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Auskunftsplicht nur bei bestehender Bedarfsgemeinschaft § 60 Abs. 4 SGB II Aukunftspflicht eines Partners nur bei bestehender Lebensgemeinschaft Bundessozialgericht, 24.02.2011, B 14 AS 87/09 R
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Auskunftsplicht nur bei bestehender Bedarfsgemeinschaft § 60 Abs. 4 SGB II Aukunftspflicht eines Partners nur bei bestehender Lebensgemeinschaft Bundessozialgericht, 24.02.2011, B 14 AS 87/09 R
§ 60 Abs. 4 SGB II
Eine
Auskunftpflicht des Partners (in einer eheähnlichen Gemeinschaft)
besteht nur, wenn die Partnerschaft noch besteht.Das Jobcenter kann sein
Auskunftsverlangen auch nicht im nachträglich Gerichtsverfahren auf
einen Auskunftanspruch wegen Unterhaltsansprüche (§ 60 Abs. 2 SGB II)
stützen, denn dadurch wird der ursprüngliche Verwaltungsakt
(Auskunftsbescheid) in seinem Wesengehalt geändert. Eine Umdeutung eines
Auskunftsanspruches wegen der Partnerschaft (nichtehelichen
Lebensgemeinschaft) in einen wegen der Unterhaltsverpflichtungen ist
nicht möglich.
Anmerkung: im konkreten Fall bestand zwischen der
Person von der Auskunft verlangt wurde urspürnglich eine
Lebensgemeinschaft, die aber beedet wurde. Aus der Partnerschaft waren
gemeinsame Kinder hervorgegangen. Wegen der Kinder hielten die
Vorinstanzen das Auskunftsverlangen für berechtigt. Das
Bundessozialgericht ist dem nicht gefolgt. Eine Teilrechtswidrigkeit
gegenüber dem Auskunftsbegehren gegenüber dem Ex-Partner erfasst den
gesamten Bescheid. Der Entscheidung ist sowohl im Ergebnis als auch in
der Begründung zuzustimmen.
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 24.2.2011, B 14 AS 87/09 R
Grundsicherung
für Arbeitsuchende - Auskunftsverlangen des Grundsicherungsträgers -
sozialgerichtliches Verfahren - kein Austausch der Rechtsgrundlage -
keine Umdeutung - keine Anwendung von § 99 SGB 10 -
Streitwertfestsetzung
Leitsätze
Das Auskunftsverlangen
eines Grundsicherungsträgers kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht
auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn diese Regelung
anderen Zwecken dient oder auf einen anderen Sachverhalt abstellt.
Tenor
Das
Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009
und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie
der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.
Der Streitwert wird für alle drei Rechtszüge auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung.
2
Der
im 1968 geborene Kläger ist Inhaber eines Gerüstbauunternehmens. Mit
der im Jahre 1969 geborenen Frau S und den drei gemeinsamen, in den
Jahren 2001, 2002 und 2005 geborenen Kindern, war er Mieter eines
Einfamilienhauses. Am 1.3.2007 beantragte Frau S für sich und die Kinder
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II).
3
Mit Bescheid vom 25.6.2007
forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf, "zur
Überprüfung des Leistungsanspruches von S" im Einzelnen aufgezählte
Unterlagen einzureichen und Auskünfte zu erteilen und diese durch
entsprechende geeignete Nachweise zu belegen. Verlangt wurde ua ein
vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular für den
Bezug von SGB II-Leistungen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet
und die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht.
4
In der
Begründung des Bescheids heißt es, Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht
des Klägers sei § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II. Als Partner der
Antragstellerin sei er auf Verlangen zur Auskunft über sein Einkommen
und Vermögen verpflichtet. Diese Auskunft sei auch zur Prüfung des
Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
erforderlich, weil gemäß § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II das Einkommen und
Vermögen des Partners zu berücksichtigen sei. Außerdem gelte die
Vermutung, dass der Kläger als Partner der Frau S von dieser
mitvertreten werde, weshalb er auch den allgemeinen Mitwirkungspflichten
unterliege und deshalb verpflichtet sei, alle leistungserheblichen
Tatsachen anzugeben, wenn er Sozialleistungen beantrage.
5
Auf
den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte den Bescheid vom 25.6.2007
durch Widerspruchsbescheid vom 8.2.2008 teilweise auf und wies den
Widerspruch im Übrigen zurück. Vom Kläger könnten nur solche Unterlagen
und Auskünfte verlangt werden, die seine Einkommens- und
Vermögensverhältnisse beträfen. Die Auskunftsverpflichtung ergebe sich
aus § 60 Abs 4 SGB II. Zugleich setzte der Beklagte ein Zwangsgeld gegen
den Kläger fest.
6
Sowohl gegen die Zwangsgeldfestsetzung als
auch gegen die Auskunftsverpflichtung hat der Kläger jeweils nach
Abschluss des erfolglosen Widerspruchsverfahrens Klage erhoben. Im
Hinblick auf die Zwangsgeldfestsetzung hat der Beklagte ein Anerkenntnis
abgegeben, das der Kläger angenommen hat. Im Hinblick auf den
Auskunftsbescheid hat das Sozialgericht (SG) die angegriffenen Bescheide
mit Urteil vom 12.8.2008 teilweise geändert und den Kläger von der
Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen entlastet; im Übrigen hat es
die Klage abgewiesen mit der Begründung, aus der nach wie vor
bestehenden Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft folge die zwischen
den Beteiligten streitige Auskunftsverpflichtung.
