Suchen
Impressum
Impressum:
Heinz Behler
44787 Bochum
Brückstr 42
Telefon bei Anfrage:
@Mail sachkundiger@yahoo.deNeueste Themen
Rechte Wahrnehmen
Wir sind hier wir sind laut weil man uns die Rechte klaut
Bundesweite Vertretung in sozialrechtlichen Angelegenheiten
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/p/die-mandantenseite-bundesweite.html (Beschreibung der Webseite)
Bundessozialgericht torpediert eigene Rechtsprechung zu den Unterkunftskosten für „Hartz IV“-Empfänger/innen (BSG) am 22. März 2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R
Seite 1 von 1
Bundessozialgericht torpediert eigene Rechtsprechung zu den Unterkunftskosten für „Hartz IV“-Empfänger/innen (BSG) am 22. März 2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R
Dieser Artikel beschäftigt sich mit den durch das
Bundessozialgericht (BSG) am 22. März 2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R
vergebenen Möglichkeiten, der Weigerung von Grundsicherungsträgern, die
„angemessenen“ Unterkunftskosten zu ermitteln, entschieden einen Riegel
vorzuschieben.
Sobald die schriftliche Begründung des BSG im
Verfahren B 4 AS 16/11 R vorliegt, wird dieser Artikel entsprechend
überarbeitet und angepaßt.
Weiterlesen: Herbert Masslau: BSG torpediert KdU
Herbert Masslau
Bundessozialgericht torpediert eigene Rechtsprechung zu den Unterkunftskosten für „Hartz IV“-Empfänger/innen
(15. April 2012)
Dieser
Artikel beschäftigt sich mit den durch das Bundessozialgericht (BSG) am
22. März 2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R vergebenen Möglichkeiten, der
Weigerung von Grundsicherungsträgern, die „angemessenen“
Unterkunftskosten zu ermitteln, entschieden einen Riegel vorzuschieben.
Sobald
die schriftliche Begründung des BSG im Verfahren B 4 AS 16/11 R
vorliegt, wird dieser Artikel entsprechend überarbeitet und angepaßt.
Vorbemerkung
Folgende revisionsrechtliche Fragestellung muß dringend gestellt werden:
Darf
ein Leistungsempfänger hinsichtlich der Unterkunftskosten (KdU) auf das
pauschale Wohngeld gemäß Tab. § 8 WoGG (2005) bzw. § 12 WoGG (2009) –
gemäß BSG-Rechtsprechung mit 10%-Aufschlag – verwiesen werden, wenn der
Grundsicherungsträger seit Inkrafttreten des SGB II (1. Januar 2005)
faktisch nicht die „Referenzmiete“ in seinem Zuständigkeitsbereich
ermittelt und damit fortgesetzt gegen höchstrichterliche Rechtsprechung
verstoßen hat? Oder muß in einem solchen Fall nicht unabhängig von der
Begrenzung durch die Tabellenwerte WoGG die tatsächliche Miete
übernommen werden?
Denn, wenn auch in einem solchen Fall die
Anwendung der Tabellenwerte WoGG erlaubt wäre, würde dies über kurz oder
lang dazu führen, daß sämtliche Grundsicherungsträger die
„Referenzmiete“ nicht mehr ermitteln würden, sondern sich die Sach- und
Personalkosten dafür sparen und automatisch die Tabellenwerte WoGG
anwenden würden; damit wäre die vom BSG entwickelte KdU-Rechtsprechung
torpediert.
Das Ausgangsproblem
Das
Bundessozialgericht hat erstmals am 7. November 2006 über die Kosten der
Unterkunft (KdU) für „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger
entschieden. In der sog. Delmenhorst-Entscheidung [BSG, Urteil vom 7.
