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Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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Umzugszwang und selbgenutztes Wohneigentum ALG II Herbert Masslau Alg II: Umzugszwang und selbgenutztes Wohneigentum

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Beitrag von Willi Schartema Do Jul 05, 2012 3:04 pm

4. März 2007)

Vorbemerkung

In diesem Artikel geht es ausschließlich um die Frage der „Angemessenheit“ von selbstgenutztem Wohneigentum.

Der Artikel zum Thema „Angemessenheit“ von Mietwohnraum findet sich hier.

Unter
selbstgenutztem Wohneigentum werden Eigenheime (im Fachjargon:
selbstgenutztes Hausgrundstück) und Eigentumswohnungen verstanden.

Wie
schon die vor dem 1. Januar 2005 geltende Arbeitslosenhilfe-Verordnung
(§ 1 Abs. 3 Nr. 5 AlhiV 2002) so bestimmt auch § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II,
daß „ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder
eine entsprechende Eigentumswohnung“ nicht bei der Vermögensverwertung
zu berücksichtigen ist (sogenanntes Schonvermögen).

Dabei wurde
sich in der Vergangenheit auf das 2001 außer Kraft getretene Zweite
Wohnungsbaugesetz (2. WoBauG) bezogen, welches Größen vom 130 m² für
Eigenheime und 120 m² für Eigentumswohnungen als „angemessen“ ansah:

„Zur
Bestimmung der angemessenen Größe sind bislang die Wohnflächengrenzen
des § 39 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 3 iVm Abs 2 des 2. WoBauG herangezogen
worden, wenn es sich um einen Zeitraum handelte, in dem diese Vorschrift
noch in Kraft war (…). Nach § 39 Abs 1 Satz 1 des 2. WoBauG sollte mit
öffentlichen Mitteln ‚nur der Bau von angemessen großen Wohnungen
innerhalb der nachstehenden Grenzen gefördert werden: 1. Familienheime
mit nur einer Wohnung - 130 qm, ... 3. eigengenutzte Eigentumswohnungen
und Kaufeigentumswohnungen - 120 qm’. Überschreitungen von 20 qm pro
Person waren insbesondere möglich, soweit die Mehrfläche zu einer
angemessenen Unterbringung eines Haushalts mit mehr als vier Personen
erforderlich war (vgl § 82 Abs 3 Satz 1 2. WoBauG).“ [BSG, Urteil vom 7.
November 2006, Az.: B 7b AS 2/05 R, Rdnr. 17]

Hernach trat an
Stelle des 2. WoBauG das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) in Kraft, mit
der Folge, daß nun die Bundesländer einzelne Ausführungsbestimmungen
erließen, die stark von einander abwichen. So benennt das
Bundessozialgericht (BSG) in seiner diesem Artikel zu Grunde liegenden
Entscheidung (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 2/05 R)
beispielhaft Bayern mit 70 m² für einen Zwei-Personen-Haushalt,
Niedersachsen mit 90 m² und Baden-Württemberg mit 130 m² (allerdings
ohne Personenzahlbegrenzung) und folgert:

„Die erhebliche
Diskrepanz in den Länderbestimmungen lässt eine Bezugnahme zur Auslegung
des Begriffs der Angemessenheit in § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II nicht
zu. Denn anders als im Rahmen von § 22 Abs 1 SGB II sind bei der
Angemessenheitsprüfung im Rahmen von § 12 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II die
regionalen Verhältnisse kein sachgerechtes Beurteilungskriterium.
Während bei der Übernahme der Unterkunftskosten durch den
Grundsicherungsträger die konkreten Bedingungen des örtlichen
Mietwohnungsmarktes ausschlaggebend sind, weil sie die Höhe der im
konkreten Fall angemessenen Kosten bestimmen, besteht in Bezug auf die
Angemessenheit von Wohneigentum eine vergleichbare Relevanz der
regionalen Verhältnisse gerade nicht.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 20]

„Der
Senat orientiert sich deshalb im Grundsatz weiterhin an den
Wohnflächengrenzen des 2. WoBauG, hält aber eine Differenzierung nach
der Anzahl der Personen für geboten … .“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 21]