7
Zum
1.11.2008 ist Frau S mit den gemeinsamen Kindern in eine eigene Wohnung
umgezogen und hat dort ihren Hauptwohnsitz angemeldet. Im
Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) nach Vernehmung der
Frau S die Berufung des Klägers mit Urteil vom 24.4.2009
zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, der Kläger sei
zwar nicht nach § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als Partner einer
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auskunftspflichtig, denn die
Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau S habe tatsächlich seit
Dezember 2006 nicht mehr bestanden. Die Berufung könne gleichwohl keinen
Erfolg haben, da der Kläger die begehrte Auskunft gemäß § 60 Abs 2 SGB
II iVm § 1605 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schulde. Er sei
bereits wegen seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern
auskunftspflichtig. Eine Unterhaltsvereinbarung vermöge daran nichts zu
ändern, denn die Mutter der gemeinsamen Kinder könne unter keinem
denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt auf etwaige Ansprüche verzichten mit
der Folge, dass dann der Beklagte für den Lebensunterhalt aufkommen
müsse.
8
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat
zugelassenen Revision. Zur Begründung führt er aus, der Beklagte könne
das Auskunftsverlangen nicht auf § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II stützen,
weil es insoweit - wie das LSG zutreffend entschieden habe - an einer
Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft gefehlt habe. Das LSG habe
die Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide aber nicht ohne Weiteres
austauschen dürfen. Der Kläger rügt darüber hinaus eine Verletzung des §
60 Abs 2 SGB II iVm § 1605 Abs 1 BGB.
9
Der Kläger beantragt,
das
Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009
und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie
den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 insgesamt aufzuheben.
10
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11
Der
Beklagte hält weiterhin an § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als
Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen fest und teilt im Übrigen die
Bedenken des Klägers hinsichtlich der Vorgehensweise des LSG.
Entscheidungsgründe
12
Die
statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet (§ 170
Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Auskunftsbegehren
des Beklagten gegenüber dem Kläger war in seiner konkreten Form
rechtswidrig, sodass der Kläger beschwert und seine Anfechtungsklage in
vollem Umfang begründet ist (§ 54 Abs 1 und 2 SGG).
13
Gegenstand
des Revisionsverfahrens ist der ursprüngliche Auskunftsbescheid des
Beklagten vom 25.6.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
8.2.2008 und des Urteils des SG vom 12.8.2008. Für das konkrete
Auskunftsverlangen des Beklagten fehlte es an einer Rechtsgrundlage. Die
Voraussetzungen des § 60 Abs 4 SGB II, auf den der Beklagte sein
Auskunftsbegehren nach wie vor stützen möchte, liegen nach den nicht mit
Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG nicht vor (dazu
unter 1.). Das Vorgehen des Beklagten konnte entgegen der Meinung des
LSG auch nicht nachträglich auf § 60 Abs 2 SGB II gestützt werden (dazu
unter 2.). Andere Rechtsgrundlagen für das Auskunftsverlangen scheiden
aus (dazu unter 3.).
14
1. Der Beklagte konnte von dem Kläger
nach § 60 Abs 4 SGB II keine Auskunft verlangen, weil die
Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Norm - das Vorliegen einer
Partnerschaft gemäß § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II - nach den Feststellungen des
LSG, nicht gegeben war. Danach hat zwischen dem Kläger und Frau S
bereits seit Dezember 2006 eine Lebensgemeinschaft nicht mehr bestanden.
Diese Feststellungen des LSG sind für das Revisionsgericht bindend (§
163 SGG); sie sind von dem Beklagten nicht mit zulässigen Revisionsrügen
angegriffen worden. Soweit dieser im Revisionsverfahren eine
fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG rügt, handelt es sich nicht um
einen Fehler bei der Tatsachenfeststellung, der die Aufhebung des
angefochtenen Urteils begründen kann. Der Beklagte stellt lediglich die
eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG, was wegen des
bei der Beweiswürdigung bestehenden Beurteilungsspielraums im Rahmen der
revisionsgerichtlichen Überprüfung unbeachtlich ist. Fehler bei der
Beweiswürdigung durch das LSG können nur dann zur Aufhebung des Urteils
führen, wenn die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung
überschritten sind (zB durch einen Verstoß gegen Denkgesetze, vgl May,
Die Revision, 2. Aufl 1997, VI RdNr 164). Hierfür liegen keine
Anhaltspunkte vor.
15
2. Das LSG konnte auch nicht in
zulässiger Weise im gerichtlichen Verfahren das Auskunftsbegehren des
Beklagten anstelle von § 60 Abs 4 auf § 60 Abs 2 SGB II stützen.
Insofern lagen weder die Voraussetzungen für ein sog "Nachschieben von
Gründen" vor (dazu unter a), noch konnte die Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts durch eine Umdeutung nach § 43 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X) erreicht werden (dazu unter b).