November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R], die die Rechtsprechung des LSG
Niedersachsen-Bremen aufhob, welches für die Jahre 2005 und 2006 der
Rechtsprechung des OVG Lüneburg zur alten Sozialhilfe (BSHG) gefolgt war
und automatisch Rückgriff auf die Tabellenwerte § 8 WoGG (2005), jetzt §
12 WoGG (2009), nahm, heißt es:
„Das LSG hat hinsichtlich der
Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten einen rechtlich
unzutreffenden Maßstab gewählt, weil es - ohne weiteres - von den Werten
in der Tabelle zu § 8 WoGG als fixen - quasi normativen - Größen
ausgegangen ist. Zwar ist dem LSG einzuräumen, dass der Rückgriff auf
Tabellenwerte für Verwaltung und Rechtsprechung zu einer klaren
Orientierung beitragen kann. Ein solches Vorgehen entspricht jedoch
nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG) sowie dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Nach §
22 Abs 1 Satz 1 SGB II (ursprüngliche Normfassung) werden Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind. Nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II ist dabei
die Angemessenheit des Umfangs der Aufwendungen an den Besonderheiten
des Einzelfalls zu messen (…) … Der Senat folgt hingegen der
Rechtsprechung des BVerwG, das in ständiger Rechtsprechung zum früheren §
12 BSHG iVm § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (…)
entschieden hat, dass die Tabellenwerte in § 8 WoGG keinen geeigneten
Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft darstellen
(…).“ [Rdnr. 17]
„Der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte
Zweck ist ein anderer als derjenige der Leistungen der Grundsicherung
nach dem SGB II und dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - (SGB XII).
Bei der Gewährung von Wohngeld wird von der Wohnung ausgegangen, wie sie
der Wohngeldberechtigte angemietet hat, ohne dass im Einzelfall
nachgeprüft wird, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines
notwendigen Bedarfs angemessen ist (…). Zwar ist dem LSG zuzugeben, dass
die Rechtsprechung einzelner Oberverwaltungsgerichte - und insbesondere
auch des OVG Lüneburg (…) – dem BVerwG in seiner Rechtsprechung zur
Unanwendbarkeit der Tabelle nach § 8 WoGG teilweise nicht gefolgt ist.
Ein solches Vorgehen kommt aber allenfalls dann in Betracht, wenn alle
anderen Erkenntnismöglichkeiten und -mittel zur Ermittlung der
Angemessenheit des Wohnraums iS des § 22 Abs 1 SGB II ausgeschöpft
sind.“ [Rdnr. 18]
„Nur soweit Erkenntnismöglichkeiten im lokalen
Bereich nicht weiter führen,kann ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 8
WoGG oder auf die zulässigen Mietgrenzen der in Ergänzung zum
Wohnraumförderungsgesetz erlassenen landesrechtlichen
Wohnraumförderungsbestimmungen in Betracht kommen. Bei einem Rückgriff
auf Tabellen bzw Fördervorschriften wird zu erwägen sein, ob zu Gunsten
des Leistungsempfängers ein mögliche Unbilligkeiten der Pauschalierung
ausgleichender Zuschlag (etwa von 10 % zu den Tabellenwerten, …) in
Betracht kommt.“ [Rdnr. 23]
An dieser grundlegenden
Rechtsprechung des BSG hat sich bis heute nichts geändert. Es folgten
lediglich weitere Präzisierungen, insbesondere das Aufstellen eines
Kriterienkatalogs zur Ermittlung der „angemessenen“ Unterkunftskosten,
der sog. „Referenzmiete“ [vergleiche: BSG, Urteile vom 22. September
2009, Az.: B 4 AS 18/09 R, Rdnr. 19; vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 27/09
R, Rdnr. 26; vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 50/09 R, Rdnr. 23].
Auch
für den Fall der Nichtermittelbarkeit der „Referenzmiete“ wurde der
10-prozentige Sicherheitsaufschlag auf die nur als „Notlösung“
anzuwendenden Tabellenwerte Wohngeldgesetz bestätigt [vergleiche: BSG,
Urteile vom 20. August 2009, Az.: B 14 AS 41/08 R, Rdnr. 22; vom 20.
August 2009, Az.: B 14 AS 65/08 R, Rdnr. 21; vom 17. Dezember 2009, Az.:
B 4 AS 50/09 R, Rdnr. 27; vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 73/08 R,
Rdnr. 29; vom 19. Oktober 2010, Az.: B 14 AS 15/09 R, Rdnr. 20], wobei
hier allerdings nur noch die Rede war entweder von einem „maßvollen
Zuschlag“ oder einfach nur von einem „Zuschlag“.