Relation SGB II / SGB XII

Das
BSG stellt eine Ungleichbehandlung in der vorliegenden Frage zwischen
Alg II-Empfängerinnen und -Empfängern einerseits und Sozialhilfe
beziehenden Personen andererseits fest:

„Nach dem Wortlaut des §
12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II bezieht sich die Angemessenheit nur auf die
Größe des Hausgrundstücks bzw der Eigentumswohnung.“ [BSG, a.a.O., Rdnr.
14]

„Auf andere wertbildende Faktoren wird auch nach dem
Wortlaut in § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II - im Gegensatz zu § 90 Abs 2
Nr 8 Satz 2 SGB XII - nicht abgestellt (…)“. [BSG, a.a.O., Rdnr. 14]

Das BSG geht dabei davon aus,

„dass
Zweck des Schutzes gerade nicht die Immobilie als Vermögensgegenstand
ist, sondern allein die Erfüllung des Grundbedürfnisses ‚Wohnen’ und die
Funktion der Wohnung als räumlicher Lebensmittelpunkt“ [BSG, a.a.O.,
Rdnr. 15]

und folgert daraus, daß eine Abstellung allein auf die
Wohnungsgröße „sachwidrig“ sei. Vielmehr müsse „stärker auf den Aspekt
der Vermögensverwertung zur Erzielung von Einnahmen für die Bestreitung
der Lebenshaltungskosten abstellt“ werden [BSG, a.a.O., Rdnr. 15]

Und weiter:

„Dieser
Erkenntnis hat der Gesetzgeber im Bereich der Sozialhilfe Rechnung
getragen. Nach § 90 Abs 2 Nr 8 Satz 2 SGB XII bestimmt sich die
Angemessenheit (anknüpfend an § 88 Abs 2 Nr 7 Satz 2 BSHG) nach
differenzierteren, auf die konkreten Lebensverhältnisse und den
wirtschaftlichen Wert der Immobilie abstellenden Kriterien (Zahl der
Bewohner, besonderer Wohnbedarf pflegebedürftiger Menschen>, Grundstücksgröße, Hausgröße, Zuschnitt
und Ausstattung des Wohngebäudes sowie Wert des Grundstücks
einschließlich des Wohngebäudes). Zur Bestimmung der angemessenen Größe
verwies § 88 Abs 2 Nr 7 Satz 3 BSHG zudem bis zum 31. Dezember 2001
ausdrücklich auf die Wohnflächengrenzen des § 39 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und
3, Abs 2 2. WoBauG iVm § 82 2. WoBauG. Der erkennende Senat hat in
seiner letzten Entscheidung zur Bestimmung der Angemessenheit einer
Eigentumswohnung bei der Berücksichtigung von Vermögen im Rahmen der
Alhi zu § 1 Abs 3 Nr 5 AlhiV 2002 angedeutet, dass neben der Größe uU
auch der Wert Berücksichtigung finden könnte (…). Der Gesetzgeber des
SGB II hat sich demgegenüber nicht für eine Harmonisierung der
Verwertungspflicht von selbst genutzten Immobilien im Sozialhilferecht
einerseits und SGB II andererseits entschieden. Die isolierte
Orientierung an der Größe der Immobilie privilegiert den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen gegenüber dem Sozialhilfebezieher, soweit Letzterer
Immobilien von angemessener Größe verwerten muss, wenn deren
wirtschaftlicher Wert dies erfordert. Für eine derartige Privilegierung
ist nach der weitgehenden Annäherung der Leistungssysteme und der Abkehr
von dem der Alhi zu Grunde liegenden Prinzip der
Lebensstandardsicherung (vgl § 12 Abs 3 Satz 2 SGB II) ein
rechtfertigender Grund nur schwer auszumachen (…). Da die Klägerin
jedoch zum Kreis der privilegierten Leistungsbezieher zählt, erübrigt
sich hier eine allgemeine Prüfung auf der Grundlage des Art 3 Abs 1
Grundgesetz (GG).“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 16]

Allerdings trifft das
BSG in seiner hier zu Grunde liegenden Entscheidung eine Modifizierung,
die neben der reinen Größe des selbstgenutzten Wohneigentums auch die
Anzahl der Personen berücksichtigt:

„Verfassungsrechtlich geboten
ist jedoch eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung insoweit,
als sich das BSG zum früheren Recht der Alhi noch nicht festgelegt
hatte, ob bei der Angemessenheit der Größe einer Eigentumswohnung nach
der Zahl der Bewohner zu differenzieren ist oder nicht.“ [BSG, a.a.O.,
Rdnr. 17]

Diese Angleichung der beiden Sozialhilfesysteme SGB XII
und SGB II nimmt das Bundessozialgericht (s.u. Zitat Rdnr. 21)
zumindest in diesem Punkt dann auch vor.



