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handeln. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit einmaligem Charakter (z. B. Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen) lösen keine unzumutbare Belastung im Rahmen des § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V aus.
Quelle: http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/1467/
Voraussetzung für diesen Zuschuss ist, dass die Brille nicht ausschließlich dem Ausgleich der Augenschwäche sondern auch zur Orientierung und zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft notwendig ist. Zuständig für diesen Antrag ist jedoch nicht das Jobcenter sondern das Sozialamt. Dabei können nicht nur Sozialhilfeempfänger die Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX beantragen, sondern auch Hartz IV Bezieher und andere Sozialleistungsempfänger.
Im Rahmen der Vorschriften des SGB IX wird die Eingliederungshilfe als Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geregelt, daraus geht hervor, dass prinzipiell erst einmal eine Behinderung vorliegen muss. Die Definition der Behinderung selbst findet sich im § 2 SGB IX. Dieser Fall liegt bei Menschen vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und damit die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt wird. Eine Schwerbehinderung (ab GdB 50 mit Schwerbehindertenausweis) muss nicht vorliegen!
Sozialamt muss Zuschuss zur Brille zahlen
Das Sozialgericht Oldenburg hat mit Az. S 22 SO 166/ 12 ER das örtliche Sozialamt mit dem Erlass einer einstweiliger Anordnung dazu verpflichtet, vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung die Kosten für zwei Brillengläser nach Abzug des Kassenanteils zu übernehmen.Sozialgericht Osnabrück, Urteil vom 05.02.2013 - S 33 AS 46/12
1. Kosten für die Reparatur von Brillen zur Korrektur der Sehschärfe sind als Sonderbedarf nach § 24 SGB II zu erstatten.
2. Es handelt sich insoweit um einen abtrennbaren Streitgegenstand.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=159090
LSG Beschluss: Jobcenter muss Hartz IV Bezieher Brille als Sonderbedarf bezuschussen
24. Juni 2013
Wie aus einer aktuellen Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) hervorgeht, sind die Kosten für eine Brille, die dem Ausgleich der Sehschwäche dient, regelmäßig nur darlehensweise zu gewähren, sofern es sich um einen einmaligen Bedarf handelt.
Der Kläger machte Kosten für eine Brille geltend und verwies auf seine chronische Augenerkrankung. Der Hartz IV Empfänger leidet an chronischer Bindehautentzündung, Hornhautdistrophie, Linseineintrübung sowie einer Hornhauterosion und trägt vor, dass diese Erkrankungen zu einer kontinuierlichen Verschlechterung seines Sehvermögens beitragen, so dass eine wiederkehrende Anpassung der Sehschärfe vonnöten sei.
Jobcenter müssen Kosten übernehmen, sofern es sich um einen regelmäßig wiederlehrenden Bedarf handelt, nach Wortlaut des § 21 Abs. 6 SGB II “im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht“. Gemeinsam mit dieser Regelung und der Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II muss das SGB II sicherstellen, dass jeder atypische oder besondere Bedarf abgedeckt wird. In seinem Tatbestandsmerkmal grenzt sich der “laufende Bedarf” vom “einmaligen Bedarf” ab.
Bei bestehenden Augenerkrankungen gestaltet sich die Sachlage anders. Hierbei handelt es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf, der vom Jobcenter als Zuschuss erbracht werden muss (LSG, Az. L 7 AS 138/13 B).