Diese
Ungenauigkeit hat wohl den einen oder anderen Grundsicherungsträger und
das eine oder andere Sozialgericht ermuntert, selbst noch den
Sicherheitsaufschlag von 10 % auf 5 % [so: LSG Baden-Württemberg, L 13
AS 4212/08] oder gleich auf 0 % zu reduzieren (so: Optionskommune
Göttingen). Dem wurde zumindest mit der BSG-Entscheidung vom 22. März
2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R (Ausgangsverfahren: LSG Ba.-Wü., L 13
AS 4212/08) ein Riegel vorgeschoben: es bleibt bei 10 Prozent, regionale
Unterschiede wären bereits in den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes
berücksichtigt und was anderes würde dem BSG-Konzept widersprechen.
Das BSG-Disaster
Mit
dieser eben genannten Entscheidung im Verfahren B 4 AS 16/11 R hatte
das BSG die Möglichkeit für den Fall des „totalen Ermittlungsausfalls“
hinsichtlich der zu ermittelnden „angemessenen“ Unterkunftskosten der
oben geschilderten revisionsrechtlichen Problematik der Torpedierung der
eigenen KdU-Rechtsprechung durch Nichtermitteln der
Grundsicherungsträger einen Riegel vorzuschieben. Es hat diese Chance
nicht genutzt zulasten der „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger.
Das
BSG hat am 22. März 2012 nur das äußerste Minimum entschieden: bei
Nichtermittlung der „Referenzmiete“ gilt ein 10-prozentiger
Sicherheitsaufschlag auf die Tabellenwerte WoGG.
Dabei war dies nur eine von drei Möglichkeiten und zudem die schlechteste.
Erste
Möglichkeit: Für Zeiträume nach der grundlegenden KdU-Entscheidung des
BSG vom 7. November 2006 gilt: Die Tabellenwerte § 8 WoGG (2005) bzw. §
12 WoGG (2009) plus 10 %-igem Sicherheitsaufschlag kommen als
„Notlösung“ nur in betracht, wenn es sich bei der Nichtermittelung der
„Referenzmiete“ um eine objektive Nichtermittelbarkeit handelt, deren
Ursachen außerhalb des Handlungseinflusses des Grundsicherungsträgers
liegen. Etwa wenn der maßgebliche Vergleichsraum aus einem
dünnbesiedelten ländlichen Gebiet besteht, für den kein Wohnungsmarkt
ermittelbar ist. Handelt es sich hingegen lediglich um eine vom
Grundsicherungsträger verursachte Nichtermittelung, sei es durch bewußte
Untätigkeit, sei es durch eine nicht mehr gerichtlich nachbesserbare
grobe Fehlermittlung, dann geht dies zulasten des Grundsicherungsträgers
und er muß die tatsächlichen Unterkunftskosten solange übernehmen, bis
er den Mangel abgestellt hat. Das wäre dann in der Tat ein finanzieller
Anreiz für den Grundsicherungsträger tätig zu werden. Das Argument der
Begrenzung der KdU auch bei Nichtermittelung der „Referenzmiete“,
nämlich es dürften keine Luxuswohnungen aus Steuergelder finanziert
werden, ist gemessen an der Realität nicht nur ein Scheinargument –
welche „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger wohnen schon in einem
20-Zimmer-Schloß? –, sondern es untermauert geradezu ideologisch durch
Unterstellung den leider realen Versuch der verbotenen Ghettoisierung –
so werden in Berlin „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger
mittlerweile „gezwungen“ aus den Innenstadtbezirken nach Spandau
umzuziehen, so wohnen in Göttingen mittlerweile fast die Hälfte aller
„Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger in zwei bestimmten Stadtteilen
[GEWOS-Gutachten 2005 und eigene Berechnungen des Autors anhand
städtischer Statistiken].
Zweite Möglichkeit: Die Sozialgerichte
zwingen zunächst den Grundsicherungsträger zu sinnvollen Ermittlungen.
Bleibt dies erfolglos, aus welchen gründen auch immer, dann wird ein
realistischer Aufschlag auf die Tabellenwerte § 8 WoGG (2005) bzw. § 12
WoGG (2009) vom Gericht zugesprochen. Aus eigenen Recherchen zur Stadt
Göttingen weiß ich, daß ein realistisches Angebot, insbesondere im
Hinblick auf die Menge der angebotenen Wohnungen, mindestens einen
Aufschlag von 20 Prozent erfordert. Wieso also nicht ein Aufschlag von
pauschal 50 Prozent auf die Tabellenwerte WoGG, um auch zu garantieren,
daß ausreichend angebotene Wohnungen zur Verfügung stehen?