16
a)
Zwar haben die Sozialgerichte die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten
unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl nur BSGE 87, 8, 11 =
SozR 3-4100 § 152 Nr 9). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist aber
dennoch nur der jeweils erlassene Verwaltungsakt und nicht irgendeine
andere Entscheidung, die die Verwaltung zur Regelung des konkreten
Sachverhalts auch hätte treffen können (so Kischel, Folgen von
Begründungsfehlern, 2004, S 189 f). Bei der gerichtlichen Entscheidung
kann daher die von der Behörde getroffene Entscheidung nur dann auf eine
andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn hierdurch der angegriffene
Verwaltungsakt nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt
verändert wird oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen sich dadurch
nicht erheblich erschwert (vgl zum sog Nachschieben von Gründen
grundlegend: Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom
24.9.1953 in BVerwGE 1, 12; Bundessozialgericht Urteil vom
16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546; Urteil vom 25.4.2002 - B 11
AL 69/01 R).
17
Das LSG hat den angegriffenen
Auskunftsbescheid in seinem Wesensgehalt verändert, indem es zur
Begründung des Auskunftsverlangens des Beklagten auf § 60 Abs 2 SGB II
statt auf § 60 Abs 4 SGB II abgestellt hat. Eine unzulässige
Wesensveränderung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der
Verwaltungsakt mit der im gerichtlichen Verfahren "nachgeschobenen"
Begründung nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung
wesentlich von dem ursprünglichen Verwaltungsakt unterscheidet (vgl
dazu nur BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 104/85 - SozSich 1988, 373;
BSG Urteil vom 22.9.1981 - 1 RA 109/76 - SozR 1500 § 77 Nr 56). Wird ein
Verwaltungsakt auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, so ist eine
Wesensänderung dann zu bejahen, wenn die neue Rechtsgrundlage anderen
Zwecken dient. Eine Wesensänderung kann insoweit nur dann verneint
werden, wenn die neu herangezogene Vorschrift denselben Zwecken dient
und auf denselben Sachverhalt abstellt (vgl Kopp/Schenke,
Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl 2009, § 113 RdNr 65
und 67).
18
Die durch den Austausch der Rechtsgrundlage
eingetretene Wesensveränderung ergibt sich hier schon daraus, dass § 60
Abs 2 SGB II anderen Zwecken dient als die ursprünglich herangezogene
Regelung in § 60 Abs 4 SGB II. Die Auskunftsverpflichtung nach der
letztgenannten Norm beruht auf der Annahme einer Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft zwischen zwei Partnern, dagegen setzt die
Anwendung von § 60 Abs 2 SGB II ein Unterhaltsrechtsverhältnis voraus.
Während die Auskunftsverpflichtung als Partner sich unmittelbar auf die
Feststellung des Leistungsanspruchs und ggf dessen Höhe auswirkt,
besteht der Zweck der Auskunftspflicht nach § 60 Abs 2 SGB II nicht in
erster Linie in der Beschränkung oder dem Ausschluss des SGB
II-Leistungsanspruchs, sondern berührt diesen nur mittelbar. Die
Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse dient vielmehr
der Prüfung von Unterhaltsverpflichtungen, um entweder auf die
gerichtliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Wege der
Selbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 SGB II
geltend zu machen (vgl dazu insgesamt Estelmann, SGB II, Stand Februar
2005, § 60 RdNr 5).
19
Aus den Absätzen 2 und 4 des § 60 SGB
II ergeben sich zudem unterschiedliche Auswirkungen auf den konkreten
Umfang der von dem Träger benötigten und vom Auskunftspflichtigen zu
leistenden Auskünfte. So kann der Leistungsträger im Rahmen
unterhaltsrechtlicher Beziehungen die Vorlage von Belegen über die Höhe
der Einkünfte fordern (§ 60 Abs 2 Satz 3 SGB II iVm § 1605 Abs 1 Satz 2
BGB). Gegenüber einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt,
kann dagegen nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1
SGB II nur die Erteilung von Auskünften verlangt werden (vgl auch
Sander in GK-SGB II, Stand August 2008, § 60 RdNr 62; Blüggel in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 60 RdNr 31a; U. Mayer in
Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand September 2009, § 60 SGB II RdNr 28;
vgl zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz
insoweit auch BVerwGE 92, 330 sowie BGH NJW 1986, 1688).
20
b)
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung des
Verwaltungsaktes iS des § 43 SGB X zur Vermeidung einer Aufhebung der
angegriffenen Bescheide nicht vor. Die Umdeutung eines fehlerhaften
Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt voraus, dass der
Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet
ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und
Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den
Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze
des § 43 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar (so zuletzt BSG
SozR 4-1500 § 77 Nr 1).