Kriterien der „Angemessenheit“

„Der
Senat orientiert sich deshalb im Grundsatz weiterhin an den
Wohnflächengrenzen des 2. WoBauG, hält aber eine Differenzierung nach
der Anzahl der Personen für geboten … .“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 21]

Dabei stellt hinsichtlich der zu berücksichtigenden Personenzahl das BSG zunächst fest:

„In der Literatur ist die Reduzierung der Wohnfläche bei weniger als vier Personen umstritten … .“

„Im
2. WoBauG selbst (…) fand eine Reduzierung der Grenzwerte bei
geringerer Personenzahl als vier keine Grundlage. Geregelt war dort nur
die Erhöhung von jeweils 20 qm pro Person zur angemessenen Unterbringung
eines Haushalts mit mehr als vier Personen (…). Ein Teil der
Oberverwaltungsgerichte plädierte im Rahmen des § 88 BSHG, der bis zum
Außerkrafttreten des 2. WoBauG eine Bezugnahme von § 39 2. WoBauG
enthielt, für eine Reduzierung um jeweils 20 qm pro Person, sodass bei
Eigentumswohnungen für drei Personen 100 qm, für zwei Personen 80 qm und
für eine Person nur 60 qm als angemessen angesehen wurden (…). Eine
Orientierung an der Bewohnerzahl zur Bestimmung der Angemessenheit einer
Eigentumswohnung hat auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
befürwortet (…). Sie lässt sich nunmehr auch aus Satz 2 des § 90 Abs 2
Nr 8 SGB XII ableiten. Danach bestimmt sich die Angemessenheit (auch)
nach der Zahl der Bewohner (…). Eine Heranziehung dieses Aspektes
erscheint zur Bestimmung der angemessenen Größe einer Eigentumswohnung
auch im Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II geboten, weil
andernfalls die Ungleichheiten bei der Immobilienverwertungspflicht, die
sich aus der unterschiedlichen Fassung der maßgebenden Vorschriften in §
90 Abs 2 Nr 8 SGB XII einerseits und § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II
andererseits ergeben, ein Ausmaß erreichten, das verfassungsrechtlich
nicht mehr hinnehmbar wäre.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 21]

Somit kommt das BSG zu folgendem Ergebnis hinsichtlich der „angemessenen“ Wohnungsgröße in Bezug auf die Personenzahl:

„Entsprechend
der in § 82 Abs 3 Satz 1 2. WoBauG in Bezug genommenen Größe von 20 qm
hält der Senat eine Reduzierung von jeweils 20 qm pro Person - ausgehend
von 120 qm bei einem Haushalt von vier Personen - für sachgerecht. Bei
einer Belegung der Wohnung mit bis zu zwei Personen ist die Grenze
allerdings typisierend auf 80 qm festzusetzen; dh eine weitere
Reduzierung um 20 qm bei Belegung mit nur einer Person kommt im
Regelfall nicht in Betracht.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 22]

Daß das BSG
nicht die Rechtsprechung etwa des OVG Lüneburg (Niedersachsen) mit
einer weiteren Reduzierung auf 60 m² für eine Einzelperson vornahm,
sondern bei 80 m² eine untere Grenze einzog, begründet das BSG wie
folgt:

„Dies erscheint schon aus Gründen der
Verwaltungspraktikabilität geboten, weil andernfalls stets eingehend zu
prüfen wäre, ob sich der Betroffene in einer Lebensphase befindet, in
der eine Änderung der Zahl der Wohnungsnutzer zu erwarten ist oder
jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Überlegung ist im
Übrigen bereits in § 10 Abs 1 Nr 2 WoFG angelegt, wonach bei der
Wohnflächenbestimmung ein nach der Lebenserfahrung in absehbarer Zeit zu
erwartender zusätzlicher Raumbedarf zu berücksichtigen ist. Danach ist
bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen regelmäßig auch bei nur einer
Person eine Wohnfläche von 80 qm als angemessen anzusehen.“ [BSG,
a.a.O., Rdnr. 22]

Damit sind die Kriterien für die „Angemessenheit“ von selbstgenutztem Wohneigentum vorläufig festgelegt.

