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BSG: Behinderung Wohnung Kündigen Kostensenkungsaufforderung: Ehemann fiktiv als Hilfsbedürtig nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB III rechtswidrig tatsächlich zum Bedürftigen würde. BSG, Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS 10/06 R
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BSG: Behinderung Wohnung Kündigen Kostensenkungsaufforderung: Ehemann fiktiv als Hilfsbedürtig nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB III rechtswidrig tatsächlich zum Bedürftigen würde. BSG, Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS 10/06 R
Sollte das LSG bei seinen weiteren Ermittlungen zur Erkenntnis gelangen,
dass der Ehemann der Klägerin trotz bestehender Bedarfsgemeinschaft
gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht leistungsberechtigt ist, bedürfte
es seiner Einbeziehung in das Verfahren nicht. In diesem Falle wäre auch
nicht § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II anwendbar, weil der Ehemann dann nicht
mehr nur - in rechtlich zulässiger Weise - fiktiv, sondern auch -
rechtswidrig - tatsächlich zum Bedürftigen würde (dazu das Senatsurteil
vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 13). Das LSG wird
schließlich die Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II zu beachten und
über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Bundessozialgericht
Arbeitslosengeld
II - Angemessenheit der Unterkunftskosten - Beginn der Übergangsfrist
nach § 22 Abs 1 S 2 SGB II - Information über die Angemessenheitsgrenze
durch den Sozialhilfeträger - Feststellung der Erwerbsfähigkeit -
Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers nach § 44a S 3 SGB II bei
fehlender Abstimmung mit dem Sozialhilfeträger - Arbeitsgemeinschaft -
Beteiligtenfähigkeit
BSG, Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS 10/06 R (Lexetius.com/2006,3716)
1
Tatbestand: Im Streit ist die Zahlung höheren Arbeitslosengeldes II (Alg II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005.
2
Die
am 23. Juli 1948 geborene Klägerin stand im Jahre 2004 im Bezug von
Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die Klägerin und
ihr am 28. August 1945 geborener Ehemann, der eine Rente wegen
Erwerbsminderung bezieht, wurden mit Schreiben vom 3. Juni 2004 durch
den Sozialhilfeträger unterrichtet, dass die bisher übernommenen
Unterkunftskosten für die Wohnung in P in Höhe von (damals) 448, 70 EUR
Kaltmiete (Miete + Nebenkosten; ohne Heizung) unangemessen hoch seien.
Angemessen sei eine Kaltmiete in Höhe von 310, - EUR bzw eine Kaltmiete
nebst Heizung in Höhe von 362, - EUR bei einer Wohnungsgröße von 65 qm
für zwei Personen. Es wurde ihnen nahe gelegt, sich unverzüglich um eine
Wohnung mit einer angemessenen Miete zu bemühen. Zum 1. August 2004
bezog die Klägerin mit ihrem Ehemann eine neue Wohnung in B, deren Miete
für 93 qm 450, - EUR (einschließlich 30, - EUR für Garage) zuzüglich
100, - EUR Betriebskosten (Nebenkosten und Heizung) betrug. Das
zuständige Sozialamt gewährte der Klägerin daraufhin ab 1. August 2004
nur noch die als angemessen angesehenen Kosten für Unterkunft und
Heizung.
3
Auf entsprechenden Antrag der Klägerin, wobei die
Beklagte eine Vertretung auch des Ehemannes annahm, bewilligte ihr die
Beklagte ab 1. Januar 2005 Alg II in Höhe von insgesamt 250, 31 EUR
(davon 175, 83 EUR hälftige Kosten der Unterkunft und Heizung). Dabei
ging die Beklagte davon aus, dass ein Anspruch des Ehemannes der
Klägerin nicht bestehe und bei diesem unter Berücksichtigung seiner
Erwerbsminderungsrente nach Abzug seines eigenen Bedarfs ein Einkommen
verbleibe, das zur Deckung eines Teils des Bedarfs der Klägerin
verwendet werden müsse (Bescheid vom 17. Dezember 2004;
Widerspruchsbescheid vom 5. April 2005).
4
Das Sozialgericht (SG)
hat die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17.
Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April
2005 verurteilt, "der Klägerin für die Zeit vom 01. 01. bis 30. 04. 2005
Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete
(Grundmiete und Nebenkosten) in Höhe von 330, - EUR monatlich zu
bewilligen" (Urteil vom 7. Juli 2005). Vor dem Hintergrund, dass die
Gemeinden des Landkreises N der Mietstufe I des § 8 Wohngeldgesetz
(WoGG) mit 320, - EUR unterfielen, die Stadt N hingegen der Mietstufe II
mit 345, - EUR zuzurechnen sei, hielt es einen Mittelwert von 330, -
EUR für angemessen. Das Landessozialgericht (LSG) hat "auf die Berufung
der Klägerin das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter
Abänderung ihres Bescheides vom 17. Dezember 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 5. April 2005 verurteilt, der Klägerin und
ihrem Ehemann für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005 höhere
Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu
zahlen", die Berufung der Beklagten (als Anschlussberufung) jedoch
zurückgewiesen (Urteil vom 17. März 2006). Zur Begründung seiner
Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin mache ihren eigenen
und zugleich in Prozessstandschaft den Anspruch ihres Ehemannes geltend,
weil beide in einer Bedarfsgemeinschaft lebten und der streitige
Anspruch ihnen als Gesamtgläubiger zustehe. Die Unterkunftskosten
einschließlich der Heizkosten seien für einen Zwei-Personen-Haushalt mit
ca 520, - EUR (ohne Garage) unangemessen hoch. Allerdings lägen die
Voraussetzungen der Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels nach § 22 Abs 1
Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für
Arbeitsuchende - (SGB II) für den streitigen Zeitraum vor. Die
Beschränkung der Kosten der Unterkunft und Heizung durch das Sozialamt
auf die angemessene Höhe könne nicht über den 31. Dezember 2004 hinaus
fortwirken. Beim SGB II handele es sich um ein gegenüber dem BSHG neues
Leistungssystem; bereits getroffene Regelungen könnten grundsätzlich
nicht für dieses neue System gelten. Die gesetzliche Sechs-Monats-Frist
für die Beibehaltung einer unangemessenen Unterkunft sei noch nicht
abgelaufen, zumal das Sozialamt die Klägerin nicht hinreichend darüber
aufgeklärt habe, in welcher Weise und mit welcher Intensität sie nach
einer billigeren Unterkunft hätte suchen und welche Nachweise sie dafür
hätte erbringen sollen. Die Ausgestaltung der Obliegenheiten des
Sozialrechts zeige, dass dem Leistungsberechtigten eine
Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen
Leistungsanspruch nur vorgeworfen werden könne, wenn er in Kenntnis der
konkreten Verhaltensanforderungen gegen diese verstoßen habe. Die
Bescheide für die Folgezeiträume nach April 2005 seien nicht Gegenstand
des Verfahrens, weil der Klageantrag auf die Zeit vom 1. Januar bis 30.
April 2005 beschränkt worden sei.
5
Mit ihrer Revision macht die
Beklagte geltend, die Berufung der Klägerin sei unzulässig, weil der
Wert des Beschwerdegegenstands 500, - EUR nicht überschreite. Der Tenor
des LSG-Urteils sei im Übrigen nicht vollstreckungsfähig; es sei nicht
ausreichend geklärt, was zu den tatsächlichen Unterkunftskosten zähle.
Der Ehemann der Klägerin beziehe eine unbefristete Rente wegen voller
Erwerbsminderung, sodass er weder Alg II (wegen fehlender
Erwerbsfähigkeit) noch Sozialgeld gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II
beziehen könne, weil ihm ein Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel
des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zustünde,
wenn er bedürftig wäre. Der Klägerin sei es bereits vor dem 1. Januar
2005 zumutbar gewesen, die Unterkunftskosten auf einen angemessenen
Umfang zu reduzieren. Auf Unmöglichkeit könne sie sich nicht berufen,
weil sie trotz Aufforderung nicht nach einer angemessenen Wohnung
gesucht habe. Gegen die Ansicht des LSG, die Klägerin sei nicht
hinreichend aufgeklärt worden, spreche der Umstand, dass sie und ihr
Ehemann tatsächlich eine Liste mit - allerdings unangemessenen -
Wohnungen vorgelegt hätten, um die sie sich bemüht hätten. In der
mündlichen Verhandlung vor dem SG habe der Ehemann der Klägerin
eingeräumt, dass sie erst ab Dezember 2004 nach einer günstigeren
Wohnung gesucht hätten. Zudem könne bei dem SGB II nicht von einem
gänzlich neuen Leistungssystem ausgegangen werden; denn im Bereich der
Unterkunftskosten treffe das SGB II weitgehend mit dem BSHG identische
Regelungen.
6
Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8
Sie
ist der Ansicht, sie sei im Jahre 2004 durch das Sozialamt nicht
hinreichend über die bestehende Obliegenheit zur Suche einer
angemessenen Wohnung aufgeklärt worden. Vor dem 1. Januar 2005 sei es
für sie unzumutbar gewesen, die Unterkunftskosten zu reduzieren; aus
tatsächlichen und gesundheitlichen Gründen sei ein Umzug nicht möglich
gewesen.
9
Entscheidungsgründe: 1. Die Revision der Beklagten
ist zulässig. Die Zulässigkeit scheitert insbesondere nicht an einer
mangelnden Beteiligtenfähigkeit der Beklagten (§ 70 Sozialgerichtsgesetz
[SGG]). Abgesehen davon, dass schon wegen der Verurteilung der
Beklagten durch das LSG für das Revisionsverfahren ohnedies von einer
Beteiligtenfähigkeit ausgegangen werden muss, sind die nach § 44b SGB II
in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (dazu Senatsurteil vom 7.
November 2006 - B 7b AS 6/06 R) gebildeten Arbeitsgemeinschaften
zumindest nach § 70 Nr 2 SGG beteiligtenfähig, wenn sie nicht bereits
als juristische Person § 70 Nr 1 SGG unterfallen (vgl dazu näher
Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06
R).
10
Die Revision ist auch im Sinne der Aufhebung der
Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG
begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der vom LSG geäußerten
Rechtsansicht, die Klägerin könne sich ab 1. Januar 2005 in jedem Falle
gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II für sechs Monate auf die Unzumutbarkeit
eines Wohnungswechsels berufen, ist nicht zu folgen (dazu unter 6). Es
fehlen jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) für
eine abschließende Entscheidung darüber, ob der Klägerin und ggf ihrem
Ehemann höhere Leistungen nach dem SGB II zustehen (dazu unter 4). Dabei
ist insbesondere die Angemessenheit der Unterkunftskosten zu beurteilen
(dazu unter 7).
11
2. Streitgegenstand des
Revisionsverfahrens ist lediglich der Bescheid vom 17. Dezember 2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2005 (§ 95 SGG). Nur
über diesen Bescheid hat das LSG befunden, und die Nichteinbeziehung
weiterer Bescheide ist im Revisionsverfahren nicht gerügt worden.