Dritte
Möglichkeit: Das BSG ringt sich immer noch nicht zu einer endgültigen
Entscheidung durch und läßt die „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger
weiterhin im Regen der Willkür der Grundsicherungsträger stehen, auch
um den Preis der Torpedierung der eigenen Rechtsprechung (keine
Ermittlung der „Referenzmiete“, Ghettoisierung der Hilfebedürftigen) und
läßt die gestellten Rechtsfragen weiterhin offen, auch noch ein halbes
Jahrzehnt nach der ersten grundlegenden KdU-Entscheidung des BSG, und
löst lediglich die vom BSG selbst erzeugte Unsicherheit durch Begriffe
wie etwa 10 %, maßvoller Zuschlag oder einfach nur Zuschlag dahingehend
auf, daß es nun definitiv den Sicherheitszuschlag als 10-prozentigen
Aufschlag auf die Tabellenwerte WoGG definiert. So hat das BSG am 22.
März 2012 entschieden.
Ausblick
Düster, sofern das BSG
nicht seine eigene Rechtsprechung ernst nimmt und den „Hartz
IV“-Behörden und einigen Sozial- und Landessozialgerichten mal so
richtig vor den Koffer scheißt.
In der vom Autor erfochtenen
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen überlanger
Verfahrensdauer [BVerfG, Beschluß vom 27. September 2011, Az.: 1 BvR
232/11 – s.a. info also Nr. 1/2012, S. 28 ff.] hat sich dieses bezüglich
des Gesamtrechtsstreits und, weil durch die BVerfG-Entscheidung vom 9.
Februar 2010 zur Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen dieser Aspekt
keine tragende Rolle mehr spielte, sich auf die Unterkunftskosten
kapriziert und ist dabei von geklärten Rechtsfragen durch die
KdU-Rechtsprechung des BSG, auch mit Anwendung der Tabellenwerte WoGG
plus „maßvollem Zuschlag“ ausgegangen. Es hat damit indirekt die
Vorgehensweise des BSG in der KdU-Frage für verfassungsgemäß erklärt.
Es
bleibt den „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger, deren tatsächliche
Mietkosten nicht übernommen werden, weil sie nicht unterhalb der
Tabellenwerte WoGG plus 10%-igem Sicherheitsaufschlag liegen, lediglich,
ihren Vermietern nur noch die Kosten zu überweisen als Miete, die sie
vom Grundsicherungsträger zugestanden bekommen. Die dann folgende Anzahl
von fristlosen Kündigungen und Räumungsklagen wird die Zivilgerichte
dermaßen überfordern, daß genügend Druck auf die Sozialgerichte
entstehen dürfte, um endlich eine realitätsbezogene KdU-Rechtsprechung
zu erzwingen – durch den Druck der Straße.
http://www.herbertmasslau.de/
http://www.herbertmasslau.de/bsg-torpediert-kdu.html
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2012&nr=12382
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/04/bundessozialgericht-torpediert-eigene.html
Gruß Willi S
Bundessozialgericht (BSG) am 22. März 2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R
vergebenen Möglichkeiten, der Weigerung von Grundsicherungsträgern, die
„angemessenen“ Unterkunftskosten zu ermitteln, entschieden einen Riegel
vorzuschieben.
Sobald die schriftliche Begründung des BSG im
Verfahren B 4 AS 16/11 R vorliegt, wird dieser Artikel entsprechend
überarbeitet und angepaßt.
Weiterlesen: Herbert Masslau: BSG torpediert KdU
Herbert Masslau
Bundessozialgericht torpediert eigene Rechtsprechung zu den Unterkunftskosten für „Hartz IV“-Empfänger/innen
(15. April 2012)
Dieser
Artikel beschäftigt sich mit den durch das Bundessozialgericht (BSG) am
22. März 2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R vergebenen Möglichkeiten, der
Weigerung von Grundsicherungsträgern, die „angemessenen“
Unterkunftskosten zu ermitteln, entschieden einen Riegel vorzuschieben.
Sobald
die schriftliche Begründung des BSG im Verfahren B 4 AS 16/11 R
vorliegt, wird dieser Artikel entsprechend überarbeitet und angepaßt.