Aber:

„Die
genannten Grenzwerte können jedoch nicht als quasi normative Größen
herangezogen werden. Es muss Entscheidungsraum für außergewöhnliche, vom
Regelfall abweichende Bedarfslagen im Einzelfall bestehen bleiben (…).
Die angenommenen Werte orientieren sich am ‚Durchschnittsfall’ und
bedürfen beim Vorliegen besonderer Umstände einer Anpassung nach oben,
unter Umständen aber auch nach unten.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 22]



Relation Mietwohnungen / selbstgenutztes Wohneigentum

Wie
erkennbar, liegen die Werte für die Wohnungsgröße bei selbstgenutztem
Wohneigentum (1P.=80m²/2P.=80m²/3P.=100m²/4P.=120m²) deutlich über denen
bei Mietwohnungen (1P.=45-50m²/2P.=60m²/3P.=75m²/4P.=85-90m²).

Diesen Unterschied begründet das BSG wie folgt:

„Die
Heranziehung unterschiedlicher Wohnflächengrenzen zur Festlegung der
Angemessenheit für selbstgenutztes Wohneigentum einerseits und für
Mietwohnungen (vgl hierzu eingehend: Urteil des Senats vom 7. November
2006 - B 7b AS 18/06 R) andererseits wird durch die unterschiedlichen
Ziele, denen die Prüfung der Angemessenheit jeweils dient,
gerechtfertigt und bedeutet auch im Hinblick auf das
Gleichbehandlungsgebot in Art 3 Abs 1 GG keine unzulässige
Besserstellung von Wohnungseigentümern gegenüber Mietern. § 12 Abs 3
Satz 1 Nr 4 SGB II ist eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift
gegenüber dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers (…). Die
Angemessenheitskontrolle im Rahmen von § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II hat
insoweit nicht das Ziel, eine Einstandspflicht des
Grundsicherungsträgers für unverhältnismäßige Unterkunftskosten des
Hilfebedürftigen auszuschließen.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 24]

Allerdings
läßt das BSG durchblicken, was wohl bald kommen wird und nur deshalb
nicht entschieden wurde, weil es der der vorliegenden Entscheidung zu
Grunde liegende Fall nicht hergab:

„Art 3 Abs 1 GG ist dagegen
tangiert, wenn es um die Übernahme der Unterkunftskosten von Mietern
einerseits und Haus- bzw Wohnungseigentümern andererseits geht, etwa im
Hinblick auf die Höhe der Kaltmiete einerseits und der Darlehenskosten
andererseits sowie in Bezug auf Heizungs- und sonstige Nebenkosten. Im
Rahmen der Angemessenheitsprüfung bei § 22 Abs 1 SGB II wird eine
Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht zu rechtfertigen
sein. Nicht zuletzt der Ausschluss der Übernahme von Tilgungsraten (vgl
hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06
R) ist in diesem Zusammenhang zu erörtern.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 24]

Fazit

Damit
ist vorgezeichnet, daß zwar im Rahmen des § 12 SGB II selbstgenutztes
Wohneigentum einerseits als Schonvermögen geschützt ist, andererseits
aber im Rahmen des § 22 SGB II die Kostenübernahme derart reduziert
wird, daß zu erwarten steht, daß viele „Hartz IV“-Empfängerinnen und
-Empfänger ihr selbstgenutztes Wohneigentum unter dem Druck zunehmender
Verschuldung zu veräußern gezwungen sind, obwohl es unter das
Schonvermögen fällt.