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=161832
[size=32]Zwei immer wiederkehrende Probleme aus der Sozialberatung: Zahnersatz und Beitragsschulden[/size]
Erstellt am 25.11.2012
Von Claudia Mehlhorn, Dipl.-Verwaltungswirtin (FH) und Dozentin für den Bereich „Krankenversicherung für Bearbeiter/innen SGB II, VIII und XII”
1. Zahnersatz (§ 55 SGB V)
1.1 Voraussetzung für Zahnersatz als Leistung der KK ist ein Heil- und Kostenplan des Zahnarztes.
Aufgrund dieses Heil- und Kostenplanes ergibt sich ein befundbezogener Festzuschuss der KK. D.h. der Zahnarzt (ZA) stellt die Diagnose (= Befund) und aufgrund dieses Befundes ermittelt die KK den Festbetrag, von dem sie – je nach Eintragungen im Bonusheft – zwischen 50 und max. 65% erstattet. In welcher Form der Zahnersatz dann erfolgt, ist Entscheidung des Patienten (in Absprache mit dem Zahnarzt). Je „luxuriöser“ der Zahnersatz erfolgt, desto mehr muss man zuzahlen. Die Bezuschussung richtet sich demnach nicht mehr nach der individuell durchzuführenden zahnärztlichen Therapie, sondern nach einer für den jeweiligen Zahnbefund vorgesehenen durchschnittlichen Regelversorgung.
Bsp: Ein Zahn links unten fehlt. Befund des ZA ist dann „Fehlender Zahn Nr. xy links unten“. Für diesen Befund ermittelt die KK dann den Festzuschuss. Um die Lücke zu schließen, gibt es mehrere Möglichkeiten: Z.B. einen herausnehmbaren Zahnersatz, eine Brücke, einen Stiftzahn, ein Implantat … Mit dem Festzuschuss ist eine Regelversorgung abgedeckt. Wenn man z.B. ein Implantat wünscht, muss man den Differenzbetrag zwischen der Regelversorgung (diese ist in der Zahnersatz-Richtlinie festgelegt) und den Kosten des Implantates dazu bezahlen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien die Befunde, für die Festzuschüsse nach § 55 SGB V gewährt werden und ordnet diesen prothetische Regelversorgungen zu (§ 56 SGB V, Festzuschussrichtlinie, auf der Website der KZBV, http://www.kzbv.de/richtlinien.73.de.html). D.h. es gibt einen „Katalog“ mit Diagnosen und den dazu gehörigen Regelversorgungen.
1.2 Implantate und Reparaturen für Implantate
Bei Implantaten muss unterschieden werden in die sog. implantologische Leistung (d.h. das Einoperieren des Trägers für das Implantat in den Kiefer) und der sog. Suprakonstruktion (das ist dann der auf ein Implantat aufgesetzte Zahnersatz (implantatgestützter Zahnersatz). Das kann z.B. eine Krone, eine Totalprothese, aber auch eine Brücke sein.
Die implantologische Leistung gehört gem. § 28 (2) Satz 9 nicht zur zahnärztlichen Behandlung und darf auch nicht bezuschusst werden (außer in seltenen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien gem. § 92 (1) genau festlegt, sog. Ausnahmeindikatoren, BSG vom 13.07.2004, B 1 KR 37/02 R). Danach werden bei bestimmten medizinischen Ausnahme-Indikationen in besonders schweren Fällen (z.B. größere Gesichtsdefekte, die ihre Ursache in Tumoroperationen oder in Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten haben) sowohl die Kosten für die Implantate als auch für den darauf aufbauenden Zahnersatz (Suprakonstruktion) im Wege der Kostenerstattung als Sachleistung übernommen.
Die Suprakonstruktion gehört gem. § 55 (1) als Wahlleistung zu den Leistungen der GKV. Für Suprakonstruktionen nach Erstversorgung mit Implantaten besteht Anspruch auf den Festzuschuss zur Versorgung der Befundsituation, die vor dem Setzen der Implantate bestand. Für die Erneuerung und Wiederherstellung (= Reparatur) von Suprakonstruktionen sind die entsprechenden Festzuschüsse nach der Befundklasse 7 der Festzuschuss-Richtlinien (http://www.mdk.de/media/pdf/FZ_RL_2006.pdf) ansetzbar.