Vorbemerkung
Folgende revisionsrechtliche Fragestellung muß dringend gestellt werden:
Darf
ein Leistungsempfänger hinsichtlich der Unterkunftskosten (KdU) auf das
pauschale Wohngeld gemäß Tab. § 8 WoGG (2005) bzw. § 12 WoGG (2009) –
gemäß BSG-Rechtsprechung mit 10%-Aufschlag – verwiesen werden, wenn der
Grundsicherungsträger seit Inkrafttreten des SGB II (1. Januar 2005)
faktisch nicht die „Referenzmiete“ in seinem Zuständigkeitsbereich
ermittelt und damit fortgesetzt gegen höchstrichterliche Rechtsprechung
verstoßen hat? Oder muß in einem solchen Fall nicht unabhängig von der
Begrenzung durch die Tabellenwerte WoGG die tatsächliche Miete
übernommen werden?
Denn, wenn auch in einem solchen Fall die
Anwendung der Tabellenwerte WoGG erlaubt wäre, würde dies über kurz oder
lang dazu führen, daß sämtliche Grundsicherungsträger die
„Referenzmiete“ nicht mehr ermitteln würden, sondern sich die Sach- und
Personalkosten dafür sparen und automatisch die Tabellenwerte WoGG
anwenden würden; damit wäre die vom BSG entwickelte KdU-Rechtsprechung
torpediert.
Das Ausgangsproblem
Das
Bundessozialgericht hat erstmals am 7. November 2006 über die Kosten der
Unterkunft (KdU) für „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger
entschieden. In der sog. Delmenhorst-Entscheidung [BSG, Urteil vom 7.
November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R], die die Rechtsprechung des LSG
Niedersachsen-Bremen aufhob, welches für die Jahre 2005 und 2006 der
Rechtsprechung des OVG Lüneburg zur alten Sozialhilfe (BSHG) gefolgt war
und automatisch Rückgriff auf die Tabellenwerte § 8 WoGG (2005), jetzt §
12 WoGG (2009), nahm, heißt es:
„Das LSG hat hinsichtlich der
Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten einen rechtlich
unzutreffenden Maßstab gewählt, weil es - ohne weiteres - von den Werten
in der Tabelle zu § 8 WoGG als fixen - quasi normativen - Größen
ausgegangen ist. Zwar ist dem LSG einzuräumen, dass der Rückgriff auf
Tabellenwerte für Verwaltung und Rechtsprechung zu einer klaren
Orientierung beitragen kann. Ein solches Vorgehen entspricht jedoch
nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG) sowie dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Nach §
22 Abs 1 Satz 1 SGB II (ursprüngliche Normfassung) werden Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind. Nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II ist dabei
die Angemessenheit des Umfangs der Aufwendungen an den Besonderheiten
des Einzelfalls zu messen (…) … Der Senat folgt hingegen der
Rechtsprechung des BVerwG, das in ständiger Rechtsprechung zum früheren §
12 BSHG iVm § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (…)
entschieden hat, dass die Tabellenwerte in § 8 WoGG keinen geeigneten
Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft darstellen
(…).“ [Rdnr. 17]
„Der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte
Zweck ist ein anderer als derjenige der Leistungen der Grundsicherung
nach dem SGB II und dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - (SGB XII).
Bei der Gewährung von Wohngeld wird von der Wohnung ausgegangen, wie sie
der Wohngeldberechtigte angemietet hat, ohne dass im Einzelfall
nachgeprüft wird, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines
notwendigen Bedarfs angemessen ist (…). Zwar ist dem LSG zuzugeben, dass
die Rechtsprechung einzelner Oberverwaltungsgerichte - und insbesondere
auch des OVG Lüneburg (…) – dem BVerwG in seiner Rechtsprechung zur
Unanwendbarkeit der Tabelle nach § 8 WoGG teilweise nicht gefolgt ist.