http://www.herbertmasslau.de/alg-ii-wohneigentum.html

ALG II: Angemessenes WohneigentumNeue Urteile schützen ALG-II-Bezieher

1. Oktober 2005
Über
die Vermögensanrechnung des Eigenheims und Angemessenheit der
Wohnraumkosten beim Bezug von Arbeitslosengeld II finden Sie umfassende
Information in dieser Rubrik "Wohnen und Familie - Soziales" (Artikel
von Dezember 2004 und Januar 2005). Zur Vermögensanrechnung und
„Angemessenheit“ der Größe eines Hausgrundstücks bzw. einer
Eigentumswohnung liegen zwischenzeitlich zwei Urteile von
Sozialgerichten vor, welche die ALG-II-Bezieher weitestgehend schützen.

Es geht um Wohnfläche …

In
einem vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (AZ.: L 7 AS 2875/05
ER-B) entschiedenen Fall hatte der Leistungsträger von der Klägerin
verlangt, dass diese ihre 120 qm große Eigentumswohnung, die sie mit
ihrem 16-jährigen Sohn bewohnt, verkauft. Für einen 2-Personen-Haushalt
sei eine 80 qm große Wohnung angemessen. Zudem war von der Klägerin
verlangt worden, dass diese ihren Pkw mit einem Zeitwert von knapp
10.000 Euro verkauft.

Nach der Entscheidung des
Landessozialgerichts muss die Klägerin ihre Wohnung nicht verkaufen.
Auch ihren Pkw dürfe die Frau behalten. Vielmehr müsse der
Leistungsträger das Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung des
Vermögenswertes der Eigentumswohnung gewähren, da eine Wohnfläche von
120 qm angemessen sei, urteilte das Gericht.

Als
„beanstandungsfreie“ Wohnfläche eines selbstgenutzten Familienheims
wurden in der früheren Praxis der Sozialämter Grenzwerte bei
Einfamilienheimen bis zu 130 qm Wohnungsgröße, bei Eigentumswohnungen
bis zu einer Wohnfläche von 120 qm angesehen Deren Überschreitung wurde
bei einem Haushalt mit mehr als 4 Personen oder bei persönlichen
(insbesondere Behinderung) bzw. beruflichen Bedürfnissen eines
Mitbewohners ebenfalls als gerechtfertigt angesehen. In der Literatur
und Rechtsprechung zum Sozialgesetzbuch II (ALG II) werden diese Werte
und Grundsätze entsprechend angewendet. Die Angemessenheit der
Haus-/Wohnungsgröße hängt danach vor allem auch von der Zahl der im
Haushalt lebenden Personen ab. Die Bundesanstalt für Arbeit
(Dienstanweisung zu § 193 SGB III), das Bundessozialgericht
(Entscheidung vom 17.12.2002 – B 7 AL 126/01 R) und die Rechtsprechung
der ihm folgenden Sozialgerichte (z.B. Sozialgericht Berlin vom
30.01.2004 – S 58 AL 4903/03) halten 130 qm Wohnfläche ohne weitere
Prüfung für angemessen. Bei Überschreitung ist insoweit auf die
Lebensumstände während des SBG-II-Leistungsbezugs abzustellen.

… und Grundstücksgröße

In
dem vom Sozialgericht Detmold (AZ.: S 9 AS 123/05 ER) soeben
entschiedenen Fall übertraf das Grundstück des dem Kläger gehörenden
Wohnhauses die zulässige Größe. Die Stadt Minden hatte als
Leistungsträger von dem arbeitslosen Familienvater verlangt, dass er
sein Haus verkauft, um von dem Erlös zu leben. Bis zum Verkauf sollte
der Kläger das Arbeitslosengeld II nur als Darlehen erhalten, sofern er
der Eintragung einer entsprechenden Grundschuld in seinem Grundbuch
zustimme. Das Sozialgericht entschied, dass die Stadt Minden die Zahlung
von Arbeitslosengeld II an den Hauseigentümer nicht von einer
Sicherheit, wie einem Grundschuldeintrag, abhängig machen dürfe und eine
derartige Praxis nicht zulässig sei.