Sowohl bei der Erstversorgung als auch bei der Erneuerung oder der Wiederherstellung von Suprakonstruktionen werden für alle Leistungen im Zusammenhang mit den Implantaten, wie die Implantate selbst, die Implantataufbauten und die implantatbedingten Verbindungselemente, keine Kosten übernommen. Damit können sogar in Härtefällen (s.a. 1.3) keine Kosten von den Kassen für das eigentliche Implantat geltend gemacht werden, sondern nur für die Suprakonstruktion (BSG vom 03.09.2003, B 1 KR 9/02 R).
1.3 Härtefälle sind ganz eindeutig im Gesetz geregelt und keine Ermessenentscheidung der KK, die man „verhandeln“ muss:
- Einkommensschwache (Einkommen unter 40% der Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV) Empfänger/innen von SGB XII, II (hierzu Konkretes im BE vom 16.8.06, leider nicht im Netz, daher am Ende dieses Aufsatzes im Anhang), Bafög sowie nach dem BVG
- Menschen, die auf Kosten des SHT oder der Kriegsopferfürsorge in einem Heim untergebracht sind (eine Heimunterbringung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Versicherte in dieser Einrichtung regelmäßig übernachtet).
Alle Härtefälle erhalten den doppelten Festzuschuss, sodass damit die Regelversorgung (medizinisch notwendige zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) zuzahlungsfrei abgesichert ist (§ 55 (2) SGB V).
1.2.1 Härtefallberechnung, wenn nicht alle im Haushalt lebenden Menschen SGB II oder XII oder Bafög beziehen:
Gem. § 55 (2) S. 3 SGB V gelten als Einnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten auch die Einnahmen anderer, im gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger und Angehöriger des Lebenspartners. Angehörige im Sinne dieser Härtefallregelung sind Ehegatten und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz sowie familienversicherte Kinder des Versicherten. Die Prüfung, ob eine unzumutbare Belastung wegen geringer Einnahmen zum Lebensunterhalt vorliegt, ist grundsätzlich für jeden Versicherten getrennt durchzuführen. Für die im Familienverbund zu berücksichtigenden Angehörigen sind allerdings die gesamten Einnahmen zum Lebensunterhalt des Familienverbundes bei Prüfung des Vorliegens einer unzumutbaren Belastung zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass nicht für jeden Versicherten einer im gemeinsamen Haushalt lebenden Familie eine separate Prüfung der unzumutbaren Belastung durchgeführt werden muss. Es soll i.d.R. das Einkommen zugrunde gelegt werden, welches in dem Monat erzielt wurde, der dem Monat vorangeht, in dem der Heil- und Kostenplan zur Prüfung bei der Kasse eingereicht wurde. Bei stark schwankendem Einkommen ist ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen (z.B. die letzten 3 Monate).
1.4 Restkosten
Weiterhin müssen Restkosten bei gleichartiger Versorgung (Versorgungsform entspricht der Regelversorgung, allerdings kommen weitere Elemente, wie z.B. zusätzliche Keramikverblendungen, hinzu) und andersartiger Versorgung (von der Regelversorgung abweichende Versorgungsform, z.B. anstatt einer herausnehmbaren Modellgussprothese eine festsitzende Brückenversorgung) als Zuzahlung vom Versicherten geleistet werden.
§ 55 (4) SGB V ist da eindeutig: „Wählen Versicherte einen über die Regelversorgung gemäß § 56 Abs. 2 hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz, haben sie die Mehrkosten gegenüber den in § 56 Abs. 2 Satz 10 SGB V aufgelisteten Leistungen selbst zu tragen.“ Genaue Regelungen finden sich in den GR vom 21.12.98, 21.12.99 und vom 21.12.04 (alle drei leider nicht im Netz, aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes – IFG – müsste man sie vom GKV-Spitzenverband anfordern: https://www.gkv-spitzenverband.de/kontakt/kontakt).