Ohnedies werden Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume - anders als im
Arbeitsförderungsrecht - regelmäßig nicht in analoger Anwendung des §
96 SGG Gegenstand bereits laufender Klageverfahren (s dazu näher BSG,
Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R). In der Sache ist damit
nur über höhere Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005
zu befinden.
12
Zweifelhaft ist vorliegend, ob der
Klageantrag und die ergangenen Entscheidungen des SG sowie des LSG nicht
so auszulegen sind, dass nicht nur die Klägerin, sondern auch ihr
Ehemann im vorliegenden Verfahren als Kläger anzusehen ist und die
ergangenen Entscheidungen auch seine Ansprüche betreffen (vgl dazu näher
BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R). Im Hinblick auf die
besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II
verbunden sind, ist hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine
großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30. Juni 2007
erforderlich (vgl BSG aaO). Da die Sache ohnedies aus anderen Gründen an
das LSG zurückzuverweisen ist und damit das Verfahren in den früheren
Stand zurückversetzt wird, kann die Entscheidung hierüber dem LSG
überlassen bleiben.
13
Keinesfalls jedoch kann dem LSG dahin
gefolgt werden, dass die Klägerin in Prozessstandschaft für ihren
Ehemann dessen Ansprüche mit geltend gemacht hat. Für eine gesetzliche
Prozessstandschaft ist kein Raum (BSG aaO), und die Voraussetzungen
einer gewillkürten Prozessstandschaft liegen nicht vor; ihrer Annahme
bedarf es zudem nicht (BSG aaO). Bei den Mitgliedern einer
Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger iS des
§ 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), weil sie nicht berechtigt sind,
als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu
verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber
eigener Ansprüche (BSG aaO). Unhaltbar ist schließlich auch die Annahme
einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft -
wie vom LSG angenommen. Wäre eine Gesamtgläubigerschaft anzunehmen,
könnte vielmehr jeder Gesamtgläubiger die Gesamtleistung als eigenen
Anspruch - nicht für den anderen - geltend machen.
14
Dahinstehen
kann außerdem, ob vorliegend eine Beschränkung des Streitgegenstandes
auf die Kosten der Unterkunft und der Heizung vorgenommen worden ist
(vgl zu dieser Möglichkeit BSG aaO). Auch die Entscheidung hierüber kann
dem LSG vorbehalten bleiben, weil die Sache ohnedies - selbst bei
Annahme einer Beschränkung des Streitgegenstandes und einer Klage nur
der Klägerin - nicht abschließend beschieden werden könnte. Auch unter
Annahme beider Voraussetzungen stünde nämlich nicht fest, ob der
Klägerin höhere als die zugebilligten Ansprüche zustehen.
15
3.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer
Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war die Berufung der
Klägerin gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig; der Beschwerdewert von
500, - EUR ist überschritten. Da eine Beschränkung des
Streitgegenstandes lediglich auf die Kosten der Unterkunft, also ohne
die Heizungskosten, nicht möglich ist (BSG, aaO) und das SG
Unterkunftskosten in Höhe von 330, - EUR (statt 310, - EUR) zuzüglich
Heizungskosten in Höhe von 52, - EUR zugebilligt hat, die Klägerin
jedoch die Übernahme der vollen Kosten in Höhe von 550, - EUR begehrt,
ist der Einwand der Beklagten nicht nachvollziehbar, die Berufungssumme
sei nicht erreicht. Die Berufung der Beklagten indes ist unter
Berücksichtigung der vorstehenden Berechnung mangels Erreichens der
erforderlichen Berufungssumme unzulässig. Sie kann damit lediglich als
Anschlussberufung gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 524
Zivilprozessordnung (ZPO) gewertet werden (vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 47,
insoweit nicht abgedruckt). Nach der Zurückverweisung der Sache an das
LSG ist damit das LSG auch berechtigt, das Urteil des SG zu Lasten der
Klägerin abzuändern.
16
4. Ob die Beklagte dem Grunde nach (§
130 SGG) verpflichtet ist, höhere Alg-II-Leistungen zu erbringen, kann
nicht beurteilt werden. Die Entscheidung darüber bedarf einer so
umfassenden Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und - da
vorliegend ein Grundurteil im Rahmen eines Höhenstreits ergehen soll (s
zur Zulässigkeit Eicher in Kasseler Handbuch des
Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 11 mwN) - der Höhe nach, dass
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein höherer Leistungsanspruch
angenommen werden kann (Eicher aaO). Diesen Anforderungen genügt eine
Entscheidung - wie vorliegend die des LSG - nicht, die sich auf die
Feststellung einzelner Elemente des Anspruchs beschränkt (Eicher aaO).
Vorliegend fehlen Feststellungen zur Höhe der Heizungskosten und deren
Angemessenheit ebenso wie zu den sonstigen Nebenkosten. Ob bzw inwieweit
die Klägerin und ihr Ehemann, mit dem sie in einer Bedarfsgemeinschaft
lebt (§ 7 Abs 3 Nr 1 und 3 SGB II in der Fassung, die die Norm durch das
Kommunale Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 - BGBl l 2014 - erhalten hat)
Vermögen besitzen, ist ebenfalls nicht festgestellt. Das Urteil des LSG
enthält nicht einmal Angaben darüber, in welcher Höhe der Ehemann der
Klägerin Einkommen in Form der Erwerbsminderungsrente bezieht. Damit
aber ist die Hilfebedürftigkeit der Klägerin als generelle
Anspruchsvoraussetzung für alle Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs 1
Satz 1 SGB II) nicht beurteilbar. Es besteht deshalb zum gegenwärtigen
Zeitpunkt keine Notwendigkeit, zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der
Regelbedarfe des SGB II bzw zu den anzuerkennenden Bedarfen außerhalb
von Unterkunft und Heizung Stellung zu nehmen.
17
Auf das
genaue Einkommen des Ehemannes der Klägerin kommt es vorliegend auch
deshalb an, weil davon nicht nur die Hilfebedürftigkeit der Klägerin
abhängig ist, sondern auch, ob der Ehemann der Klägerin selbst als
Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs 2 S 1 SGB II iVm § 9 Abs 2
Satz 3 SGB II (hier in der ursprünglichen Fassung der Norm durch das 4.
Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember
2003 - BGBl I 2954) einen Anspruch nach dem SGB II besitzt, und zwar
auch dann, wenn er selbst individuell nicht hilfebedürftig ist (vgl dazu
BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R). Danach gilt jede
Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum
Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn nicht der gesamte Bedarf der
Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist. Die Hilfebedürftigkeit des individuell
nicht Bedürftigen wird durch diese Regelung, die auch für
Sozialgeldempfänger iS des § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II Anwendung findet, in
verfassungsrechtlich zulässiger Weise (BSG aaO) fingiert; § 9 Abs 2 S 3
SGB II greift nicht, wenn der Ehemann der Klägerin nicht nach dem SGB
II leistungsberechtigt ist (BSG aaO). Allerdings setzt die Annahme einer
Bedarfsgemeinschaft zumindest bei einem der Hilfebedürftigen
Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs 1 bis 3, § 8, § 28 SGB II) voraus, soweit
nicht nach § 44a SGB II Erwerbsfähigkeit fingiert wird (dazu unter 5).
18
5.
Ob der Ehemann der Klägerin erwerbsfähig ist, steht nicht sicher fest.
Zwar hat das LSG aufgeführt, er beziehe eine Erwerbsminderungsrente.
Dies besagt jedoch noch nichts darüber, ob er erwerbsunfähig iS des SGB
II ist, und zwar insbesondere deshalb, weil der
rentenversicherungsrechtliche Begriff nicht identisch sein muss mit dem
des SGB II (vgl: Rixen, info also 2006, 153, 157 f; Blüggel in
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 8 RdNr 30; Brühl in LPK-SGB II, § 8 RdNr
20). Selbst wenn er nicht erwerbsfähig ist iS des § 8 SGB II oder nach §
44a Satz 3 SGB II so zu behandeln wäre (dazu später), könnte er indes
einen Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II (hier in der
Fassung, die die Norm durch das Kommunale Optionsgesetz erhalten hat)
besitzen, soweit er nicht einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 41 ff
SGB XII hat. Danach erhalten zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter
und bei dauerhafter Erwerbsminderung Personen mit gewöhnlichem
Aufenthalt im Inland, die - soweit vorliegend einschlägig - das 18.
Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen
Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS des § 43 Abs 2 SGB VI sind und
bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben
werden kann, auf Antrag die Leistungen der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung nach diesem Kapitel des SGB XII. Ob der Ehemann der
Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt, kann nach den Feststellungen
des LSG nicht beurteilt werden. Jedenfalls ist der Argumentation der
Beklagten nicht zu folgen, ein Leistungsanspruch nach § 28 Abs 1 Satz 1
SGB II scheide schon deshalb aus, weil der Ehemann der Klägerin, wenn er
bedürftig wäre, einen Anspruch nach § 41 SGB XII hätte. Für eine
derartige Auslegung bietet der Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkte
(vgl demgegenüber § 21 SGB XII: "dem Grunde nach leistungsberechtigt").
Vielmehr sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 41 SGB XII im Einzelnen
zu prüfen. Sinn des Leistungsausschlusses für Leistungsberechtigte des §
41 SGB XII ist es, den Berechtigten möglichst nicht zwei Systemen zur
Sicherung des Existenzminimums zu unterstellen. Ob zu den
Anspruchsvoraussetzungen auch der Antrag gehört (vgl Brühl/Schoch in
LPK-SGB XII, § 41 RdNr 21), bedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
keiner Entscheidung, weil es möglicherweise an der Bedürftigkeit
mangelt; das LSG wird dies ggf jedoch zu entscheiden haben.
19
Ebenso
wenig steht für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft die
Erwerbsfähigkeit der Klägerin fest. Allerdings ist von ihrer
Erwerbsfähigkeit für den streitigen Zeitraum nach § 44a S 3 SGB II (hier
in der Fassung, die die Norm durch das Kommunale Optionsgesetz erhalten
hat) auszugehen. Danach hat die Beklagte in Wahrnehmungszuständigkeit
für die Leistungsträger des SGB II (§ 44b Abs 3 SGB II; s dazu auch das
Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 20) bis zu
einer Entscheidung der Einigungsstelle über die Erwerbsfähigkeit
Leistungen zu erbringen. § 44a S 3 SGB II (in der Normfassung des
Kommunalen Optionsgesetzes) enthält nämlich nicht die Anordnung einer
vorläufigen Leistung (so aber: Berlit in LPK-SGB II, § 44a RdNr 20;
Hoehl, juris PraxisKommentar SGB II, § 44a RdNr 21; Vor in Estelmann,
SGB II, § 44a RdNr 16 ff, Stand Februar 2005; Hänlein in Gagel, SGB III
mit SGB II, § 44a RdNr 6, Stand Oktober 2005), sondern eine
Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Sozialgesetzbuch
Drittes Buch - Arbeitsförderung - [SGB III] (Blüggel in
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a RdNr 23; ders, SGb 2005, 377, 380;
Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II. 14 RdNr 33, Stand August
2006; ders, ZfSH/SGB 2004, 98, 101; Chojetzki, DRV 2004, 513, 523).