Die Angemessenheit der
Grundstücksgröße sieht die Bundesanstalt für Arbeit (Dienstanweisung zu §
193 SGB III Rz 13, 14) in der Regel im städtischen Bereich bis 500 qm
und im ländlichen Bereich bis 800 qm noch als gegeben an und hält auch
Überschreitungen für akzeptabel, wenn diese in Bebauungsplänen
festgelegt sind. Nach den Richtlinien der Bundesanstalt für Arbeit ist
bei einer Immobilie von nicht mehr angemessener Größe die Verwertung von
eigentumsrechtlich abtrennbaren Gebäuden oder Grundstücksbestandteilen
vorrangig durch Verkauf oder Beleihung zu verlangen, gegebenenfalls nach
Bildung in sich abgeschlossener Eigentumswohnungen oder Teilung des
Grundstücks. Könne die Wohnfläche allerdings nicht in abgeschlossene
Wohneinheiten aufgeteilt werden oder sei alles insgesamt nicht
aufteilbar, könne vom Arbeitslosen nicht verlangt werden, sein
selbstbewohntes Grundstück zu verkaufen, um an anderer Stelle ein neues
Grundstück mit einem vorhandenen oder noch zu bebauenden Gebäude zu
kaufen. Vielmehr müsse er mögliche andere Ertragsquellen (z.B. auch eine
zimmerweise Vermietung) nutzen (Münder-Kommentar zum SGB II zu § 12
Rdn. 45).

Hans-Michael Schiller
Rechtsanwalt und Notar, Dortmund

http://www.verband-wohneigentum.de/bv/page.cgi?ID=15994

WICHTIG WICHTIG
Je nach Fall müssten sogar die Tilgungsraten bezahlt werden

Zitat:
Aufwendungen
für die Kredittilgung (BVerwG 28.7.1989 – Buchholz 436.0 § 77 BSHG
Nr. 10) oder aus Anlass des Erwerbs vereinbarte Leibrenten (BVerwG
24.4.1975 – V C 61.73 – E 48, 182) hatte die ältere Rechtsprechung (BSG
7.11.2006 – B 7 b AS 8/06 R – FEVS 58, 259; s.a. LSG BW 2.9.2005 – L 8
AS 1995/05; LSG SN 15.9.2005 – L 3 B 44/05 AS-ER; LSG BY 21.4.2006 – L 7
AS 1/05) auch dann nicht berücksichtigen wollen, wenn die Aufwendungen
selbst bei Berücksichtigung dieser Kosten hinter den für eine
angemietete Unterkunft angemessenen Aufwendungen zurückbleiben. Bei
angemessenen Gesamtkosten überzeugt diese aus dem Grundsatz hergeleitete
Beschränkung, dass Vermögensbildung nicht Aufgabe der Grundsicherung
sei, zumindest in den Fällen nicht, in denen die Tilgungs- oder
Leibrentenleistungen vertraglich geschuldet, für den Erhalt der
Unterkunft geboten und der Höhe nach angemessen sind (s.a. SG Detmold
16.2.2006 – S 8 AS 37/05 – info also 2006, 123 [mit zust. Anm. Drifthaus
NZS 2006, 642]; LSG NW 16.10.2006 – L 20 AS 39/06 – ASR 2007, 73). Der
Ausschluss wirft Gleichheitsprobleme in Bezug auf die in Mietwohnungen
lebenden Leistungsberechtigten auf, die über ihre Mietzahlungen zur
Vermögensbildung der Vermieter beitragen, und vernachlässigt bei einer
ökonomischen Betrachtung auch nicht unmittelbar aufwendungsauslösenden
Vermögensverbrauch (kalkulatorische Abschreibung; Abnutzung ohne
unmittelbaren Erhaltungsaufwand) durch die Eigennutzung als Unterkunft.
Bei drohendem Verlust des Eigenheims ist es zwar geboten, aber zur
Lösung des Gleichheitsproblems nicht hinreichend, auf Tilgungszahlungen
bis zur Angemessenheitsgrenze nach Abs. 8 zinsfrei (OVG NI 28.4.1999 – 4
L 2827/98; LSG MV 10.4.2008 – L 8 B 229/07) darlehensweise Leistungen
zu gewähren, um dem Leistungsberechtigten zu ermöglichen, das
selbstgenutzte Eigenheim zu erhalten (BVerwG 5.10.1972 – V C 50.71 – E
41, 22; 24.4.1975 – V C 61.73 – E 48, 182). Das BSG (18.6.2008 – B
14/11 b AS 67/06 R – NDV-RD 2009, 14; s.a. Groth jurisPR-SozR 4/2009
Anm. 1) hat inzwischen zu Recht die Übernahme der gesamten
Finanzierungskosten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer
Mietwohnung in Betracht gezogen, beschränkt dies aber auf Ausnahmefälle
(BSG 7.7.2011 – B 14 AS 79/10 R). Als inkonsequent abzulehnen ist die
Einschränkung, dass der Leistungsberechtigte ohne (gegebenenfalls
anteilige) Übernahme von Tilgungsraten gezwungen wäre, seine Wohnung
aufzugeben, und er alles unternommen haben muss, um die Tilgungskosten
während des Leistungsbezuges so niedrig wie möglich zu halten (z.B.
Tilgungsaussetzung oder ‑streckung). Sie widerspricht der vom BSG
vorgenommenen Gleichstellung der Haus- bzw. Wohnungseigentümer mit
Mietern und vernachlässigt weiterhin den kalkulatorischen Wertverzehr.
Bei der Höhe nach angemessenen Aufwendungen sind daher die monatlichen
Tilgungsraten zur Zahlung eines zinslos gestundeten Kaufpreises für ein
selbstgenutztes Familieneigenheim, bei dem das Eigentum am Grundstück
der vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehalten ist, als
Unterkunftskosten zu berücksichtigen (LSG SN 5.5.2011 – L 2 AS 803/09).
Berlit in Münder, Sozialgesetzbuch II
4. Auflage 2011, § 22 Rn 39