Auch Restkosten für Material (z.B. Edelmetallkosten), müssen vom Patienten selber aufgebracht werden, die Kosten werden auch nicht von Sozialämtern im Rahmen des SGB XII übernommen (Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.8.05, L 1 B 6/05 SO). Beim Zahnarzt sollte bei Härtefällen daher gleich erklärt werden, dass keine Eigenleistungen erbracht werden können, die von der KK nicht getragen werden (z.B. Zuzahlungen für den Einsatz von bestimmten Edelmetallen).
Sollte eine Versorgung gewählt werden, die von der KK nicht zu 100% übernommen wird, ist eine Übernahme gem.
§ 24 (3) Nr. 3 SGB II ebenso ausgeschlossen wie gem. § 73 SGB XII: § 24 SGB II übernimmt die Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten. Zahnersatz fällt da inhaltlich nicht drunter. Auch das Eingliederungsbudget würde nicht greifen.
Im SGB XII wäre Zahnersatz inhaltlich in die Krankenhilfe gem. §§ 48 ff einzuordnen. Dort ist der Umfang auf den im SGB V beschränkt.
§ 73 SGB XII ist eine Kann-Leistung. Insbes. unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Wahl der Regelversorgung keine Eigenanteile/Zuzahlungen anfallen, dürfte sich kein Anspruch realisieren lassen.
1.5 Situation für Leistungsbezieher/innen nach dem SGB II
Damit fallen alle Leistungsbezieher/innen nach dem SGB II, die in der GKV versichert sind, kraft Gesetz unter die Härtefallregelung. Obwohl die KK aus den Versichertendaten erkennen kann, dass Alg II-Bezug vorliegt, muss zusammen mit dem Heil- und Kostenplan sowie dem Bonusheft der letzte Alg II-Bescheid eingereicht und konkret die Gewährung des doppelten Festzuschusses (Härtefall) beantragt werden. Auch wenn die Voraussetzungen für einen Bonus von mehr als 50% nicht erfüllt sind (keine regelmäßigen und im Bonusheft dokumentierten Zahnuntersuchungen), muss der doppelte Festzuschuss von der KK gewährt werden.
Hilfslösungen sind daher entbehrlich, weil eine zuzahlungsfreie Zahnersatzversorgung in Deutschland gewährleistet ist. Auch eine Zahnzusatzversicherung ist nicht nötig, es sei denn, man möchte mit dieser Restkosten für Edelmetalle abdecken. Für Kinder sind Zahnzusatzversicherungen gem. Rz. 11.135 der fachlichen Hinweise der BA zum § 11, 11a und 11b SGB II nicht absetzbar. Zahnzusatzversicherungen werden von div. Unternehmen angeboten, die Leistungen sind unterschiedlich. Vor Abschluss einer solchen Versicherung sollte man einen Versicherungsmakler aufsuchen, der etliche Unternehmen „vertritt“ und von daher ein passgenaues Angebot machen kann. Die Beratungen bei diesen Agenturen sind i.d.R. kostenlos.
1.6 Zahnersatzreparaturen fallen genauso unter die Härtefallregelung wie Zahnersatz überhaupt, da nicht zwischen „Zahnersatz“ und „Zahnersatzreparatur“ unterschieden wird.
Damit erübrigt sich auch die Frage, ob Zahnersatz-(reparaturen) über den neuen § 24 Abs. 3 Nr. 3 SGB II oder ganz oder zum Teil über § 73 SGB XII zu übernehmen sind.
1.7 Zahnersatz für PKV-Versicherte
Ein Problem könnte Zahnersatz bei SGB II-Empfänger/innen werden, die in der PKV versichert sind und dort nicht im Basistarif (BT), sondern in einem Normaltarif. Jeder Normaltarif in den div. PKV-Unternehmen ist hinsichtlich Zahnersatz unterschiedlich, i.d.R. werden aber max. 85% der Kosten übernommen. Oft ist Zahnersatz betraglich pro Jahr begrenzt, häufig liegt der Betrag auch deutlich unter 85% der Kosten. Hier hilft nur ein Wechsel in den BT, der für SGB II-Empfänger/innen jederzeit möglich ist (§ 193 (5) i.V.m. § 204 (1) VVG). Der BT bietet Leistungen wie in der GKV und damit eine Versorgung ohne Restkosten.