21
Es kann hier dahinstehen, ob der
Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre,
nicht schon der erkennbaren Absicht des Beklagten widerspräche (vgl § 43
Abs 2 Satz 1 Alt 1 SGB X). Schließlich hat der Beklagte bis zur letzten
mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren Bedenken hinsichtlich der
Vorgehensweise des LSG geäußert und zugleich darauf hingewiesen, dass er
für die Zeit ab November 2008 Auskunft von dem Kläger auf der Grundlage
des § 60 Abs 2 SGB II in einem gesonderten Verfahren verlangt. Eine
Umdeutung scheidet vorliegend aber jedenfalls deshalb aus, weil der
Verwaltungsakt als Ergebnis der Umdeutung von dem Beklagten in der
vorliegenden Form nicht rechtmäßig hätte erlassen werden können (§ 43
Abs 1 SGB X). Eine Umdeutung kann nicht vorgenommen werden, wenn der
Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, fehlerhaft bleibt. In diesem
Fall kommt nur die Aufhebung in Betracht. So liegt der Fall hier. Der
Umfang der anfangs von dem Beklagten begehrten Auskunft ist bereits im
Rahmen des Widerspruchs- und dem sich daran anschließenden
Klageverfahren vor dem SG erheblich beschränkt worden. Geblieben ist
allerdings die Aufforderung an den Kläger, ein vollständig ausgefülltes
und unterschriebenes Antragsformular einzureichen. Eine Rechtsgrundlage
hierfür ist nicht ersichtlich, denn der Kläger selbst hat keine
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragt.
Auch hat weder die Mutter der gemeinsamen Kinder, Frau S, Leistungen
für den Kläger beantragt, noch besteht vor dem Hintergrund des
Bestreitens der Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft Raum für eine
vermutete Bevollmächtigung (vgl auch Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B
14 AS 23/07 R -, dort allerdings zum Meistbegünstigungsprinzip).
22
Der
Kläger ist auch nicht als Antragsteller und deshalb zur Mitwirkung
Verpflichteter nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ( zur
ergänzenden Anwendung der §§ 60 ff SGB I im Rahmen des SGB II vgl BSG
Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 §
60 Nr 2 und Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R) anzusehen, weil er -
nach Auffassung des Beklagten - einer Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin
S und den drei gemeinsamen Kindern angehört. Ansprüche der
Bedarfsgemeinschaft als solcher gibt es nicht, Anspruchsinhaber ist
vielmehr jeder Einzelne (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1,
jeweils RdNr 12). Gegen seinen Willen kann auch ein Anspruchsinhaber
nicht zum Antragsteller werden.
23
Es war nicht zu
entscheiden, ob der Beklagte die im Bescheid aufgeführten weiteren
Unterlagen und Nachweise in rechtmäßiger Weise anfordern konnte. Da der
Verwaltungsakt insgesamt aufzuheben war, kam eine geltungserhaltende
Reduktion im Rahmen der Umdeutung bei dem Auskunftsbegehren nach § 60
SGB II nicht in Betracht. Bereits bei der früheren Sozialhilfe war
allgemein anerkannt, dass - seinerzeit auf § 116 Abs 1 BSHG gestützte -
Auskunftsverlangen regelmäßig als einheitliche Verwaltungsakte anzusehen
waren, bei denen eine Teilrechtswidrigkeit grundsätzlich ausschied (vgl
nur BVerwGE 91, 375; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom
18.4.2005 - 12 Cs 04.3362 -; Oberverwaltungsgericht Lüneburg Urteil vom
8.4.1992 - 4 L 57/90 -; für ausnahmsweise Teilrechtswidrigkeit BVerwGE
92, 330). Für die Auskunftsverpflichtung im Rahmen des SGB II kann in
der Regel nichts anderes gelten, Gründe für eine ausnahmsweise
anzunehmende Teilrechtswidrigkeit sind hier nicht ersichtlich.
24
3.
Weitere Rechtsgrundlagen, auf die das Auskunftsbegehren in rechtmäßiger
Weise hätte gestützt werden können, existieren nicht. Dies gilt
insbesondere für § 99 SGB X. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben,
ob § 99 SGB X als Rechtsgrundlage schon deshalb ausscheidet, weil es
sich beim SGB II nicht um einen Bestandteil der Sozialversicherung
handelt (vgl § 4 Abs 2 SGB I; zur Nichtanwendbarkeit des § 99 SGB X im
Arbeitsförderungsrecht BSG Urteil vom 16.8.1989 - 7 RAr 82/88 - SozR
4100 § 144 Nr 1 S 2, juris RdNr 19; für die ergänzende Heranziehung der
§§ 98 ff SGB X dagegen Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 2009, § 60
RdNr 7). Zumindest für die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht Dritter
stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 99 SGB X nicht, da §
60 SGB II die Einholung der zur Durchführung des SGB II benötigten
Auskünfte Dritter abschließend regelt.
25
4. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154
Abs 1 VwGO. Weder der Kläger noch der Beklagte gehören zu den in § 183
SGG genannten Personen, für die Kostenfreiheit hinsichtlich der
Gerichtskosten besteht.
26
Die Streitwertfestsetzung folgt aus
§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2 und § 47 Abs 2
Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Mangels genügender Anhaltspunkte für
den Wert des Auskunftsverlangens war hier der Auffangstreitwert von 5000
Euro gemäß § 52 Abs 2 GKG zugrunde zu legen. Der Senat hat als
Revisionsgericht in erweiternder Auslegung des § 63 Abs 3 Satz 1 GKG von
seiner Befugnis Gebrauch gemacht, auch den Streitwert für das Klage-
und das Berufungsverfahren festzusetzen (vgl BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 §
183 Nr 4 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl
2008, § 197a RdNr 5).