Zu den Nebenkosten

Zitat:
Bei
selbstgenutzten Eigenheimen oder Eigentumswohnungen, die nach § 12
Abs. 3 Nr. 4 nicht als Vermögen zu verwerten sind, gehören zu den
tatsächlichen Aufwendungen jedenfalls die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VO
zu § 82 SGB XII genannten Ausgaben (BSG 15.4.2008 – B 14/7 b AS 34/06 R –
FEVS 60, 241), insbesondere für Schuldzinsen (BVerwG 7.5.1987 – 5 C
36.85 – E 77, 232, 235 f.; LSG BE-BB 9.5.2006 – L 10 AS 102/06), und
zwar auch für die Finanzierung vor Eintritt in den Leistungsbezug
durchgeführter Modernisierungsarbeiten (LSG ST 21.10.2008 – L 2 B 342/07
AS ER; 26.8.2010 – L 5 AS 113/07). Instandsetzungs- und
Erhaltungsaufwendungen sind nunmehr in Abs. 2 geregelt. Zu den Neben-
und Betriebskosten, die die „Bewohnbarkeit“ der Unterkunft herstellen
oder aufrecht erhalten, rechnen u.a. Beiträge zur
Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und
ähnliche Aufwendungen (BSG 3.3.2009 – B 4 AS 38/08 R – SozR 4-4200 § 22
Nr. 17; LSG NW 23.8.2010 – L 19 (20) AS 47/09); dies kann auch einmalige
Kosten umfassen (LSG NW 25.2.2010 – L 7 AS 47/09 – [Abgabe für die
Erneuerung und Ausbesserung der Kanalanschlüsse]). Übernahmefähig ist
auch die Nutzungsentschädigung, die der Eigentümer eines Hauses für die
Nutzung seines Eigentums an den Verkäufer zahlt, weil und solange er zur
Zahlung des Kaufpreises nicht in der Lage ist (LSG SL 13.4.2010 – L 9
AS 18/09).
a. a. O. Rn 38

Zur Größe des Eigentums.
Das
Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 2/05 R
entschieden, dass für eine Einzelperson einen Wohnfläche von 80 qm
angemessen ist. Entsprechend gilt für 2 Personen ca 100 -110 qm. Also
müssen auch die NEbenkosten für diese Größe übernommen werden

Die Jobcenter berufen sich oft auf ein völlig veraltetes Urteil. Also dann einen Rechtsanwalt kontaktieren.
Willi Schartema
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