20
Dies
legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe, ergibt sich jedoch
letztlich aus Sinn und Zweck der Regelung. § 44a SGB II soll verhindern,
dass sich der Streit über die Erwerbsfähigkeit eines Hilfebedürftigen
für diesen so auswirkt, dass er weder von den Leistungsträgern des SGB
II noch denen des SGB XII Leistungen erhält. Denn ist ein
Hilfebedürftiger erwerbsfähig, fällt er in die Zuständigkeit des SGB II,
ist er nicht erwerbsfähig, in die des SGB XII. Damit der
Hilfebedürftige, bildlich gesprochen, nicht "zwischen zwei Stühlen
sitzt", darf die in § 44a SGB II angeordnete Regelung der Zahlung von
Alg II durch die Träger des SGB II nicht erst einsetzen, wenn zwischen
den Leistungsträgern des SGB II und des SGB XII tatsächlich Streit über
das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit besteht. Vielmehr muss § 44a Satz 3
SGB II mit seiner endgültigen Zahlungspflicht der Leistungsträger des
SGB XII bis zur Entscheidung der Einigungsstelle auch für den Fall
gelten, dass die Leistungsträger des SGB II von einer fehlenden
Erwerbsfähigkeit ausgehen, sich aber nicht um eine Klärung der
Angelegenheit mit dem zuständigen Leistungsträger des SGB XII bemüht
haben (Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a RdNr 15; ders, SGb
2005, 377, 379). Wie bei § 125 SGB III (s dazu Behrend in
Eicher/Schlegel, SGB III, § 125 Rz 32 f, Stand August 2004) erwächst
dies aus der Pflicht zur engen Zusammenarbeit beider Leistungsträger (§
86 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - [SGB X]); dadurch wird die Rechtsposition des
Leistungsempfängers - anders als bei Annahme einer nur vorläufigen
Leistung (s zur fehlenden Bindungswirkung für die endgültige Leistung:
Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 Rz 47 und 60, Stand August
2003 bzw 2006 mwN) - angemessen geschützt. Der Hilfebedürftige ist auf
diese Weise nicht nur bei einem schon bestehenden Streit zwischen den
Leistungsträgern bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle nach
deren Anrufung, sondern bereits im Vorfeld so zu stellen, als wäre er
erwerbsfähig. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung darf die
Beklagte fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen, ohne den zuständigen
Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben. Vorliegend ist deshalb von
einer Erwerbsfähigkeit der Klägerin und damit auch von einer
Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit ihrem Ehemann im Sinne des SGB II
auszugehen. Ob der Ehemann jedoch einen Anspruch auf Sozialgeld nach §
28 Abs 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs 2 Satz 3 SGB III oder
bei Erwerbsfähigkeit sogar einen eigenen Anspruch auf Alg II besitzt,
muss das LSG noch näher prüfen und dann ggf, um dem wahren Begehren der
Klägerin Rechnung zu tragen, den Ehemann in das Verfahren "als weiteren
Kläger" einzubeziehen haben (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b
AS 8/06 R - RdNr 11).
21
Die obigen Ausführungen zu § 44a
Satz 3 SGB II können indes nach Sinn und Zweck der Regelung nicht für
den Ehemann der Klägerin gelten, wenn dieser etwa wegen fehlender
Bedürftigkeit iS von § 41 Abs 2 SGB XII keinen Anspruch nach § 41 SGB
XII hat. Im Hinblick auf § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II kann ihm dennoch ein
Anspruch nach dem SGB II, sei es auf Alg II bei Erwerbsfähigkeit, sei es
auf Sozialgeld bei Erwerbsunfähigkeit zustehen. Einer Abstimmung mit
dem Sozialhilfeträger bedarf es dann nicht. Im Sinne einer
teleologischen Reduktion der Norm ist die Beklagte dann alleine befugt,
über die Erwerbsfähigkeit zu entscheiden. Eine Notwendigkeit zur
Einschaltung des Rentenversicherungsträgers vor dieser Entscheidung ist
nicht erforderlich (Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a RdNr
16). Es besteht auch keine Veranlassung, die Beklagte an die
Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, dass volle Erwerbsminderung
vorliege, zu binden. Nimmt die Beklagte gleichwohl Erwerbsfähigkeit
nach § 8 SGB II an, kann dies dem Leistungsempfänger nicht zum Nachteil
gereichen. Er gerät gerade nicht in die Situation, dass keiner der
Leistungsträger Leistungen erbringen will.
22
6. Ob der
Klägerin alleine oder der Klägerin und ihrem Ehemann höhere Leistungen
zustehen, beurteilt sich ua nach § 22 Abs 1 SGB II (hier in der
ursprünglichen Fassung der Norm durch das 4. Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Danach werden Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die
Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang
übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen
oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem
allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht
möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch
Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel
jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2). Dem geltend gemachten
Anspruch auf höhere Leistungen nach dieser Norm kann nicht
entgegengehalten werden, die Regelungen des § 44b SGB II bzw des § 6 Abs
1 SGB II (in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes) über die
Einbindung der kommunalen Leistungsträger bzw der Arbeitsgemeinschaften
in das Leistungssystem des SGB II seien verfassungswidrig. Eine solche
Verfassungswidrigkeit hält der Senat nicht für gegeben (BSG, Urteil vom
7. November 2006 - B 7b AS 6/06 R). Auf die Frage, wer im Falle der
Verfassungswidrigkeit der Norm die Leistungen zu erbringen hätte, kommt
es damit nicht an.
23
Nicht gefolgt werden kann der Ansicht
des LSG, dass, gestützt auf § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II, - gewissermaßen iS
einer Automatik - der Klägerin bereits deshalb die gesamten
tatsächlichen Aufwendungen, selbst wenn sie unangemessen wären, zu
gewähren waren, weil die Beklagte die Klägerin und ihren Ehemann nicht
vorweg selbst auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen
hat, sondern bei ihrem Vorgehen an die entsprechende Information des
Sozialhilfeträgers im Jahre 2004 angeknüpft hat. Entgegen der Ansicht
des LSG war insoweit auch keine Übergangsregelung wie etwa in § 65e SGB
II (hier in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes) erforderlich. §
22 Abs 1 Satz 2 SGB II enthält lediglich eine Zumutbarkeitsregelung, die
es verhindern soll, dass der Leistungsberechtigte nicht sofort (bei
Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen werden soll, seine bisherige
Wohnung aufzugeben (Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II. 8
RdNr 50, Stand März 2006; vgl auch BVerwGE 2, 1, 3, und
Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 9. April 1997 - 5c 2/96 -,
ZfSH/SGB 1998, 44, 45). Schutzbedürftig sind danach insbesondere solche
Personen, die bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits in einer
unangemessenen Wohnung leben bzw bei denen die Unterkunftskosten während
des Leistungsbezugs - zB durch eine Mieterhöhung - unangemessen werden.
Wenn der Leistungsbezieher allerdings bereits während des Bezugs von
Sozialhilfe durch den früheren Sozialleistungsträger auf die
unangemessenen Kosten aufmerksam gemacht wurde, ist dem genannten
Schutzzweck Genüge getan (aA Kolf, SozSich 2005, 203, 206 f). Eine
erneute "Schonfrist" von sechs Monaten, beginnend mit dem 1. Januar
2005, entspricht mithin nicht der Ratio des Gesetzes. War die
Information des Sozialhilfeträgers im Jahre 2004 über die
Unangemessenheit der Unterkunftskosten zureichend (hierzu unter ,
besitzen die Klägerin und ihr Ehemann kein schutzwürdiges Vertrauen
mehr. Dies gilt umso mehr, als seit dem Schreiben des Sozialhilfeträgers
bis zum 1. Januar 2005 nur etwas mehr als sechs Monate verstrichen
waren. Dass die Klägerin und ihr Ehemann nach diesem Schreiben des
Sozialhilfeträgers eine neue Wohnung in einem anderen Wohnort mit wohl
höheren Kosten als in der früheren Wohnung bezogen haben (dazu unter , ist insoweit allein nicht ausschlaggebend.
24
7.
Entscheidend kommt es mithin darauf an, ob die tatsächlichen Kosten für
Unterkunft (und auch für Heizung) nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II
angemessen waren. Die Prüfung der Angemessenheit setzt eine
Einzelfallprüfung voraus, für die die für die Bemessung des Wohngeldes
bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG
keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert
Berücksichtigung finden können, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten
erschöpft sind (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R). Für
die Angemessenheit einer Unterkunft ist vielmehr zunächst deren
maßgebliche Größe zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der
Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen
Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus
(vorliegend für 2 Personen bis zu 65 qm; Wohnraumförderbestimmung 2003
des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11. November 2002 -
All MBl Nr 14/2002 - S 971). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen,
wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren
Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als
Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. In
Einzelfällen sind bei kleinen Gemeinden größere, bei Großstädten
kleinere räumliche Bereiche denkbar (s auch BSG, Urteil vom 7. November
2006 - B 7b AS 18/06 R). Insoweit kommt es letztlich darauf an, dass das
Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete
niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte
Produkttheorie, vgl BSG aaO; Berlit in LPK-SGB II, § 22 RdNr 32). Gibt
es - insbesondere in Kleinst-Gemeinden - keinen Wohnungsmarkt, muss auf
größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Diese sind so zu wählen,
dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers
auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen
wird.
25
Selbst wenn die Wohnung der Klägerin nach den
vorbezeichneten (abstrakten) Maßstäben unangemessen wäre, muss das LSG
danach im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung feststellen, ob
für die Klägerin eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere
Wohnung konkret verfügbar und zugängig war (Senatsurteil vom 7. November
2006 - B 7b AS 18/06 R). Bei nicht angemessenen Unterkunftskosten ist
in jedem Fall der Teil der Unterkunftskosten zu zahlen, der im Rahmen
der Angemessenheit liegt. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwGE 101, 194, 197; 92, 1, 5) zu § 3 Abs 1 Satz 1 und 2
Regelsatzverordnung, wonach in diesen Fällen die Übernahme eines Teils
der Kosten dem Bedarfsdeckungsprinzip widerspräche und damit überhaupt
keine Kosten der Unterkunft geleistet würden
("Alles-oder-Nichts-Prinzip"), ist nach dem Wortlaut der Norm des § 22
Abs 1 SGB II ("soweit") nicht zu folgen (vgl Berlit in LPK-SGB II, § 22
RdNr 42; Berlit in Rothkegel, Sozialhilferecht 2005, Teil III, Kap 10,
RdNr 48, 56; Mrozynski, aaO, II. 8 RdNr 51, 52, Stand März 2006; Lang in
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 RdNr 61; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB
II, K § 22 RdNr 19, Stand November 2004; Rothkegel in Gagel, SGB III mit
SGB II, § 22 RdNr 29, 38, Stand Dezember 2005).