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=12025
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/06/aukunftspflicht-eines-partners-nur-bei.html
Gruß Wili S
Eine
Auskunftpflicht des Partners (in einer eheähnlichen Gemeinschaft)
besteht nur, wenn die Partnerschaft noch besteht.Das Jobcenter kann sein
Auskunftsverlangen auch nicht im nachträglich Gerichtsverfahren auf
einen Auskunftanspruch wegen Unterhaltsansprüche (§ 60 Abs. 2 SGB II)
stützen, denn dadurch wird der ursprüngliche Verwaltungsakt
(Auskunftsbescheid) in seinem Wesengehalt geändert. Eine Umdeutung eines
Auskunftsanspruches wegen der Partnerschaft (nichtehelichen
Lebensgemeinschaft) in einen wegen der Unterhaltsverpflichtungen ist
nicht möglich.
Anmerkung: im konkreten Fall bestand zwischen der
Person von der Auskunft verlangt wurde urspürnglich eine
Lebensgemeinschaft, die aber beedet wurde. Aus der Partnerschaft waren
gemeinsame Kinder hervorgegangen. Wegen der Kinder hielten die
Vorinstanzen das Auskunftsverlangen für berechtigt. Das
Bundessozialgericht ist dem nicht gefolgt. Eine Teilrechtswidrigkeit
gegenüber dem Auskunftsbegehren gegenüber dem Ex-Partner erfasst den
gesamten Bescheid. Der Entscheidung ist sowohl im Ergebnis als auch in
der Begründung zuzustimmen.
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 24.2.2011, B 14 AS 87/09 R
Grundsicherung
für Arbeitsuchende - Auskunftsverlangen des Grundsicherungsträgers -
sozialgerichtliches Verfahren - kein Austausch der Rechtsgrundlage -
keine Umdeutung - keine Anwendung von § 99 SGB 10 -
Streitwertfestsetzung
Leitsätze
Das Auskunftsverlangen
eines Grundsicherungsträgers kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht
auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn diese Regelung
anderen Zwecken dient oder auf einen anderen Sachverhalt abstellt.
Tenor
Das
Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009
und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie
der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.
Der Streitwert wird für alle drei Rechtszüge auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung.
2
Der
im 1968 geborene Kläger ist Inhaber eines Gerüstbauunternehmens. Mit
der im Jahre 1969 geborenen Frau S und den drei gemeinsamen, in den
Jahren 2001, 2002 und 2005 geborenen Kindern, war er Mieter eines
Einfamilienhauses. Am 1.3.2007 beantragte Frau S für sich und die Kinder
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II).
3
Mit Bescheid vom 25.6.2007
forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf, "zur
Überprüfung des Leistungsanspruches von S" im Einzelnen aufgezählte
Unterlagen einzureichen und Auskünfte zu erteilen und diese durch
entsprechende geeignete Nachweise zu belegen. Verlangt wurde ua ein
vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular für den
Bezug von SGB II-Leistungen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet
und die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht.
4
In der
Begründung des Bescheids heißt es, Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht
des Klägers sei § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II. Als Partner der
Antragstellerin sei er auf Verlangen zur Auskunft über sein Einkommen
und Vermögen verpflichtet. Diese Auskunft sei auch zur Prüfung des
Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
erforderlich, weil gemäß § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II das Einkommen und
Vermögen des Partners zu berücksichtigen sei. Außerdem gelte die
Vermutung, dass der Kläger als Partner der Frau S von dieser
mitvertreten werde, weshalb er auch den allgemeinen Mitwirkungspflichten
unterliege und deshalb verpflichtet sei, alle leistungserheblichen
Tatsachen anzugeben, wenn er Sozialleistungen beantrage.
5
Auf
den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte den Bescheid vom 25.6.2007
durch Widerspruchsbescheid vom 8.2.2008 teilweise auf und wies den
Widerspruch im Übrigen zurück. Vom Kläger könnten nur solche Unterlagen
und Auskünfte verlangt werden, die seine Einkommens- und
Vermögensverhältnisse beträfen. Die Auskunftsverpflichtung ergebe sich
aus § 60 Abs 4 SGB II. Zugleich setzte der Beklagte ein Zwangsgeld gegen
den Kläger fest.
6
Sowohl gegen die Zwangsgeldfestsetzung als
auch gegen die Auskunftsverpflichtung hat der Kläger jeweils nach
Abschluss des erfolglosen Widerspruchsverfahrens Klage erhoben. Im
Hinblick auf die Zwangsgeldfestsetzung hat der Beklagte ein Anerkenntnis
abgegeben, das der Kläger angenommen hat. Im Hinblick auf den
Auskunftsbescheid hat das Sozialgericht (SG) die angegriffenen Bescheide
mit Urteil vom 12.8.2008 teilweise geändert und den Kläger von der
Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen entlastet; im Übrigen hat es
die Klage abgewiesen mit der Begründung, aus der nach wie vor
bestehenden Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft folge die zwischen
den Beteiligten streitige Auskunftsverpflichtung.