Aufgrund der Wechselmöglichkeit in den BT können auch keine Restkosten aus dem SGB XII übernommen werden (nachrangiger Leistungsträger) und über den § 24 SGB II aus inhaltlichen Gründen nicht.
2. Beitragsschulden
Beitragsschulden müssen zuerst unterteilt werden in solche bei der PKV und solche bei der GKV.
2.1 PKV
Es gibt SGB II-Bezieher/innen, die Beitragsschulden „aus alten Zeiten“ bei der PKV haben und solche, die erst unter dem SGB II-Bezug aufgrund der „Deckungslücke“ entstanden sind.
2.1.1 Für die Schulden „aus alten Zeiten“ gibt es derzeit – außer der üblichen Ratenzahlung bzw. einer Privatinsolvenz – keine Lösung, da die PKV-Unternehmen auf ihre Forderungen i.d.R. nicht verzichten.
2.1.2 Anders mit den Beitragsschulden aus Zeiten der sog. Deckungslücke:
Seit 18.1.2011 sind mit Urteil des BSG von den Job-Centern PKV-Beiträge bis zur Höhe des halbierten BT zu übernehmen. Von daher laufen seit dem keine neuen Beitragsschulden mehr auf. Für die aufgelaufenen Schulden gibt es eine Lösung:
Die privaten Versicherungsunternehmen sind grundsätzlich bereit, die Beitragsschulden aller privat krankenversicherter Hilfebedürftiger (Leistungsbezieher/innen nach dem SGB XII und SGB II) niederzuschlagen. Der Erlass erfolgt nur für Schulden, die im Zeitraum vom 1.1.2009 bis 17.1.2011 und nur aufgrund der Deckungslücke entstanden sind. Privat krankenversicherte Beitragsschuldner sollten daher schriftlich ihr Versicherungsunternehmen um einen Verzicht auf die Beitragsforderungen ersuchen. Diesem (formlosen) Antrag sollte ein durch die SGB II-Behörde erstellter Nachweis über den Leistungsbezug in dem betreffenden Zeitraum beigefügt werden. Ein Musterantrag findet sich hier: http://www.f-sb.de/download/erlasspkvschulden_2012.pdf
2.2 GKV
Hier kann es sich nur um Schulden aus Zeiten vor dem SGB II-Bezug handeln. Bei SGB II-Bezug entsteht entweder eine Pflichtversicherung GKV (mit Direktüberweisung der Beiträge an die KK) oder aber – das sind aber nur Einzelfälle - bei freiwilliger Versicherung im Sozialgeldbezug , wenn keine Familienversicherung möglich ist oder wenn allein durch die zu zahlenden Beiträge Hilfedürftigkeit entsteht. Hier wird der Beitrag zur freiwilligen KV als Zuschuss gem. § 26 SGB II in der tatsächlichen Höhe bzw. bis zur Höhe der Hilfebedürftigkeit übernommen; muss allerdings vom Leistungsbezieher selber an die KK eingezahlt werden. Nur wenn dies nicht geschieht, könnten Beitragsrückstände entstehen.
Altschulden vor Beginn des SGB II-Bezuges sind häufig a) aus Zeiten der freiwilligen Versicherung (zumeist bei Selbständigkeit) aufgelaufen (meist verbunden mit einer Kündigung wegen Beitragsrückständen, die bis zum 31.3.07 noch möglich war) und b), manchmal auch aus einer von der KK eingetragenen Pflichtversicherung gem. § 5 (1) Nr. 13 SGB V (nach dem 1.4.2007).
2.2.1 Rechtsgrundlage für die KKen
§ 76 SGB IV regelt grundsätzlich, welche Möglichkeiten die KK hat, mit Beitragsrückständen umzugehen:
- Stundung bedeutet Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung. Hier sind die KKen meist sehr kulant und lassen sich bei SGB II-Bezug auch auf kleine Raten ein.