26
Bestimmt
sich mithin der Wohnstandard nach dem konkreten Wohnort, kann im
Regelfall ein Umzug in eine andere Wohngemeinde auch dann nicht verlangt
werden, wenn sich dort ein niedrigerer Vergleichsmaßstab ergäbe als am
Wohnort, weil Hilfebedürftigen eine Aufgabe ihres sozialen Umfeldes
grundsätzlich nicht zuzumuten ist. Dass der Maßstab der Angemessenheit
der aktuelle Wohnort ist, gilt auch dann, wenn - wie hier - während des
Leistungsbezugs nach dem SGB II bzw vor dessen Inkrafttreten nach dem
BSHG ein Wohnungswechsel in einen anderen Wohnort stattgefunden hat.
Auch dann misst sich also die Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht
an den für den früheren Wohnort geltenden Bedingungen, sondern denen
des neuen Wohnortes. Dem Hilfebedürftigen ist im Rahmen des § 22 Abs 1
SGB II in der Regel eine freie Wohnortwahl zuzubilligen (Ausnahme:
außergewöhnlich hohe Unterschiede zwischen den jeweiligen
Angemessenheitsmaßstäben oder Missbrauch), die eine Prüfung der
Erforderlichkeit des Umzugs jedenfalls für die Angemessenheit der
Unterkunfts- und Heizungskosten anders als für die Wohnbeschaffungs- und
Umzugskosten (§ 22 Abs 3 SGB II) nicht verlangt. Dem steht nicht die
Entscheidung des BVerwG vom 17. November 1994 (BVerwGE 97, 110 ff)
entgegen, die die Übernahme angemessener Kosten nach einem Umzug während
des Sozialhilfebezugs in eine teurere Unterkunft als vor dem Umzug
unter bestimmten Voraussetzungen ablehnt. Diese Entscheidung spricht im
Gegenteil sogar für die gewonnene Auslegung. Sie wird lediglich mit § 3
Abs 2 Satz 3 BSHG begründet, wonach auf Wünsche des Leistungsempfängers
nur unter dem Vorbehalt Rücksicht zu nehmen ist, dass sie keine
unverhältnismäßigen Kosten verursachen; grundsätzlich wird jedoch das
Wahlrecht akzeptiert. Das SGB II enthält demgegenüber keine § 3 Abs 2
Satz 3 BSHG (vgl auch § 9 Abs 2 SGB XII) entsprechende Regelung.
27
Bestätigt
wird dieses Ergebnis durch die Änderung des § 22 Abs 1 SGB II durch das
Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom
20. Juli 2006 (BGBl I 1706) mit Wirkung ab 1. August 2006. Nach dessen
neuem Satz 2 des Abs 1 werden nach einem nicht erforderlichen Umzug
Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen
erbracht, wenn sich nach dem Umzug die angemessenen Aufwendungen für
die Unterkunft und Heizung erhöhen. Es kann dahinstehen, ob diese
Regelung mit Rücksicht auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/1410, S
23 zu Nr 21 Buchst a) möglicherweise nur für einen Wohnungswechsel
innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen
örtlichen Bereichs, also üblicherweise innerhalb des jeweiligen
Wohnorts, gilt; jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten dieser
Neuregelung kann ihr keine Einschränkung für einen Umzug in einen neuen
Wohnort dergestalt entnommen werden, dass die Unterkunftskosten, wenn
sie sich im Rahmen des neuen Wohnorts als angemessen zeigen, gleichwohl
unangemessen sind, wenn sie sich nicht innerhalb des für den früheren
Wohnort geltenden Angemessenheitsrahmens halten. Die in § 22 Abs 2 SGB
II vorgesehene Zusicherung zu den Aufwendungen vor dem Umzug in eine
Wohnung ist im Gegensatz zu der des Abs 3 keine Anspruchsvoraussetzung
(Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 RdNr 66 f; Berlit in LPK-SGB
II, § 22 RdNr 53; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 24, Stand
Oktober 2004; Rothkegel in Gagel, SGB III mit SGB II, § 22 RdNr 52,
Stand Dezember 2005; Söhngen in juris PraxisKommentar SGB II, § 22 RdNr
37). Dass § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II eine Prüfung des Umzugs auf dessen
Erforderlichkeit vorschreibt, widerspricht nicht dem angenommenen Recht
auf freie Ortswahl. Diese Prüfung ist nur Voraussetzung für die Pflicht
zur Erteilung der Zusicherung, die ansonsten im Ermessen des
Leistungsträgers/der Arbeitsgemeinschaft steht. Die Rechtsprechung des
BVerwG zur Zusicherung im Rahmen des BSHG (vgl etwa BVerwGE 107, 239 ff)
ist nicht einschlägig. Die dortige Rechtslage war nicht identisch mit
der des § 22 SGB II (nicht differenzierend Berlit, NDV 2006, 5, 14).
28
Bei
der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten der Klägerin am
neuen Wohnort wird das LSG insbesondere zu beachten haben, dass § 22 Abs
1 SGB II dem Hilfebedürftigen nur eine Wohnung mit bescheidenem
Zuschnitt zugesteht. Die Kosten für eine Garage sind deshalb regelmäßig
nicht zu übernehmen, es sei denn, die Wohnung ist ohne Garage nicht
anmietbar und der Mietpreis hält sich bei fehlender "Abtrennbarkeit" der
Garage noch innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den
maßgeblichen Wohnort (Berlit, NDV 2006, 5, 12). Ist dies nicht der Fall,
muss das LSG feststellen, ob der Klägerin eine andere, bedarfsgerechte
und kostengünstigere Unterkunft zur Verfügung gestanden hätte.
29
8.
Gelangt das LSG zur Erkenntnis, dass die von der Klägerin und ihrem
Ehemann bezogene Wohnung nach dem am Wohnort geltenden Maßstab abstrakt
und konkret unangemessen ist, ist die Zumutbarkeit eines (erneuten)
Umzugs zu beurteilen. Erst dabei gewinnt das Informationsschreiben des
Sozialhilfeträgers vom 3. Juni 2004 Bedeutung. Bei derartigen
Informationsschreiben handelt es sich sowohl im Recht der Sozialhilfe
als auch in dem der Grundsicherung für Arbeitsuchende inhaltlich nicht
um Verwaltungsakte (Berlit, NDV 2006, 5, 13; Rothkegel in Gagel, SGB III
mit SGB II, § 22 RdNr 45, Stand Dezember 2005; Wahrendorf, SozSich
2006, 134, 138; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 29 RdNr 34; ggf
kann es sich um einen unzulässigen Form-Verwaltungsakt handeln). Für den
Erlass eines Verwaltungsakts besteht keine gesetzliche Grundlage: Eine
Kostensenkungsaufforderung bzw eine Information ist weder in § 22 SGB II
normiert noch sonst formelle Voraussetzung für die Weigerung, mehr als
die angemessenen Kosten zu übernehmen. Der Hinweis hat vielmehr alleine
Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über
die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die
Unterkunft und ggf die Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage
erhält (Berlit, NDV 2006, 5, 13; vgl auch Rothkegel aaO). Sind dem
Leistungsempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es
nicht einmal der Aufklärung (Berlit aaO: Offenkundigkeit). Unter diesem
Blickwinkel genügt regelmäßig die Angabe des angemessenen Mietpreises;
dieser ist nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur
Beurteilung der Angemessenheit. Vorliegend hat der Sozialhilfeträger
darüber hinaus der Klägerin und ihrem Ehemann sogar die Wohnungsgröße
und die für angemessen erachteten Nebenkosten benannt.
30
Die
vom Senat in anderem Zusammenhang (zu § 119 SGB III) aufgestellten
Anforderungen an die Konkretisierung der vom Gesetz verlangten
Eigenbemühungen eines Arbeitslosen (vgl BSGE 95, 176 ff = SozR 4-4300 §
119 Nr 3) sind auf die Rechtslage des § 22 Abs 1 SGB II wegen der
unterschiedlichen Funktionen der Informationenpflichten und der
ungleichen rechtlichen Regelungen nicht übertragbar. Nach § 22 Abs 2 SGB
II soll sich der Leistungsempfänger ohnedies zwecks Zusicherung an den
Leistungsträger wenden; Einzelfragen können dabei genauer abgeklärt
werden. Wählt der Leistungsempfänger - wie vorliegend - einen anderen
Wohnort, kann von vornherein eine den neuen Wohnort betreffende
Information von Amts wegen nicht verlangt werden. Hier genügt es, wenn
der Leistungsempfänger weiß, dass er gewisse Angemessenheitsgrenzen
einzuhalten hat. Wie diese sich gestalten, muss er dann selbsttätig im
Rahmen des nach § 22 Abs 2 SGB II vorgesehenen Zusicherungsverfahrens
eruieren. Schon aus diesem Grund können sich die Klägerin und ggf ihr
Ehemann nicht auf eine fehlerhafte oder unvollständige Information des
Sozialhilfeträgers berufen. Nicht entscheidungserheblich ist deshalb
vorliegend auch, dass die Information über die Unangemessenheit der
Wohnung im Rahmen einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft durchaus einer
einzigen Person zugeleitet werden darf. Typisierend kann davon
ausgegangen werden, dass dieses Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die
entsprechende Information an die anderen Mitglieder weitergibt.
Umständen des Einzelfalls kann im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung bei
dem einzelnen Anspruchsinhaber Rechnung getragen werden (so im Ergebnis
auch Berlit, NDV 2006, 5, 15).
31
9. Sollte das LSG bei seinen
weiteren Ermittlungen zur Erkenntnis gelangen, dass der Ehemann der
Klägerin trotz bestehender Bedarfsgemeinschaft gemäß § 28 Abs 1 Satz 1
SGB II nicht leistungsberechtigt ist, bedürfte es seiner Einbeziehung in
das Verfahren nicht. In diesem Falle wäre auch nicht § 9 Abs 2 Satz 3
SGB II anwendbar, weil der Ehemann dann nicht mehr nur - in rechtlich
zulässiger Weise - fiktiv, sondern auch - rechtswidrig - tatsächlich zum
Bedürftigen würde (dazu das Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS
8/06 R - RdNr 13). Das LSG wird schließlich die Rundungsvorschrift des §
41 Abs 2 SGB II zu beachten und über die Kosten des Revisionsverfahrens
zu befinden haben.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=64144
Gruß Willi S
dass der Ehemann der Klägerin trotz bestehender Bedarfsgemeinschaft
gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht leistungsberechtigt ist, bedürfte
es seiner Einbeziehung in das Verfahren nicht. In diesem Falle wäre auch
nicht § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II anwendbar, weil der Ehemann dann nicht
mehr nur - in rechtlich zulässiger Weise - fiktiv, sondern auch -
rechtswidrig - tatsächlich zum Bedürftigen würde (dazu das Senatsurteil
vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 13). Das LSG wird
schließlich die Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II zu beachten und
über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Bundessozialgericht
Arbeitslosengeld
II - Angemessenheit der Unterkunftskosten - Beginn der Übergangsfrist
nach § 22 Abs 1 S 2 SGB II - Information über die Angemessenheitsgrenze
durch den Sozialhilfeträger - Feststellung der Erwerbsfähigkeit -
Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers nach § 44a S 3 SGB II bei
fehlender Abstimmung mit dem Sozialhilfeträger - Arbeitsgemeinschaft -
Beteiligtenfähigkeit
BSG, Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS 10/06 R (Lexetius.com/2006,3716)
1
Tatbestand: Im Streit ist die Zahlung höheren Arbeitslosengeldes II (Alg II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005.