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Zum
1.11.2008 ist Frau S mit den gemeinsamen Kindern in eine eigene Wohnung
umgezogen und hat dort ihren Hauptwohnsitz angemeldet. Im
Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) nach Vernehmung der
Frau S die Berufung des Klägers mit Urteil vom 24.4.2009
zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, der Kläger sei
zwar nicht nach § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als Partner einer
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auskunftspflichtig, denn die
Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau S habe tatsächlich seit
Dezember 2006 nicht mehr bestanden. Die Berufung könne gleichwohl keinen
Erfolg haben, da der Kläger die begehrte Auskunft gemäß § 60 Abs 2 SGB
II iVm § 1605 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schulde. Er sei
bereits wegen seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern
auskunftspflichtig. Eine Unterhaltsvereinbarung vermöge daran nichts zu
ändern, denn die Mutter der gemeinsamen Kinder könne unter keinem
denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt auf etwaige Ansprüche verzichten mit
der Folge, dass dann der Beklagte für den Lebensunterhalt aufkommen
müsse.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat
zugelassenen Revision. Zur Begründung führt er aus, der Beklagte könne
das Auskunftsverlangen nicht auf § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II stützen,
weil es insoweit - wie das LSG zutreffend entschieden habe - an einer
Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft gefehlt habe. Das LSG habe
die Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide aber nicht ohne Weiteres
austauschen dürfen. Der Kläger rügt darüber hinaus eine Verletzung des §
60 Abs 2 SGB II iVm § 1605 Abs 1 BGB.
9
Der Kläger beantragt,
das
Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009
und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie
den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 insgesamt aufzuheben.
10
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11
Der
Beklagte hält weiterhin an § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als
Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen fest und teilt im Übrigen die
Bedenken des Klägers hinsichtlich der Vorgehensweise des LSG.
Entscheidungsgründe
12
Die
statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet (§ 170
Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
des Beklagten gegenüber dem Kläger war in seiner konkreten Form
rechtswidrig, sodass der Kläger beschwert und seine Anfechtungsklage in
vollem Umfang begründet ist (§ 54 Abs 1 und 2 SGG).
13
Gegenstand
des Revisionsverfahrens ist der ursprüngliche Auskunftsbescheid des
Beklagten vom 25.6.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
8.2.2008 und des Urteils des SG vom 12.8.2008. Für das konkrete
Auskunftsverlangen des Beklagten fehlte es an einer Rechtsgrundlage. Die
Voraussetzungen des § 60 Abs 4 SGB II, auf den der Beklagte sein
Auskunftsbegehren nach wie vor stützen möchte, liegen nach den nicht mit
Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG nicht vor (dazu
unter 1.). Das Vorgehen des Beklagten konnte entgegen der Meinung des
LSG auch nicht nachträglich auf § 60 Abs 2 SGB II gestützt werden (dazu
unter 2.). Andere Rechtsgrundlagen für das Auskunftsverlangen scheiden
aus (dazu unter 3.).
14
1. Der Beklagte konnte von dem Kläger
nach § 60 Abs 4 SGB II keine Auskunft verlangen, weil die
Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Norm - das Vorliegen einer
Partnerschaft gemäß § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II - nach den Feststellungen des
LSG, nicht gegeben war. Danach hat zwischen dem Kläger und Frau S
bereits seit Dezember 2006 eine Lebensgemeinschaft nicht mehr bestanden.
Diese Feststellungen des LSG sind für das Revisionsgericht bindend (§
163 SGG); sie sind von dem Beklagten nicht mit zulässigen Revisionsrügen
angegriffen worden. Soweit dieser im Revisionsverfahren eine
fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG rügt, handelt es sich nicht um
einen Fehler bei der Tatsachenfeststellung, der die Aufhebung des
angefochtenen Urteils begründen kann. Der Beklagte stellt lediglich die
eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG, was wegen des
bei der Beweiswürdigung bestehenden Beurteilungsspielraums im Rahmen der
revisionsgerichtlichen Überprüfung unbeachtlich ist. Fehler bei der
Beweiswürdigung durch das LSG können nur dann zur Aufhebung des Urteils
führen, wenn die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung
überschritten sind (zB durch einen Verstoß gegen Denkgesetze, vgl May,
Die Revision, 2. Aufl 1997, VI RdNr 164). Hierfür liegen keine
Anhaltspunkte vor.
15
2. Das LSG konnte auch nicht in
zulässiger Weise im gerichtlichen Verfahren das Auskunftsbegehren des
Beklagten anstelle von § 60 Abs 4 auf § 60 Abs 2 SGB II stützen.
Insofern lagen weder die Voraussetzungen für ein sog "Nachschieben von
Gründen" vor (dazu unter a), noch konnte die Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts durch eine Umdeutung nach § 43 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X) erreicht werden (dazu unter b).