Ein solches Vorgehen kommt aber allenfalls dann in Betracht, wenn alle
anderen Erkenntnismöglichkeiten und -mittel zur Ermittlung der
Angemessenheit des Wohnraums iS des § 22 Abs 1 SGB II ausgeschöpft
sind.“ [Rdnr. 18]
„Nur soweit Erkenntnismöglichkeiten im lokalen
Bereich nicht weiter führen,kann ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 8
WoGG oder auf die zulässigen Mietgrenzen der in Ergänzung zum
Wohnraumförderungsgesetz erlassenen landesrechtlichen
Wohnraumförderungsbestimmungen in Betracht kommen. Bei einem Rückgriff
auf Tabellen bzw Fördervorschriften wird zu erwägen sein, ob zu Gunsten
des Leistungsempfängers ein mögliche Unbilligkeiten der Pauschalierung
ausgleichender Zuschlag (etwa von 10 % zu den Tabellenwerten, …) in
Betracht kommt.“ [Rdnr. 23]
An dieser grundlegenden
Rechtsprechung des BSG hat sich bis heute nichts geändert. Es folgten
lediglich weitere Präzisierungen, insbesondere das Aufstellen eines
Kriterienkatalogs zur Ermittlung der „angemessenen“ Unterkunftskosten,
der sog. „Referenzmiete“ [vergleiche: BSG, Urteile vom 22. September
2009, Az.: B 4 AS 18/09 R, Rdnr. 19; vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 27/09
R, Rdnr. 26; vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 50/09 R, Rdnr. 23].
Auch
für den Fall der Nichtermittelbarkeit der „Referenzmiete“ wurde der
10-prozentige Sicherheitsaufschlag auf die nur als „Notlösung“
anzuwendenden Tabellenwerte Wohngeldgesetz bestätigt [vergleiche: BSG,
Urteile vom 20. August 2009, Az.: B 14 AS 41/08 R, Rdnr. 22; vom 20.
August 2009, Az.: B 14 AS 65/08 R, Rdnr. 21; vom 17. Dezember 2009, Az.:
B 4 AS 50/09 R, Rdnr. 27; vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 73/08 R,
Rdnr. 29; vom 19. Oktober 2010, Az.: B 14 AS 15/09 R, Rdnr. 20], wobei
hier allerdings nur noch die Rede war entweder von einem „maßvollen
Zuschlag“ oder einfach nur von einem „Zuschlag“.
Diese
Ungenauigkeit hat wohl den einen oder anderen Grundsicherungsträger und
das eine oder andere Sozialgericht ermuntert, selbst noch den
Sicherheitsaufschlag von 10 % auf 5 % [so: LSG Baden-Württemberg, L 13
AS 4212/08] oder gleich auf 0 % zu reduzieren (so: Optionskommune
Göttingen). Dem wurde zumindest mit der BSG-Entscheidung vom 22. März
2012 im Verfahren B 4 AS 16/11 R (Ausgangsverfahren: LSG Ba.-Wü., L 13
AS 4212/08) ein Riegel vorgeschoben: es bleibt bei 10 Prozent, regionale
Unterschiede wären bereits in den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes
berücksichtigt und was anderes würde dem BSG-Konzept widersprechen.
Das BSG-Disaster
Mit
dieser eben genannten Entscheidung im Verfahren B 4 AS 16/11 R hatte
das BSG die Möglichkeit für den Fall des „totalen Ermittlungsausfalls“
hinsichtlich der zu ermittelnden „angemessenen“ Unterkunftskosten der
oben geschilderten revisionsrechtlichen Problematik der Torpedierung der
eigenen KdU-Rechtsprechung durch Nichtermitteln der
Grundsicherungsträger einen Riegel vorzuschieben. Es hat diese Chance
nicht genutzt zulasten der „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger.
Das
BSG hat am 22. März 2012 nur das äußerste Minimum entschieden: bei
Nichtermittlung der „Referenzmiete“ gilt ein 10-prozentiger
Sicherheitsaufschlag auf die Tabellenwerte WoGG.
Dabei war dies nur eine von drei Möglichkeiten und zudem die schlechteste.