2
Die
am 23. Juli 1948 geborene Klägerin stand im Jahre 2004 im Bezug von
Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die Klägerin und
ihr am 28. August 1945 geborener Ehemann, der eine Rente wegen
Erwerbsminderung bezieht, wurden mit Schreiben vom 3. Juni 2004 durch
den Sozialhilfeträger unterrichtet, dass die bisher übernommenen
Unterkunftskosten für die Wohnung in P in Höhe von (damals) 448, 70 EUR
Kaltmiete (Miete + Nebenkosten; ohne Heizung) unangemessen hoch seien.
Angemessen sei eine Kaltmiete in Höhe von 310, - EUR bzw eine Kaltmiete
nebst Heizung in Höhe von 362, - EUR bei einer Wohnungsgröße von 65 qm
für zwei Personen. Es wurde ihnen nahe gelegt, sich unverzüglich um eine
Wohnung mit einer angemessenen Miete zu bemühen. Zum 1. August 2004
bezog die Klägerin mit ihrem Ehemann eine neue Wohnung in B, deren Miete
für 93 qm 450, - EUR (einschließlich 30, - EUR für Garage) zuzüglich
100, - EUR Betriebskosten (Nebenkosten und Heizung) betrug. Das
zuständige Sozialamt gewährte der Klägerin daraufhin ab 1. August 2004
nur noch die als angemessen angesehenen Kosten für Unterkunft und
Heizung.
3
Auf entsprechenden Antrag der Klägerin, wobei die
Beklagte eine Vertretung auch des Ehemannes annahm, bewilligte ihr die
Beklagte ab 1. Januar 2005 Alg II in Höhe von insgesamt 250, 31 EUR
(davon 175, 83 EUR hälftige Kosten der Unterkunft und Heizung). Dabei
ging die Beklagte davon aus, dass ein Anspruch des Ehemannes der
Klägerin nicht bestehe und bei diesem unter Berücksichtigung seiner
Erwerbsminderungsrente nach Abzug seines eigenen Bedarfs ein Einkommen
verbleibe, das zur Deckung eines Teils des Bedarfs der Klägerin
verwendet werden müsse (Bescheid vom 17. Dezember 2004;
Widerspruchsbescheid vom 5. April 2005).
4
Das Sozialgericht (SG)
hat die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17.
Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April
2005 verurteilt, "der Klägerin für die Zeit vom 01. 01. bis 30. 04. 2005
Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete
(Grundmiete und Nebenkosten) in Höhe von 330, - EUR monatlich zu
bewilligen" (Urteil vom 7. Juli 2005). Vor dem Hintergrund, dass die
Gemeinden des Landkreises N der Mietstufe I des § 8 Wohngeldgesetz
(WoGG) mit 320, - EUR unterfielen, die Stadt N hingegen der Mietstufe II
mit 345, - EUR zuzurechnen sei, hielt es einen Mittelwert von 330, -
EUR für angemessen. Das Landessozialgericht (LSG) hat "auf die Berufung
der Klägerin das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter
Abänderung ihres Bescheides vom 17. Dezember 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 5. April 2005 verurteilt, der Klägerin und
ihrem Ehemann für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005 höhere
Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu
zahlen", die Berufung der Beklagten (als Anschlussberufung) jedoch
zurückgewiesen (Urteil vom 17. März 2006). Zur Begründung seiner
Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin mache ihren eigenen
und zugleich in Prozessstandschaft den Anspruch ihres Ehemannes geltend,
weil beide in einer Bedarfsgemeinschaft lebten und der streitige
Anspruch ihnen als Gesamtgläubiger zustehe. Die Unterkunftskosten
einschließlich der Heizkosten seien für einen Zwei-Personen-Haushalt mit
ca 520, - EUR (ohne Garage) unangemessen hoch. Allerdings lägen die
Voraussetzungen der Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels nach § 22 Abs 1
Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für
Arbeitsuchende - (SGB II) für den streitigen Zeitraum vor. Die
Beschränkung der Kosten der Unterkunft und Heizung durch das Sozialamt
auf die angemessene Höhe könne nicht über den 31. Dezember 2004 hinaus
fortwirken. Beim SGB II handele es sich um ein gegenüber dem BSHG neues
Leistungssystem; bereits getroffene Regelungen könnten grundsätzlich
nicht für dieses neue System gelten. Die gesetzliche Sechs-Monats-Frist
für die Beibehaltung einer unangemessenen Unterkunft sei noch nicht
abgelaufen, zumal das Sozialamt die Klägerin nicht hinreichend darüber
aufgeklärt habe, in welcher Weise und mit welcher Intensität sie nach
einer billigeren Unterkunft hätte suchen und welche Nachweise sie dafür
hätte erbringen sollen. Die Ausgestaltung der Obliegenheiten des
Sozialrechts zeige, dass dem Leistungsberechtigten eine
Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen
Leistungsanspruch nur vorgeworfen werden könne, wenn er in Kenntnis der
konkreten Verhaltensanforderungen gegen diese verstoßen habe. Die
Bescheide für die Folgezeiträume nach April 2005 seien nicht Gegenstand
des Verfahrens, weil der Klageantrag auf die Zeit vom 1. Januar bis 30.
April 2005 beschränkt worden sei.
5
Mit ihrer Revision macht die
Beklagte geltend, die Berufung der Klägerin sei unzulässig, weil der
Wert des Beschwerdegegenstands 500, - EUR nicht überschreite. Der Tenor
des LSG-Urteils sei im Übrigen nicht vollstreckungsfähig; es sei nicht
ausreichend geklärt, was zu den tatsächlichen Unterkunftskosten zähle.
Der Ehemann der Klägerin beziehe eine unbefristete Rente wegen voller
Erwerbsminderung, sodass er weder Alg II (wegen fehlender
Erwerbsfähigkeit) noch Sozialgeld gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II
beziehen könne, weil ihm ein Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel
des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zustünde,
wenn er bedürftig wäre. Der Klägerin sei es bereits vor dem 1. Januar
2005 zumutbar gewesen, die Unterkunftskosten auf einen angemessenen
Umfang zu reduzieren. Auf Unmöglichkeit könne sie sich nicht berufen,
weil sie trotz Aufforderung nicht nach einer angemessenen Wohnung
gesucht habe. Gegen die Ansicht des LSG, die Klägerin sei nicht
hinreichend aufgeklärt worden, spreche der Umstand, dass sie und ihr
Ehemann tatsächlich eine Liste mit - allerdings unangemessenen -
Wohnungen vorgelegt hätten, um die sie sich bemüht hätten. In der
mündlichen Verhandlung vor dem SG habe der Ehemann der Klägerin
eingeräumt, dass sie erst ab Dezember 2004 nach einer günstigeren
Wohnung gesucht hätten. Zudem könne bei dem SGB II nicht von einem
gänzlich neuen Leistungssystem ausgegangen werden; denn im Bereich der
Unterkunftskosten treffe das SGB II weitgehend mit dem BSHG identische
Regelungen.
6
Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8
Sie
ist der Ansicht, sie sei im Jahre 2004 durch das Sozialamt nicht
hinreichend über die bestehende Obliegenheit zur Suche einer
angemessenen Wohnung aufgeklärt worden. Vor dem 1. Januar 2005 sei es
für sie unzumutbar gewesen, die Unterkunftskosten zu reduzieren; aus
tatsächlichen und gesundheitlichen Gründen sei ein Umzug nicht möglich
gewesen.
9
Entscheidungsgründe: 1. Die Revision der Beklagten
ist zulässig. Die Zulässigkeit scheitert insbesondere nicht an einer
mangelnden Beteiligtenfähigkeit der Beklagten (§ 70 Sozialgerichtsgesetz
[SGG]). Abgesehen davon, dass schon wegen der Verurteilung der
Beklagten durch das LSG für das Revisionsverfahren ohnedies von einer
Beteiligtenfähigkeit ausgegangen werden muss, sind die nach § 44b SGB II
in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (dazu Senatsurteil vom 7.
November 2006 - B 7b AS 6/06 R) gebildeten Arbeitsgemeinschaften
zumindest nach § 70 Nr 2 SGG beteiligtenfähig, wenn sie nicht bereits
als juristische Person § 70 Nr 1 SGG unterfallen (vgl dazu näher
Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06
R).
10
Die Revision ist auch im Sinne der Aufhebung der
Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG
begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der vom LSG geäußerten
Rechtsansicht, die Klägerin könne sich ab 1. Januar 2005 in jedem Falle
gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II für sechs Monate auf die Unzumutbarkeit
eines Wohnungswechsels berufen, ist nicht zu folgen (dazu unter 6). Es
fehlen jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) für
eine abschließende Entscheidung darüber, ob der Klägerin und ggf ihrem
Ehemann höhere Leistungen nach dem SGB II zustehen (dazu unter 4). Dabei
ist insbesondere die Angemessenheit der Unterkunftskosten zu beurteilen
(dazu unter 7).
11
2. Streitgegenstand des
Revisionsverfahrens ist lediglich der Bescheid vom 17. Dezember 2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2005 (§ 95 SGG). Nur
über diesen Bescheid hat das LSG befunden, und die Nichteinbeziehung
weiterer Bescheide ist im Revisionsverfahren nicht gerügt worden.
Ohnedies werden Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume - anders als im
Arbeitsförderungsrecht - regelmäßig nicht in analoger Anwendung des §
96 SGG Gegenstand bereits laufender Klageverfahren (s dazu näher BSG,
Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R). In der Sache ist damit
nur über höhere Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005
zu befinden.
12
Zweifelhaft ist vorliegend, ob der
Klageantrag und die ergangenen Entscheidungen des SG sowie des LSG nicht
so auszulegen sind, dass nicht nur die Klägerin, sondern auch ihr
Ehemann im vorliegenden Verfahren als Kläger anzusehen ist und die
ergangenen Entscheidungen auch seine Ansprüche betreffen (vgl dazu näher
BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R). Im Hinblick auf die
besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II
verbunden sind, ist hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine
großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30. Juni 2007
erforderlich (vgl BSG aaO). Da die Sache ohnedies aus anderen Gründen an
das LSG zurückzuverweisen ist und damit das Verfahren in den früheren
Stand zurückversetzt wird, kann die Entscheidung hierüber dem LSG
überlassen bleiben.