16
a)
Zwar haben die Sozialgerichte die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten
unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl nur BSGE 87, 8, 11 =
SozR 3-4100 § 152 Nr 9). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist aber
dennoch nur der jeweils erlassene Verwaltungsakt und nicht irgendeine
andere Entscheidung, die die Verwaltung zur Regelung des konkreten
Sachverhalts auch hätte treffen können (so Kischel, Folgen von
Begründungsfehlern, 2004, S 189 f). Bei der gerichtlichen Entscheidung
kann daher die von der Behörde getroffene Entscheidung nur dann auf eine
andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn hierdurch der angegriffene
Verwaltungsakt nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt
verändert wird oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen sich dadurch
nicht erheblich erschwert (vgl zum sog Nachschieben von Gründen
grundlegend: Bundesverwaltungsgericht
24.9.1953 in BVerwGE 1, 12; Bundessozialgericht
16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546; Urteil vom 25.4.2002 - B 11
AL 69/01 R).
17
Das LSG hat den angegriffenen
Auskunftsbescheid in seinem Wesensgehalt verändert, indem es zur
Begründung des Auskunftsverlangens des Beklagten auf § 60 Abs 2 SGB II
statt auf § 60 Abs 4 SGB II abgestellt hat. Eine unzulässige
Wesensveränderung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der
Verwaltungsakt mit der im gerichtlichen Verfahren "nachgeschobenen"
Begründung nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung
wesentlich von dem ursprünglichen Verwaltungsakt unterscheidet (vgl
dazu nur BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 104/85 - SozSich 1988, 373;
BSG Urteil vom 22.9.1981 - 1 RA 109/76 - SozR 1500 § 77 Nr 56). Wird ein
Verwaltungsakt auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, so ist eine
Wesensänderung dann zu bejahen, wenn die neue Rechtsgrundlage anderen
Zwecken dient. Eine Wesensänderung kann insoweit nur dann verneint
werden, wenn die neu herangezogene Vorschrift denselben Zwecken dient
und auf denselben Sachverhalt abstellt (vgl Kopp/Schenke,
Verwaltungsgerichtsordnung
und 67).
18
Die durch den Austausch der Rechtsgrundlage
eingetretene Wesensveränderung ergibt sich hier schon daraus, dass § 60
Abs 2 SGB II anderen Zwecken dient als die ursprünglich herangezogene
Regelung in § 60 Abs 4 SGB II. Die Auskunftsverpflichtung nach der
letztgenannten Norm beruht auf der Annahme einer Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft zwischen zwei Partnern, dagegen setzt die
Anwendung von § 60 Abs 2 SGB II ein Unterhaltsrechtsverhältnis voraus.
Während die Auskunftsverpflichtung als Partner sich unmittelbar auf die
Feststellung des Leistungsanspruchs und ggf dessen Höhe auswirkt,
besteht der Zweck der Auskunftspflicht nach § 60 Abs 2 SGB II nicht in
erster Linie in der Beschränkung oder dem Ausschluss des SGB
II-Leistungsanspruchs, sondern berührt diesen nur mittelbar. Die
Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse dient vielmehr
der Prüfung von Unterhaltsverpflichtungen, um entweder auf die
gerichtliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Wege der
Selbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 SGB II
geltend zu machen (vgl dazu insgesamt Estelmann, SGB II, Stand Februar
2005, § 60 RdNr 5).
19
Aus den Absätzen 2 und 4 des § 60 SGB
II ergeben sich zudem unterschiedliche Auswirkungen auf den konkreten
Umfang der von dem Träger benötigten und vom Auskunftspflichtigen zu
leistenden Auskünfte. So kann der Leistungsträger im Rahmen
unterhaltsrechtlicher Beziehungen die Vorlage von Belegen über die Höhe
der Einkünfte fordern (§ 60 Abs 2 Satz 3 SGB II iVm § 1605 Abs 1 Satz 2
BGB). Gegenüber einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt,
kann dagegen nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1
SGB II nur die Erteilung von Auskünften verlangt werden (vgl auch
Sander in GK-SGB II, Stand August 2008, § 60 RdNr 62; Blüggel in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 60 RdNr 31a; U. Mayer in
Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand September 2009, § 60 SGB II RdNr 28;
vgl zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz
insoweit auch BVerwGE 92, 330 sowie BGH NJW 1986, 1688).
20
b)
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung des
Verwaltungsaktes iS des § 43 SGB X zur Vermeidung einer Aufhebung der
angegriffenen Bescheide nicht vor. Die Umdeutung eines fehlerhaften
Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt voraus, dass der
Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet
ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und
Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den
Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze
des § 43 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar (so zuletzt BSG
SozR 4-1500 § 77 Nr 1).