Erste
Möglichkeit: Für Zeiträume nach der grundlegenden KdU-Entscheidung des
BSG vom 7. November 2006 gilt: Die Tabellenwerte § 8 WoGG (2005) bzw. §
12 WoGG (2009) plus 10 %-igem Sicherheitsaufschlag kommen als
„Notlösung“ nur in betracht, wenn es sich bei der Nichtermittelung der
„Referenzmiete“ um eine objektive Nichtermittelbarkeit handelt, deren
Ursachen außerhalb des Handlungseinflusses des Grundsicherungsträgers
liegen. Etwa wenn der maßgebliche Vergleichsraum aus einem
dünnbesiedelten ländlichen Gebiet besteht, für den kein Wohnungsmarkt
ermittelbar ist. Handelt es sich hingegen lediglich um eine vom
Grundsicherungsträger verursachte Nichtermittelung, sei es durch bewußte
Untätigkeit, sei es durch eine nicht mehr gerichtlich nachbesserbare
grobe Fehlermittlung, dann geht dies zulasten des Grundsicherungsträgers
und er muß die tatsächlichen Unterkunftskosten solange übernehmen, bis
er den Mangel abgestellt hat. Das wäre dann in der Tat ein finanzieller
Anreiz für den Grundsicherungsträger tätig zu werden. Das Argument der
Begrenzung der KdU auch bei Nichtermittelung der „Referenzmiete“,
nämlich es dürften keine Luxuswohnungen aus Steuergelder finanziert
werden, ist gemessen an der Realität nicht nur ein Scheinargument –
welche „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger wohnen schon in einem
20-Zimmer-Schloß? –, sondern es untermauert geradezu ideologisch durch
Unterstellung den leider realen Versuch der verbotenen Ghettoisierung –
so werden in Berlin „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger
mittlerweile „gezwungen“ aus den Innenstadtbezirken nach Spandau
umzuziehen, so wohnen in Göttingen mittlerweile fast die Hälfte aller
„Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger in zwei bestimmten Stadtteilen
[GEWOS-Gutachten 2005 und eigene Berechnungen des Autors anhand
städtischer Statistiken].
Zweite Möglichkeit: Die Sozialgerichte
zwingen zunächst den Grundsicherungsträger zu sinnvollen Ermittlungen.
Bleibt dies erfolglos, aus welchen gründen auch immer, dann wird ein
realistischer Aufschlag auf die Tabellenwerte § 8 WoGG (2005) bzw. § 12
WoGG (2009) vom Gericht zugesprochen. Aus eigenen Recherchen zur Stadt
Göttingen weiß ich, daß ein realistisches Angebot, insbesondere im
Hinblick auf die Menge der angebotenen Wohnungen, mindestens einen
Aufschlag von 20 Prozent erfordert. Wieso also nicht ein Aufschlag von
pauschal 50 Prozent auf die Tabellenwerte WoGG, um auch zu garantieren,
daß ausreichend angebotene Wohnungen zur Verfügung stehen?
Dritte
Möglichkeit: Das BSG ringt sich immer noch nicht zu einer endgültigen
Entscheidung durch und läßt die „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger
weiterhin im Regen der Willkür der Grundsicherungsträger stehen, auch
um den Preis der Torpedierung der eigenen Rechtsprechung (keine
Ermittlung der „Referenzmiete“, Ghettoisierung der Hilfebedürftigen) und
läßt die gestellten Rechtsfragen weiterhin offen, auch noch ein halbes
Jahrzehnt nach der ersten grundlegenden KdU-Entscheidung des BSG, und
löst lediglich die vom BSG selbst erzeugte Unsicherheit durch Begriffe
wie etwa 10 %, maßvoller Zuschlag oder einfach nur Zuschlag dahingehend
auf, daß es nun definitiv den Sicherheitszuschlag als 10-prozentigen
Aufschlag auf die Tabellenwerte WoGG definiert. So hat das BSG am 22.
März 2012 entschieden.
Ausblick
Düster, sofern das BSG
nicht seine eigene Rechtsprechung ernst nimmt und den „Hartz
IV“-Behörden und einigen Sozial- und Landessozialgerichten mal so
richtig vor den Koffer scheißt.
In der vom Autor erfochtenen
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen überlanger
Verfahrensdauer [BVerfG, Beschluß vom 27. September 2011, Az.: 1 BvR
232/11 – s.a. info also Nr. 1/2012, S. 28 ff.] hat sich dieses bezüglich
des Gesamtrechtsstreits und, weil durch die BVerfG-Entscheidung vom 9.
Februar 2010 zur Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen dieser Aspekt
keine tragende Rolle mehr spielte, sich auf die Unterkunftskosten
kapriziert und ist dabei von geklärten Rechtsfragen durch die
KdU-Rechtsprechung des BSG, auch mit Anwendung der Tabellenwerte WoGG
plus „maßvollem Zuschlag“ ausgegangen. Es hat damit indirekt die
Vorgehensweise des BSG in der KdU-Frage für verfassungsgemäß erklärt.