- Niedergeschlagen werden Forderungen nur dann, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen. Also entweder muss der rückständige Betrag sehr klein sein oder aber es ist absehbar, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird. Bei Alg II-Bezug besteht ja immer die Hoffnung, dass eine Arbeit aufgenommen wird und damit eine Möglichkeit für die KK, den ausstehenden Betrag einzuziehen.
- Ein Erlass kommt dann infrage, wenn die Einziehung der Rückstände nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden.
2.2.2 Unbilligkeit ist ein weites Feld. Hier kann man bei Beitragsrückständen aus der Eintragung einer allg. Pflichtversicherung gem. § 5 (1) Nr. 13 SGB V Chancen haben:
Viele Menschen in Deutschland haben überhaupt nicht mitbekommen, dass es seit dem 1.4.2007 eine Versicherungspflicht für alle, die unversichert sind und zuletzt gesetzlich versichert waren, gibt. Es kann daher passieren, dass ein Versicherungspflichtiger seine Mitgliedschaft nicht anzeigt und seine bereits eingetretene Versicherungspflicht erst klar wird, wenn ein Leistungsfall eintritt, z.B. ein stationärer Aufenthalt nötig wird oder eine Mitgliedsbescheinigung zur Vorlage beim Job-Center zu Beginn des SGB II-Bezuges benötigt wird.
Der § 186 (11) SGB V sieht für die Fälle, in denen der Versicherte seine Versicherung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, verspätet anzeigt, vor, dass die KKen in ihren Satzungen regeln müssen, wie mit den Beitragsnachforderungen umzugehen ist (Ermäßigung, Stundung, Absehen von der Erhebung). Der Spitzenverband der KKen hat sofort ein Rundschreiben erlassen (GR vom 20.3.2007, http://www.aok-business.de/fileadmin/user_upload/global/Fachthemen/Rundschreiben/2007/rds_20070320-5Abs1Nr13SGBV.pdf), in dem es heißt, dass lediglich die Nichtkenntnis der Anzeigepflicht keinen Grund darstellt.
Das BSG hat bereits in seinem Urteil B 11a/11 AL 81/04 R am 25.5.2005 entschieden, dass eine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt nicht ausreicht, um davon auszugehen, dass einschlägige Rechtsvorschriften bei jedem Bürger bekannt sind, sondern dass es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen einer Rechtsvorschrift ankommt. Weiterhin hat das LSG Rheinland-Pfalz in seinem Beschluss L 5 KR 159/09 B ER am 18.9.2009 zum Nicht-Ausreichen der bloßen Unkenntnis festgestellt, „dass eine dergestalt eingeschränkte Anwendung des § 186 (11) Satz 4 SGB V der Vorschrift weitgehend ihren Anwendungsbereich nehmen würde“. Für eine "unverschuldete" i.S.d. § 186 (11) Satz 4 SGB V bzw. "nicht zu vertretende" (s. Satzung der KK) Unterlassung der Anzeige der Pflichtversicherung nach § 5 (1) Nr. 13 SGB V genüge einfache Fahrlässigkeit. In Rechtsprechung und Schrifttum nicht eindeutig geklärt sei jedoch, welche Maßstäbe hieran anzulegen sind. Für die Beurteilung des Verschuldens müssten individuelle Maßstäbe (z.B. Beruf, Bildungsstand etc.) des Versicherungspflichtigen mit einbezogen werden.“
Die Begründung zum Gesetzentwurf (BT-DRS 16/3100 Seite 159, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/031/1603100.pdf) des zum 1.4.07 neu eingeführten § 5 (1) Nr. 13 SGB V drückt den Willen des Gesetzgebers aus, dass in Fällen von rückwirkend festgestellter Mitgliedschaft unbillige Härten vermieden werden sollen:
„Durch Satz 4 der Neuregelung (gemeint ist § 186 (11) SGB V) soll vermieden werden, dass diese Nachzahlungspflicht bei unverschuldet verspäteter Anzeige zu unbilligen Härten für die Betroffenen führt. Eine Ermäßigung oder Nichterhebung der nachzuentrichtenden Beiträge wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Betroffenen in der Zwischenzeit keine Leistungen oder nur Leistungen in geringem Umfang in Anspruch genommen haben.“