13
Keinesfalls jedoch kann dem LSG dahin
gefolgt werden, dass die Klägerin in Prozessstandschaft für ihren
Ehemann dessen Ansprüche mit geltend gemacht hat. Für eine gesetzliche
Prozessstandschaft ist kein Raum (BSG aaO), und die Voraussetzungen
einer gewillkürten Prozessstandschaft liegen nicht vor; ihrer Annahme
bedarf es zudem nicht (BSG aaO). Bei den Mitgliedern einer
Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger iS des
§ 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), weil sie nicht berechtigt sind,
als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu
verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber
eigener Ansprüche (BSG aaO). Unhaltbar ist schließlich auch die Annahme
einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft -
wie vom LSG angenommen. Wäre eine Gesamtgläubigerschaft anzunehmen,
könnte vielmehr jeder Gesamtgläubiger die Gesamtleistung als eigenen
Anspruch - nicht für den anderen - geltend machen.
14
Dahinstehen
kann außerdem, ob vorliegend eine Beschränkung des Streitgegenstandes
auf die Kosten der Unterkunft und der Heizung vorgenommen worden ist
(vgl zu dieser Möglichkeit BSG aaO). Auch die Entscheidung hierüber kann
dem LSG vorbehalten bleiben, weil die Sache ohnedies - selbst bei
Annahme einer Beschränkung des Streitgegenstandes und einer Klage nur
der Klägerin - nicht abschließend beschieden werden könnte. Auch unter
Annahme beider Voraussetzungen stünde nämlich nicht fest, ob der
Klägerin höhere als die zugebilligten Ansprüche zustehen.
15
3.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer
Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war die Berufung der
Klägerin gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig; der Beschwerdewert von
500, - EUR ist überschritten. Da eine Beschränkung des
Streitgegenstandes lediglich auf die Kosten der Unterkunft, also ohne
die Heizungskosten, nicht möglich ist (BSG, aaO) und das SG
Unterkunftskosten in Höhe von 330, - EUR (statt 310, - EUR) zuzüglich
Heizungskosten in Höhe von 52, - EUR zugebilligt hat, die Klägerin
jedoch die Übernahme der vollen Kosten in Höhe von 550, - EUR begehrt,
ist der Einwand der Beklagten nicht nachvollziehbar, die Berufungssumme
sei nicht erreicht. Die Berufung der Beklagten indes ist unter
Berücksichtigung der vorstehenden Berechnung mangels Erreichens der
erforderlichen Berufungssumme unzulässig. Sie kann damit lediglich als
Anschlussberufung gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 524
Zivilprozessordnung (ZPO) gewertet werden (vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 47,
insoweit nicht abgedruckt). Nach der Zurückverweisung der Sache an das
LSG ist damit das LSG auch berechtigt, das Urteil des SG zu Lasten der
Klägerin abzuändern.
16
4. Ob die Beklagte dem Grunde nach (§
130 SGG) verpflichtet ist, höhere Alg-II-Leistungen zu erbringen, kann
nicht beurteilt werden. Die Entscheidung darüber bedarf einer so
umfassenden Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und - da
vorliegend ein Grundurteil im Rahmen eines Höhenstreits ergehen soll (s
zur Zulässigkeit Eicher in Kasseler Handbuch des
Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 11 mwN) - der Höhe nach, dass
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein höherer Leistungsanspruch
angenommen werden kann (Eicher aaO). Diesen Anforderungen genügt eine
Entscheidung - wie vorliegend die des LSG - nicht, die sich auf die
Feststellung einzelner Elemente des Anspruchs beschränkt (Eicher aaO).
Vorliegend fehlen Feststellungen zur Höhe der Heizungskosten und deren
Angemessenheit ebenso wie zu den sonstigen Nebenkosten. Ob bzw inwieweit
die Klägerin und ihr Ehemann, mit dem sie in einer Bedarfsgemeinschaft
lebt (§ 7 Abs 3 Nr 1 und 3 SGB II in der Fassung, die die Norm durch das
Kommunale Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 - BGBl l 2014 - erhalten hat)
Vermögen besitzen, ist ebenfalls nicht festgestellt. Das Urteil des LSG
enthält nicht einmal Angaben darüber, in welcher Höhe der Ehemann der
Klägerin Einkommen in Form der Erwerbsminderungsrente bezieht. Damit
aber ist die Hilfebedürftigkeit der Klägerin als generelle
Anspruchsvoraussetzung für alle Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs 1
Satz 1 SGB II) nicht beurteilbar. Es besteht deshalb zum gegenwärtigen
Zeitpunkt keine Notwendigkeit, zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der
Regelbedarfe des SGB II bzw zu den anzuerkennenden Bedarfen außerhalb
von Unterkunft und Heizung Stellung zu nehmen.
17
Auf das
genaue Einkommen des Ehemannes der Klägerin kommt es vorliegend auch
deshalb an, weil davon nicht nur die Hilfebedürftigkeit der Klägerin
abhängig ist, sondern auch, ob der Ehemann der Klägerin selbst als
Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs 2 S 1 SGB II iVm § 9 Abs 2
Satz 3 SGB II (hier in der ursprünglichen Fassung der Norm durch das 4.
Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember
2003 - BGBl I 2954) einen Anspruch nach dem SGB II besitzt, und zwar
auch dann, wenn er selbst individuell nicht hilfebedürftig ist (vgl dazu
BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R). Danach gilt jede
Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum
Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn nicht der gesamte Bedarf der
Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist. Die Hilfebedürftigkeit des individuell
nicht Bedürftigen wird durch diese Regelung, die auch für
Sozialgeldempfänger iS des § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II Anwendung findet, in
verfassungsrechtlich zulässiger Weise (BSG aaO) fingiert; § 9 Abs 2 S 3
SGB II greift nicht, wenn der Ehemann der Klägerin nicht nach dem SGB
II leistungsberechtigt ist (BSG aaO). Allerdings setzt die Annahme einer
Bedarfsgemeinschaft zumindest bei einem der Hilfebedürftigen
Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs 1 bis 3, § 8, § 28 SGB II) voraus, soweit
nicht nach § 44a SGB II Erwerbsfähigkeit fingiert wird (dazu unter 5).
18
5.
Ob der Ehemann der Klägerin erwerbsfähig ist, steht nicht sicher fest.
Zwar hat das LSG aufgeführt, er beziehe eine Erwerbsminderungsrente.
Dies besagt jedoch noch nichts darüber, ob er erwerbsunfähig iS des SGB
II ist, und zwar insbesondere deshalb, weil der
rentenversicherungsrechtliche Begriff nicht identisch sein muss mit dem
des SGB II (vgl: Rixen, info also 2006, 153, 157 f; Blüggel in
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 8 RdNr 30; Brühl in LPK-SGB II, § 8 RdNr
20). Selbst wenn er nicht erwerbsfähig ist iS des § 8 SGB II oder nach §
44a Satz 3 SGB II so zu behandeln wäre (dazu später), könnte er indes
einen Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II (hier in der
Fassung, die die Norm durch das Kommunale Optionsgesetz erhalten hat)
besitzen, soweit er nicht einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 41 ff
SGB XII hat. Danach erhalten zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter
und bei dauerhafter Erwerbsminderung Personen mit gewöhnlichem
Aufenthalt im Inland, die - soweit vorliegend einschlägig - das 18.
Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen
Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS des § 43 Abs 2 SGB VI sind und
bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben
werden kann, auf Antrag die Leistungen der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung nach diesem Kapitel des SGB XII. Ob der Ehemann der
Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt, kann nach den Feststellungen
des LSG nicht beurteilt werden. Jedenfalls ist der Argumentation der
Beklagten nicht zu folgen, ein Leistungsanspruch nach § 28 Abs 1 Satz 1
SGB II scheide schon deshalb aus, weil der Ehemann der Klägerin, wenn er
bedürftig wäre, einen Anspruch nach § 41 SGB XII hätte. Für eine
derartige Auslegung bietet der Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkte
(vgl demgegenüber § 21 SGB XII: "dem Grunde nach leistungsberechtigt").
Vielmehr sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 41 SGB XII im Einzelnen
zu prüfen. Sinn des Leistungsausschlusses für Leistungsberechtigte des §
41 SGB XII ist es, den Berechtigten möglichst nicht zwei Systemen zur
Sicherung des Existenzminimums zu unterstellen. Ob zu den
Anspruchsvoraussetzungen auch der Antrag gehört (vgl Brühl/Schoch in
LPK-SGB XII, § 41 RdNr 21), bedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
keiner Entscheidung, weil es möglicherweise an der Bedürftigkeit
mangelt; das LSG wird dies ggf jedoch zu entscheiden haben.
19
Ebenso
wenig steht für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft die
Erwerbsfähigkeit der Klägerin fest. Allerdings ist von ihrer
Erwerbsfähigkeit für den streitigen Zeitraum nach § 44a S 3 SGB II (hier
in der Fassung, die die Norm durch das Kommunale Optionsgesetz erhalten
hat) auszugehen. Danach hat die Beklagte in Wahrnehmungszuständigkeit
für die Leistungsträger des SGB II (§ 44b Abs 3 SGB II; s dazu auch das
Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 20) bis zu
einer Entscheidung der Einigungsstelle über die Erwerbsfähigkeit
Leistungen zu erbringen. § 44a S 3 SGB II (in der Normfassung des
Kommunalen Optionsgesetzes) enthält nämlich nicht die Anordnung einer
vorläufigen Leistung (so aber: Berlit in LPK-SGB II, § 44a RdNr 20;
Hoehl, juris PraxisKommentar SGB II, § 44a RdNr 21; Vor in Estelmann,
SGB II, § 44a RdNr 16 ff, Stand Februar 2005; Hänlein in Gagel, SGB III
mit SGB II, § 44a RdNr 6, Stand Oktober 2005), sondern eine
Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Sozialgesetzbuch
Drittes Buch - Arbeitsförderung - [SGB III] (Blüggel in
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a RdNr 23; ders, SGb 2005, 377, 380;
Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II. 14 RdNr 33, Stand August
2006; ders, ZfSH/SGB 2004, 98, 101; Chojetzki, DRV 2004, 513, 523).