Es
bleibt den „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger, deren tatsächliche
Mietkosten nicht übernommen werden, weil sie nicht unterhalb der
Tabellenwerte WoGG plus 10%-igem Sicherheitsaufschlag liegen, lediglich,
ihren Vermietern nur noch die Kosten zu überweisen als Miete, die sie
vom Grundsicherungsträger zugestanden bekommen. Die dann folgende Anzahl
von fristlosen Kündigungen und Räumungsklagen wird die Zivilgerichte
dermaßen überfordern, daß genügend Druck auf die Sozialgerichte
entstehen dürfte, um endlich eine realitätsbezogene KdU-Rechtsprechung
zu erzwingen – durch den Druck der Straße.
http://www.herbertmasslau.de/
http://www.herbertmasslau.de/bsg-torpediert-kdu.html
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2012&nr=12382
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/04/bundessozialgericht-torpediert-eigene.html
Gruß Willi S
Ähnliche Themen
» Jobcenter Betrug: 100000 Euro in die eigene Tasche - Gemeinsame Sache mit Hartz IV-Empfänger?
» Umfang des Forderungsübergangs bei „Hartz IV-Leistungen“ Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. März 2012 - 5 AZR 61/11 -
» Hartz-IV-Empfänger muss Münzsammlung verkaufen, wenn ihr Verkauf nicht unwirtschaftlich ist . BSG, Urteil vom 23.05.2012,- B 14 AS 100/11 -
» SG Oldenburg kippt Mietspiegel in Delmenhorst - Hartz-IV-Empfänger können höhere Mieten einfordern - Für Bewilligungszeiträume ab 2012 ist auf die um zehn Prozent pauschal zu erhöhenden Werte aus § 12 WoGG abzustellen - Zur Überprüfung und
» GEGEN DIE EIGENE ARBEIT - „Wir schaffen Hartz IV ab“
» Umfang des Forderungsübergangs bei „Hartz IV-Leistungen“ Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. März 2012 - 5 AZR 61/11 -
» Hartz-IV-Empfänger muss Münzsammlung verkaufen, wenn ihr Verkauf nicht unwirtschaftlich ist . BSG, Urteil vom 23.05.2012,- B 14 AS 100/11 -
» SG Oldenburg kippt Mietspiegel in Delmenhorst - Hartz-IV-Empfänger können höhere Mieten einfordern - Für Bewilligungszeiträume ab 2012 ist auf die um zehn Prozent pauschal zu erhöhenden Werte aus § 12 WoGG abzustellen - Zur Überprüfung und
» GEGEN DIE EIGENE ARBEIT - „Wir schaffen Hartz IV ab“
Seite 1 von 1
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten
Mi Jul 15, 2015 12:52 am von Willi Schartema
» LSG NRW sieht erkennt Anordnungsgrund bei Mietschulden ohne vorherige Räumungsklage
Do Jun 18, 2015 11:50 am von Willi Schartema
» Zur Unvereinbarkeit des § 31a SGB II (Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen) in Verbindung mit § 31 SGB II
Di Jun 16, 2015 9:43 am von Willi Schartema
» Keine schlüssigen Konzepte durch „Analyse und Konzepte“ KDU
So Jun 07, 2015 8:58 am von Willi Schartema
» Rechtsfolgenbelehrung für Jobcenter-Mitarbeiter
Do Mai 28, 2015 4:20 am von Willi Schartema
» Sanktionen bei ALG II im SGB II hält das Sozialgericht Gotha für Verfassungswidrig Außerdem stünden die Sanktionen im Widerspruch zu den Artikeln 1 2 12 sowie 20 so verkündet am 26.05.2015
Do Mai 28, 2015 1:58 am von Willi Schartema
» Gutachter ist für 50.000 Abschiebungen verantwortlich
So Apr 19, 2015 4:59 am von Willi Schartema
» BA-Leitfaden informiert umfassend über Teilzeitausbildung
So Apr 19, 2015 4:59 am von Willi Schartema
» Broschüre: Überblick zu den Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz zum 1. März 2015
So Apr 19, 2015 4:58 am von Willi Schartema
» Änderungen durch das neue Pflegestärkungsgesetz I (PSG I) seit 1.1.2015
So Apr 19, 2015 4:57 am von Willi Schartema