Konkrete gute Chancen hat man insbes. in den Fällen, in denen rückwirkend eine allg. Pflichtversicherung gem. § 5 (1) Nr. 13 SGB V für Zeiten der Obdachlosigkeit und bei sozialer Schwäche festgestellt wurde:
„Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Spitzenverbände der Krankenkassen und nachrichtlich die Aufsichtsbehörden angeschrieben und darum gebeten, darauf hinzuwirken, dass von der Möglichkeit eines Beitragsnachlasses bei sozial schwachen Betroffenen, insbesondere bei Wohnungslosen, in der Regel auch Gebrauch gemacht wird und insoweit eine einheitliche Praxis der Krankenkassen herbeizuführen.“
2.2.3 Verjährung
Beitragsforderungen der KKen unterliegen den Verjährungsvorschriften im § 25 (1) SGB IV:
- „Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.“
Damit sind Beitragsforderungen aus 2007 bereits seit 1.1.2012 verjährt und Beitragsforderungen der KKen aus 2008 verjähren zum 31.12.2012.
3. Ruhen des Leistungsanspruchs als Folge von Beitragsrückständen
Sowohl in der PKV (seit 1.1.2009) und in der GKV (seit 1.4.2007) können Mitgliedschaften nicht mehr wegen Beitragsrückständen gekündigt werden. Dies wird auch von den Kassen beachtet. Allerdings haben die Kassen bei Beitragsrückständen nunmehr ein anderes gesetzliches Mittel zum Handeln bekommen: Das Ruhen des Leistungsanspruchs.
Das Ruhen ist in der GKV im § 16 (3a) SGB V und in der PKV im § 193 (6) VVG geregelt. Die inhaltlichen Vorgaben sind in beiden Fällen ähnlich: Nicht die Mitgliedschaft ruht, sondern nur der Leistungsanspruch und dieser auch nicht vollständig. Weiterhin abgesichert sind Behandlungen akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie in der GKV auch Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten. In der GKV ruht lediglich der Leistungsanspruch für den/die Hauptversicherte/n, nicht aber für die familienversicherten Angehörigen (Ehegatten und Kinder). In der PKV gibt es ja keine Familienversicherung, sodass hier der Leistungsanspruch für alle ruht, die in dem Vertrag versichert sind. Die Leistungen entsprechen in beiden Systemen inhaltlich den Leistungen, die auch gem. § 4 Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden. Das
Ruhen endet, wenn alle Rückstände (incl. Säumniszuschlägen und Mahngebühren) beglichen wurden. In der GKV endet das Ruhen bereits dann, wenn eine Ratenzahlungsvereinbarung zustande gekommen ist und die Raten wie vereinbart gezahlt wurden.
Auf jeden Fall endet das Ruhen sowohl in der GKV als auch in der PKV dann, wenn Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder XII eintritt (alles im § 16 (3a) SGB V bzw. im § 193 (6) VVG). Im VVG wurde sogar eine konkrete Handlungsanweisung aufgenommen: „ … die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Berechtigten vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen.“ Denn Voraussetzung für das Ende des Ruhens ist nicht der Leistungsbezug, sondern nur die Hilfebedürftigkeit (die ja z.B. auch vorliegt, wenn rechnerische Bedürftigkeit z.B. i.H.v. 5 Euro vorliegt, die Leistung aber tatsächlich nicht bezogen wird).
Abkürzungen:
KK Krankenkasse, SHT = Sozialhilfeträger,
GR Gemeinsames Rundschreiben; BE = Besprechungsergebnis,
Alle Paragrafen finden sich unter www.gesetze-im-internet.de. Dort links oben auf „Gesetze/Verordnungen“ klicken, dann kommt eine Buchstabenübersicht. Unter S finden sich z.B. alle SGB’s.