20
Dies
legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe, ergibt sich jedoch
letztlich aus Sinn und Zweck der Regelung. § 44a SGB II soll verhindern,
dass sich der Streit über die Erwerbsfähigkeit eines Hilfebedürftigen
für diesen so auswirkt, dass er weder von den Leistungsträgern des SGB
II noch denen des SGB XII Leistungen erhält. Denn ist ein
Hilfebedürftiger erwerbsfähig, fällt er in die Zuständigkeit des SGB II,
ist er nicht erwerbsfähig, in die des SGB XII. Damit der
Hilfebedürftige, bildlich gesprochen, nicht "zwischen zwei Stühlen
sitzt", darf die in § 44a SGB II angeordnete Regelung der Zahlung von
Alg II durch die Träger des SGB II nicht erst einsetzen, wenn zwischen
den Leistungsträgern des SGB II und des SGB XII tatsächlich Streit über
das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit besteht. Vielmehr muss § 44a Satz 3
SGB II mit seiner endgültigen Zahlungspflicht der Leistungsträger des
SGB XII bis zur Entscheidung der Einigungsstelle auch für den Fall
gelten, dass die Leistungsträger des SGB II von einer fehlenden
Erwerbsfähigkeit ausgehen, sich aber nicht um eine Klärung der
Angelegenheit mit dem zuständigen Leistungsträger des SGB XII bemüht
haben (Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a RdNr 15; ders, SGb
2005, 377, 379). Wie bei § 125 SGB III (s dazu Behrend in
Eicher/Schlegel, SGB III, § 125 Rz 32 f, Stand August 2004) erwächst
dies aus der Pflicht zur engen Zusammenarbeit beider Leistungsträger (§
86 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - [SGB X]); dadurch wird die Rechtsposition des
Leistungsempfängers - anders als bei Annahme einer nur vorläufigen
Leistung (s zur fehlenden Bindungswirkung für die endgültige Leistung:
Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 Rz 47 und 60, Stand August
2003 bzw 2006 mwN) - angemessen geschützt. Der Hilfebedürftige ist auf
diese Weise nicht nur bei einem schon bestehenden Streit zwischen den
Leistungsträgern bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle nach
deren Anrufung, sondern bereits im Vorfeld so zu stellen, als wäre er
erwerbsfähig. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung darf die
Beklagte fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen, ohne den zuständigen
Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben. Vorliegend ist deshalb von
einer Erwerbsfähigkeit der Klägerin und damit auch von einer
Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit ihrem Ehemann im Sinne des SGB II
auszugehen. Ob der Ehemann jedoch einen Anspruch auf Sozialgeld nach §
28 Abs 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs 2 Satz 3 SGB III oder
bei Erwerbsfähigkeit sogar einen eigenen Anspruch auf Alg II besitzt,
muss das LSG noch näher prüfen und dann ggf, um dem wahren Begehren der
Klägerin Rechnung zu tragen, den Ehemann in das Verfahren "als weiteren
Kläger" einzubeziehen haben (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b
AS 8/06 R - RdNr 11).
21
Die obigen Ausführungen zu § 44a
Satz 3 SGB II können indes nach Sinn und Zweck der Regelung nicht für
den Ehemann der Klägerin gelten, wenn dieser etwa wegen fehlender
Bedürftigkeit iS von § 41 Abs 2 SGB XII keinen Anspruch nach § 41 SGB
XII hat. Im Hinblick auf § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II kann ihm dennoch ein
Anspruch nach dem SGB II, sei es auf Alg II bei Erwerbsfähigkeit, sei es
auf Sozialgeld bei Erwerbsunfähigkeit zustehen. Einer Abstimmung mit
dem Sozialhilfeträger bedarf es dann nicht. Im Sinne einer
teleologischen Reduktion der Norm ist die Beklagte dann alleine befugt,
über die Erwerbsfähigkeit zu entscheiden. Eine Notwendigkeit zur
Einschaltung des Rentenversicherungsträgers vor dieser Entscheidung ist
nicht erforderlich (Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a RdNr
16). Es besteht auch keine Veranlassung, die Beklagte an die
Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, dass volle Erwerbsminderung
vorliege, zu binden. Nimmt die Beklagte gleichwohl Erwerbsfähigkeit
nach § 8 SGB II an, kann dies dem Leistungsempfänger nicht zum Nachteil
gereichen. Er gerät gerade nicht in die Situation, dass keiner der
Leistungsträger Leistungen erbringen will.
22
6. Ob der
Klägerin alleine oder der Klägerin und ihrem Ehemann höhere Leistungen
zustehen, beurteilt sich ua nach § 22 Abs 1 SGB II (hier in der
ursprünglichen Fassung der Norm durch das 4. Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Danach werden Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die
Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang
übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen
oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem
allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht
möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch
Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel
jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2). Dem geltend gemachten
Anspruch auf höhere Leistungen nach dieser Norm kann nicht
entgegengehalten werden, die Regelungen des § 44b SGB II bzw des § 6 Abs
1 SGB II (in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes) über die
Einbindung der kommunalen Leistungsträger bzw der Arbeitsgemeinschaften
in das Leistungssystem des SGB II seien verfassungswidrig. Eine solche
Verfassungswidrigkeit hält der Senat nicht für gegeben (BSG, Urteil vom
7. November 2006 - B 7b AS 6/06 R). Auf die Frage, wer im Falle der
Verfassungswidrigkeit der Norm die Leistungen zu erbringen hätte, kommt
es damit nicht an.
23
Nicht gefolgt werden kann der Ansicht
des LSG, dass, gestützt auf § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II, - gewissermaßen iS
einer Automatik - der Klägerin bereits deshalb die gesamten
tatsächlichen Aufwendungen, selbst wenn sie unangemessen wären, zu
gewähren waren, weil die Beklagte die Klägerin und ihren Ehemann nicht
vorweg selbst auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen
hat, sondern bei ihrem Vorgehen an die entsprechende Information des
Sozialhilfeträgers im Jahre 2004 angeknüpft hat. Entgegen der Ansicht
des LSG war insoweit auch keine Übergangsregelung wie etwa in § 65e SGB
II (hier in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes) erforderlich. §
22 Abs 1 Satz 2 SGB II enthält lediglich eine Zumutbarkeitsregelung, die
es verhindern soll, dass der Leistungsberechtigte nicht sofort (bei
Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen werden soll, seine bisherige
Wohnung aufzugeben (Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II. 8
RdNr 50, Stand März 2006; vgl auch BVerwGE 2, 1, 3, und
Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 9. April 1997 - 5c 2/96 -,
ZfSH/SGB 1998, 44, 45). Schutzbedürftig sind danach insbesondere solche
Personen, die bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits in einer
unangemessenen Wohnung leben bzw bei denen die Unterkunftskosten während
des Leistungsbezugs - zB durch eine Mieterhöhung - unangemessen werden.
Wenn der Leistungsbezieher allerdings bereits während des Bezugs von
Sozialhilfe durch den früheren Sozialleistungsträger auf die
unangemessenen Kosten aufmerksam gemacht wurde, ist dem genannten
Schutzzweck Genüge getan (aA Kolf, SozSich 2005, 203, 206 f). Eine
erneute "Schonfrist" von sechs Monaten, beginnend mit dem 1. Januar
2005, entspricht mithin nicht der Ratio des Gesetzes. War die
Information des Sozialhilfeträgers im Jahre 2004 über die
Unangemessenheit der Unterkunftskosten zureichend (hierzu unter ,
besitzen die Klägerin und ihr Ehemann kein schutzwürdiges Vertrauen
mehr. Dies gilt umso mehr, als seit dem Schreiben des Sozialhilfeträgers
bis zum 1. Januar 2005 nur etwas mehr als sechs Monate verstrichen
waren. Dass die Klägerin und ihr Ehemann nach diesem Schreiben des
Sozialhilfeträgers eine neue Wohnung in einem anderen Wohnort mit wohl
höheren Kosten als in der früheren Wohnung bezogen haben (dazu unter , ist insoweit allein nicht ausschlaggebend.
24
7.
Entscheidend kommt es mithin darauf an, ob die tatsächlichen Kosten für
Unterkunft (und auch für Heizung) nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II
angemessen waren. Die Prüfung der Angemessenheit setzt eine
Einzelfallprüfung voraus, für die die für die Bemessung des Wohngeldes
bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG
keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert
Berücksichtigung finden können, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten
erschöpft sind (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R). Für
die Angemessenheit einer Unterkunft ist vielmehr zunächst deren
maßgebliche Größe zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der
Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen
Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus
(vorliegend für 2 Personen bis zu 65 qm; Wohnraumförderbestimmung 2003
des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11. November 2002 -
All MBl Nr 14/2002 - S 971). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen,
wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren
Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als
Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. In
Einzelfällen sind bei kleinen Gemeinden größere, bei Großstädten
kleinere räumliche Bereiche denkbar (s auch BSG, Urteil vom 7. November
2006 - B 7b AS 18/06 R). Insoweit kommt es letztlich darauf an, dass das
Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete
niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte
Produkttheorie, vgl BSG aaO; Berlit in LPK-SGB II, § 22 RdNr 32). Gibt
es - insbesondere in Kleinst-Gemeinden - keinen Wohnungsmarkt, muss auf
größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Diese sind so zu wählen,
dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers
auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen
wird.
25
Selbst wenn die Wohnung der Klägerin nach den
vorbezeichneten (abstrakten) Maßstäben unangemessen wäre, muss das LSG
danach im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung feststellen, ob
für die Klägerin eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere
Wohnung konkret verfügbar und zugängig war (Senatsurteil vom 7. November
2006 - B 7b AS 18/06 R). Bei nicht angemessenen Unterkunftskosten ist
in jedem Fall der Teil der Unterkunftskosten zu zahlen, der im Rahmen
der Angemessenheit liegt. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwGE 101, 194, 197; 92, 1, 5) zu § 3 Abs 1 Satz 1 und 2
Regelsatzverordnung, wonach in diesen Fällen die Übernahme eines Teils
der Kosten dem Bedarfsdeckungsprinzip widerspräche und damit überhaupt
keine Kosten der Unterkunft geleistet würden
("Alles-oder-Nichts-Prinzip"), ist nach dem Wortlaut der Norm des § 22
Abs 1 SGB II ("soweit") nicht zu folgen (vgl Berlit in LPK-SGB II, § 22
RdNr 42; Berlit in Rothkegel, Sozialhilferecht 2005, Teil III, Kap 10,
RdNr 48, 56; Mrozynski, aaO, II. 8 RdNr 51, 52, Stand März 2006; Lang in
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 RdNr 61; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB
II, K § 22 RdNr 19, Stand November 2004; Rothkegel in Gagel, SGB III mit
SGB II, § 22 RdNr 29, 38, Stand Dezember 2005).
26
Bestimmt
sich mithin der Wohnstandard nach dem konkreten Wohnort, kann im
Regelfall ein Umzug in eine andere Wohngemeinde auch dann nicht verlangt
werden, wenn sich dort ein niedrigerer Vergleichsmaßstab ergäbe als am
Wohnort, weil Hilfebedürftigen eine Aufgabe ihres sozialen Umfeldes
grundsätzlich nicht zuzumuten ist. Dass der Maßstab der Angemessenheit
der aktuelle Wohnort ist, gilt auch dann, wenn - wie hier - während des
Leistungsbezugs nach dem SGB II bzw vor dessen Inkrafttreten nach dem
BSHG ein Wohnungswechsel in einen anderen Wohnort stattgefunden hat.