21
Es kann hier dahinstehen, ob der
Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre,
nicht schon der erkennbaren Absicht des Beklagten widerspräche (vgl § 43
Abs 2 Satz 1 Alt 1 SGB X). Schließlich hat der Beklagte bis zur letzten
mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren Bedenken hinsichtlich der
Vorgehensweise des LSG geäußert und zugleich darauf hingewiesen, dass er
für die Zeit ab November 2008 Auskunft von dem Kläger auf der Grundlage
des § 60 Abs 2 SGB II in einem gesonderten Verfahren verlangt. Eine
Umdeutung scheidet vorliegend aber jedenfalls deshalb aus, weil der
Verwaltungsakt als Ergebnis der Umdeutung von dem Beklagten in der
vorliegenden Form nicht rechtmäßig hätte erlassen werden können (§ 43
Abs 1 SGB X). Eine Umdeutung kann nicht vorgenommen werden, wenn der
Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, fehlerhaft bleibt. In diesem
Fall kommt nur die Aufhebung in Betracht. So liegt der Fall hier. Der
Umfang der anfangs von dem Beklagten begehrten Auskunft ist bereits im
Rahmen des Widerspruchs- und dem sich daran anschließenden
Klageverfahren vor dem SG erheblich beschränkt worden. Geblieben ist
allerdings die Aufforderung an den Kläger, ein vollständig ausgefülltes
und unterschriebenes Antragsformular einzureichen. Eine Rechtsgrundlage
hierfür ist nicht ersichtlich, denn der Kläger selbst hat keine
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragt.
Auch hat weder die Mutter der gemeinsamen Kinder, Frau S, Leistungen
für den Kläger beantragt, noch besteht vor dem Hintergrund des
Bestreitens der Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft Raum für eine
vermutete Bevollmächtigung (vgl auch Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B
14 AS 23/07 R -, dort allerdings zum Meistbegünstigungsprinzip).
22
Der
Kläger ist auch nicht als Antragsteller und deshalb zur Mitwirkung
Verpflichteter nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
ergänzenden Anwendung der §§ 60 ff SGB I im Rahmen des SGB II vgl BSG
Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 §
60 Nr 2 und Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R) anzusehen, weil er -
nach Auffassung des Beklagten - einer Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin
S und den drei gemeinsamen Kindern angehört. Ansprüche der
Bedarfsgemeinschaft als solcher gibt es nicht, Anspruchsinhaber ist
vielmehr jeder Einzelne (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1,
jeweils RdNr 12). Gegen seinen Willen kann auch ein Anspruchsinhaber
nicht zum Antragsteller werden.
23
Es war nicht zu
entscheiden, ob der Beklagte die im Bescheid aufgeführten weiteren
Unterlagen und Nachweise in rechtmäßiger Weise anfordern konnte. Da der
Verwaltungsakt insgesamt aufzuheben war, kam eine geltungserhaltende
Reduktion im Rahmen der Umdeutung bei dem Auskunftsbegehren nach § 60
SGB II nicht in Betracht. Bereits bei der früheren Sozialhilfe war
allgemein anerkannt, dass - seinerzeit auf § 116 Abs 1 BSHG gestützte -
Auskunftsverlangen regelmäßig als einheitliche Verwaltungsakte anzusehen
waren, bei denen eine Teilrechtswidrigkeit grundsätzlich ausschied (vgl
nur BVerwGE 91, 375; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom
18.4.2005 - 12 Cs 04.3362 -; Oberverwaltungsgericht Lüneburg Urteil vom
8.4.1992 - 4 L 57/90 -; für ausnahmsweise Teilrechtswidrigkeit BVerwGE
92, 330). Für die Auskunftsverpflichtung im Rahmen des SGB II kann in
der Regel nichts anderes gelten, Gründe für eine ausnahmsweise
anzunehmende Teilrechtswidrigkeit sind hier nicht ersichtlich.
24
3.
Weitere Rechtsgrundlagen, auf die das Auskunftsbegehren in rechtmäßiger
Weise hätte gestützt werden können, existieren nicht. Dies gilt
insbesondere für § 99 SGB X. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben,
ob § 99 SGB X als Rechtsgrundlage schon deshalb ausscheidet, weil es
sich beim SGB II nicht um einen Bestandteil der Sozialversicherung
handelt (vgl § 4 Abs 2 SGB I; zur Nichtanwendbarkeit des § 99 SGB X im
Arbeitsförderungsrecht BSG Urteil vom 16.8.1989 - 7 RAr 82/88 - SozR
4100 § 144 Nr 1 S 2, juris RdNr 19; für die ergänzende Heranziehung der
§§ 98 ff SGB X dagegen Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 2009, § 60
RdNr 7). Zumindest für die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht Dritter
stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 99 SGB X nicht, da §
60 SGB II die Einholung der zur Durchführung des SGB II benötigten
Auskünfte Dritter abschließend regelt.
25
4. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154
Abs 1 VwGO. Weder der Kläger noch der Beklagte gehören zu den in § 183
SGG genannten Personen, für die Kostenfreiheit hinsichtlich der
Gerichtskosten besteht.
26
Die Streitwertfestsetzung folgt aus
§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2 und § 47 Abs 2
Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Mangels genügender Anhaltspunkte für
den Wert des Auskunftsverlangens war hier der Auffangstreitwert von 5000
Euro gemäß § 52 Abs 2 GKG zugrunde zu legen. Der Senat hat als
Revisionsgericht in erweiternder Auslegung des § 63 Abs 3 Satz 1 GKG von
seiner Befugnis Gebrauch gemacht, auch den Streitwert für das Klage-
und das Berufungsverfahren festzusetzen (vgl BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 §
183 Nr 4 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl
2008, § 197a RdNr 5).
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=12025
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/06/aukunftspflicht-eines-partners-nur-bei.html
Gruß Wili S
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