Anhang:
BE 16.08.2006 (Leistungsrecht)
TOP 01
§ 55 Abs. 2 SGB V - Unzumutbare Belastung Zahnersatz;
(Teil-)Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Sachstand:
Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich anfallenden Kosten, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden; wählen Versicherte, die unzumutbar belastet würden, nach § 55 Abs. 4 oder 5 SGB V einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss. Eine unzumutbare Belastung liegt u.a. vor, wenn der Versicherte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch (SGB II) erhält (vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V).
Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden u. a. in Form von Geldleistungen, insbesondere zur Sicherung des Lebensunterhalts der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, erbracht (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (vgl. § 9 Abs. 2 SGB II). Somit erhalten ausdrücklich auch die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
Aus der Kassenpraxis wurde über Fallgestaltungen berichtet, wonach erwerbstätige versicherungspflichtige Mitglieder mit ihrem Einkommen zwar dem Grunde nach ihren eigenen Grundsicherungsbedarf, nicht jedoch aufgrund eines im gleichen Haushalt lebenden erwerbslosen Partners den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft decken konnten und somit Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bestand. Fraglich ist, ob diese erwerbstätigen Mitglieder aufgrund des Bezuges einer (Teil-)Leistung nach dem SGB II bei der Versorgung mit Zahnersatz als unzumutbar belastet i.S.d. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V gelten oder aber in diesen Fällen auf eine Bewertung nach § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 und 5 SGB V unter Berücksichtigung der insgesamt vorhandenen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt abzustellen ist.
Darüber hinaus ist ggf. zu klären, welche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II den Tatbestand einer unzumutbaren Belastung i.S.d. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V auslösen können. Die Spitzenverbände der Krankenkassen hatten sich bereits im Rahmen der Umsetzung des § 62 SGB V mit der Definition von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II befasst. Konkret ging es dabei um die Frage, welche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dazu führen, dass gemäß § 62 Abs. 2 Satz 6 SGB V als Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgeblich ist. Hierzu wurde die Auffassung vertreten, dass es sich um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handeln müsse (vgl. Verwaltungsvereinbarung zur Vorschrift über die Erstattung bzw. Befreiung von gesetzlichen Zuzahlungen gem. § 62 Abs. 1, 2 und 3 SGB V vom 1. Juli 2005, Abschnitt 4.2 Abs. 1 und TOP 2 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Leistungsrecht am 14./15. September 2005 in Bergisch Gladbach). Danach fallen neben dem monatlichen Bezug der Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 und ggf. 3 SGB II z. B. auch monatlich gewährte Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II unter diese Definition.
Im Übrigen wurde hierbei von den Spitzenverbänden der Krankenkassen auch die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen die Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 und ggf. 3 SGB II aufgrund von Einkommensanrechnungen z. B. in voller Höhe ruhen und deshalb allein Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II bezogen werden, auch der Bezug dieser laufenden (Teil-)Leistung dazu führt, dass als Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgeblich ist.
Fraglich ist, ob die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Rahmen der Umsetzung des § 62 SGB V vorgenommene Definition von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch auf die Bewertung im Rahmen des § 55 Abs. 2 Satz Nr. 2 SGB V übertragen werden kann. Im Sinne einer einheitlichen Vorgehensweise war eine Beratung im Kreise der Spitzenverbände der Krankenkassen angezeigt.
Besprechungsergebnis:
Eine unzumutbare Belastung im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V liegt für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auch dann vor, wenn die (teilweise) gewährte Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht die alleinige Einnahmequelle der Bedarfsgemeinschaft darstellt. Dabei muss es sich aber um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handeln. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit einmaligem Charakter (z. B. Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen) lösen keine unzumutbare Belastung im Rahmen des § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V aus.
Quelle: http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/1467/
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