Auch dann misst sich also die Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht
an den für den früheren Wohnort geltenden Bedingungen, sondern denen
des neuen Wohnortes. Dem Hilfebedürftigen ist im Rahmen des § 22 Abs 1
SGB II in der Regel eine freie Wohnortwahl zuzubilligen (Ausnahme:
außergewöhnlich hohe Unterschiede zwischen den jeweiligen
Angemessenheitsmaßstäben oder Missbrauch), die eine Prüfung der
Erforderlichkeit des Umzugs jedenfalls für die Angemessenheit der
Unterkunfts- und Heizungskosten anders als für die Wohnbeschaffungs- und
Umzugskosten (§ 22 Abs 3 SGB II) nicht verlangt. Dem steht nicht die
Entscheidung des BVerwG vom 17. November 1994 (BVerwGE 97, 110 ff)
entgegen, die die Übernahme angemessener Kosten nach einem Umzug während
des Sozialhilfebezugs in eine teurere Unterkunft als vor dem Umzug
unter bestimmten Voraussetzungen ablehnt. Diese Entscheidung spricht im
Gegenteil sogar für die gewonnene Auslegung. Sie wird lediglich mit § 3
Abs 2 Satz 3 BSHG begründet, wonach auf Wünsche des Leistungsempfängers
nur unter dem Vorbehalt Rücksicht zu nehmen ist, dass sie keine
unverhältnismäßigen Kosten verursachen; grundsätzlich wird jedoch das
Wahlrecht akzeptiert. Das SGB II enthält demgegenüber keine § 3 Abs 2
Satz 3 BSHG (vgl auch § 9 Abs 2 SGB XII) entsprechende Regelung.
27
Bestätigt
wird dieses Ergebnis durch die Änderung des § 22 Abs 1 SGB II durch das
Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom
20. Juli 2006 (BGBl I 1706) mit Wirkung ab 1. August 2006. Nach dessen
neuem Satz 2 des Abs 1 werden nach einem nicht erforderlichen Umzug
Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen
erbracht, wenn sich nach dem Umzug die angemessenen Aufwendungen für
die Unterkunft und Heizung erhöhen. Es kann dahinstehen, ob diese
Regelung mit Rücksicht auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/1410, S
23 zu Nr 21 Buchst a) möglicherweise nur für einen Wohnungswechsel
innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen
örtlichen Bereichs, also üblicherweise innerhalb des jeweiligen
Wohnorts, gilt; jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten dieser
Neuregelung kann ihr keine Einschränkung für einen Umzug in einen neuen
Wohnort dergestalt entnommen werden, dass die Unterkunftskosten, wenn
sie sich im Rahmen des neuen Wohnorts als angemessen zeigen, gleichwohl
unangemessen sind, wenn sie sich nicht innerhalb des für den früheren
Wohnort geltenden Angemessenheitsrahmens halten. Die in § 22 Abs 2 SGB
II vorgesehene Zusicherung zu den Aufwendungen vor dem Umzug in eine
Wohnung ist im Gegensatz zu der des Abs 3 keine Anspruchsvoraussetzung
(Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 RdNr 66 f; Berlit in LPK-SGB
II, § 22 RdNr 53; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 24, Stand
Oktober 2004; Rothkegel in Gagel, SGB III mit SGB II, § 22 RdNr 52,
Stand Dezember 2005; Söhngen in juris PraxisKommentar SGB II, § 22 RdNr
37). Dass § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II eine Prüfung des Umzugs auf dessen
Erforderlichkeit vorschreibt, widerspricht nicht dem angenommenen Recht
auf freie Ortswahl. Diese Prüfung ist nur Voraussetzung für die Pflicht
zur Erteilung der Zusicherung, die ansonsten im Ermessen des
Leistungsträgers/der Arbeitsgemeinschaft steht. Die Rechtsprechung des
BVerwG zur Zusicherung im Rahmen des BSHG (vgl etwa BVerwGE 107, 239 ff)
ist nicht einschlägig. Die dortige Rechtslage war nicht identisch mit
der des § 22 SGB II (nicht differenzierend Berlit, NDV 2006, 5, 14).
28
Bei
der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten der Klägerin am
neuen Wohnort wird das LSG insbesondere zu beachten haben, dass § 22 Abs
1 SGB II dem Hilfebedürftigen nur eine Wohnung mit bescheidenem
Zuschnitt zugesteht. Die Kosten für eine Garage sind deshalb regelmäßig
nicht zu übernehmen, es sei denn, die Wohnung ist ohne Garage nicht
anmietbar und der Mietpreis hält sich bei fehlender "Abtrennbarkeit" der
Garage noch innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den
maßgeblichen Wohnort (Berlit, NDV 2006, 5, 12). Ist dies nicht der Fall,
muss das LSG feststellen, ob der Klägerin eine andere, bedarfsgerechte
und kostengünstigere Unterkunft zur Verfügung gestanden hätte.
29
8.
Gelangt das LSG zur Erkenntnis, dass die von der Klägerin und ihrem
Ehemann bezogene Wohnung nach dem am Wohnort geltenden Maßstab abstrakt
und konkret unangemessen ist, ist die Zumutbarkeit eines (erneuten)
Umzugs zu beurteilen. Erst dabei gewinnt das Informationsschreiben des
Sozialhilfeträgers vom 3. Juni 2004 Bedeutung. Bei derartigen
Informationsschreiben handelt es sich sowohl im Recht der Sozialhilfe
als auch in dem der Grundsicherung für Arbeitsuchende inhaltlich nicht
um Verwaltungsakte (Berlit, NDV 2006, 5, 13; Rothkegel in Gagel, SGB III
mit SGB II, § 22 RdNr 45, Stand Dezember 2005; Wahrendorf, SozSich
2006, 134, 138; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 29 RdNr 34; ggf
kann es sich um einen unzulässigen Form-Verwaltungsakt handeln). Für den
Erlass eines Verwaltungsakts besteht keine gesetzliche Grundlage: Eine
Kostensenkungsaufforderung bzw eine Information ist weder in § 22 SGB II
normiert noch sonst formelle Voraussetzung für die Weigerung, mehr als
die angemessenen Kosten zu übernehmen. Der Hinweis hat vielmehr alleine
Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über
die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die
Unterkunft und ggf die Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage
erhält (Berlit, NDV 2006, 5, 13; vgl auch Rothkegel aaO). Sind dem
Leistungsempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es
nicht einmal der Aufklärung (Berlit aaO: Offenkundigkeit). Unter diesem
Blickwinkel genügt regelmäßig die Angabe des angemessenen Mietpreises;
dieser ist nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur
Beurteilung der Angemessenheit. Vorliegend hat der Sozialhilfeträger
darüber hinaus der Klägerin und ihrem Ehemann sogar die Wohnungsgröße
und die für angemessen erachteten Nebenkosten benannt.
30
Die
vom Senat in anderem Zusammenhang (zu § 119 SGB III) aufgestellten
Anforderungen an die Konkretisierung der vom Gesetz verlangten
Eigenbemühungen eines Arbeitslosen (vgl BSGE 95, 176 ff = SozR 4-4300 §
119 Nr 3) sind auf die Rechtslage des § 22 Abs 1 SGB II wegen der
unterschiedlichen Funktionen der Informationenpflichten und der
ungleichen rechtlichen Regelungen nicht übertragbar. Nach § 22 Abs 2 SGB
II soll sich der Leistungsempfänger ohnedies zwecks Zusicherung an den
Leistungsträger wenden; Einzelfragen können dabei genauer abgeklärt
werden. Wählt der Leistungsempfänger - wie vorliegend - einen anderen
Wohnort, kann von vornherein eine den neuen Wohnort betreffende
Information von Amts wegen nicht verlangt werden. Hier genügt es, wenn
der Leistungsempfänger weiß, dass er gewisse Angemessenheitsgrenzen
einzuhalten hat. Wie diese sich gestalten, muss er dann selbsttätig im
Rahmen des nach § 22 Abs 2 SGB II vorgesehenen Zusicherungsverfahrens
eruieren. Schon aus diesem Grund können sich die Klägerin und ggf ihr
Ehemann nicht auf eine fehlerhafte oder unvollständige Information des
Sozialhilfeträgers berufen. Nicht entscheidungserheblich ist deshalb
vorliegend auch, dass die Information über die Unangemessenheit der
Wohnung im Rahmen einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft durchaus einer
einzigen Person zugeleitet werden darf. Typisierend kann davon
ausgegangen werden, dass dieses Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die
entsprechende Information an die anderen Mitglieder weitergibt.
Umständen des Einzelfalls kann im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung bei
dem einzelnen Anspruchsinhaber Rechnung getragen werden (so im Ergebnis
auch Berlit, NDV 2006, 5, 15).
31
9. Sollte das LSG bei seinen
weiteren Ermittlungen zur Erkenntnis gelangen, dass der Ehemann der
Klägerin trotz bestehender Bedarfsgemeinschaft gemäß § 28 Abs 1 Satz 1
SGB II nicht leistungsberechtigt ist, bedürfte es seiner Einbeziehung in
das Verfahren nicht. In diesem Falle wäre auch nicht § 9 Abs 2 Satz 3
SGB II anwendbar, weil der Ehemann dann nicht mehr nur - in rechtlich
zulässiger Weise - fiktiv, sondern auch - rechtswidrig - tatsächlich zum
Bedürftigen würde (dazu das Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS
8/06 R - RdNr 13). Das LSG wird schließlich die Rundungsvorschrift des §
41 Abs 2 SGB II zu beachten und über die Kosten des Revisionsverfahrens
zu befinden haben.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=64144
Gruß Willi S
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» Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters ist rechtswidrig, wenn kein Dialog mit den Hilfebedürftigen über die Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft geführt wurde(vgl. u.a. BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - ).
» Jobcenter argumentiert - Für die Gewährung eines Mehrbedarfs auf Behinderung nach § 21 Abs. 4 SGB II sei ein Bezug zwischen der absolvierten Maßnahme und der bestehenden Behinderung erforderlich
» BSG: Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II Bundessozialgericht - B 14 AS 58/09 R - Urteil vom 17.06.2010
» Wenn nach Haftentlassung ein Umzug in eine neue Wohnung erfolgt und die Zahlung der Mietkaution fällig ist, wäre eine Zusicherung nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II ein überflüssiger Zwischenschritt.
» Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters ist rechtswidrig, wenn kein Dialog mit den Hilfebedürftigen über die Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft geführt wurde(vgl. u.a. BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - ).
» Jobcenter argumentiert - Für die Gewährung eines Mehrbedarfs auf Behinderung nach § 21 Abs. 4 SGB II sei ein Bezug zwischen der absolvierten Maßnahme und der bestehenden Behinderung erforderlich
» BSG: Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II Bundessozialgericht - B 14 AS 58/09 R - Urteil vom 17.06.2010
» Wenn nach Haftentlassung ein Umzug in eine neue Wohnung erfolgt und die Zahlung der Mietkaution fällig ist, wäre eine Zusicherung nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II ein überflüssiger Zwischenschritt.
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