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BSG - Keine KDU-Deckelung bei Umzug vor Leistungsbeginn Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Angemessenheitsgrenze für die Stadt Wilhelmshaven - Kostensenkungsaufforderung - Kenntnis BSG, Urteil vom 17. 12. 2009 - B 4 AS 19/09 R
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BSG - Keine KDU-Deckelung bei Umzug vor Leistungsbeginn Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Angemessenheitsgrenze für die Stadt Wilhelmshaven - Kostensenkungsaufforderung - Kenntnis BSG, Urteil vom 17. 12. 2009 - B 4 AS 19/09 R
1
Tatbestand: Streitig ist, ob dem Kläger vom 1. 12. 2007 bis 31. 5.
2008 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU)
zustehen.
2
Der Kläger mietete zum 1. 12. 2007 eine 49, 31 qm
große Zweizimmerwohnung in W. (Mietvertrag vom 19. 11. 2007), nachdem er
sich von seiner Freundin getrennt und aus der gemeinsamen Wohnung
ausgezogen war. Die Bruttokaltmiete für die neue Wohnung betrug 291, 90
Euro (Kaltmiete 216, 50 Euro, Betriebskosten 75, 40 Euro) und die
Heizkostenvorauszahlung 70 Euro. Auf seinen Erstantrag - ebenfalls vom
19. 11. 2007 - bewilligte der Beklagte dem Kläger neben der
Regelleistung Leistungen für KdU in Höhe von 319 Euro für den Monat
Dezember 2007 und 324 Euro für die Monate Januar bis Mai 2008. Der
Beklagte begründete die Höhe der Leistungen für KdU damit, dass nur die
angemessenen Aufwendungen zu übernehmen seien. Der Kläger sei ohne
vorherige Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten in die neue
Wohnung umgezogen. Die Mietobergrenze für Einpersonenhaushalte nach dem
SGB II betrage in W. für Kaltmiete plus Nebenkosten 259 Euro (Bescheid
vom 20. 12. 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. 1.
2008).
3
Das SG Oldenburg hat den Bescheid des Beklagten vom 20.
12. 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. 1. 2008
aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger für den
streitgegenständlichen Zeitraum neu zu bescheiden sowie der
Leistungsgewährung einen Betrag von 355, 64 Euro im Monat als Kosten der
Unterkunft zu Grunde zu legen. Dahinstehen könne, ob der Kläger
verpflichtet gewesen sei, vor dem Umzug eine Zusicherung von dem
Beklagten einzuholen. Jedenfalls habe er Anspruch auf höhere
Unterkunftsleistungen. Es sei nicht erkennbar, wie der Beklagte zu der
von ihm angenommenen Mietobergrenze gekommen sei. In einem solchen Fall
sei auf die Wohngeldtabelle nach dem Wohngeldgesetz - für W. auf einen
Betrag von 280 Euro abzustellen. Hinzu komme ein Zuschlag von 10 %, weil
die Werte nach der Wohngeldtabelle seit 2001 nicht erhöht worden seien.
Die Mietobergrenze betrage daher 308 Euro, die vorliegend nicht
überschritten werde. Zudem habe der Beklagte für die Warmwasserbereitung
nicht 6, 72 Euro, sondern unter Beachtung der Rechtsprechung des 14.
Senats des BSG nur 6, 26 Euro in Abzug bringen dürfen. Daher seien dem
Kläger Leistungen für Heizkosten in Höhe von 63, 74 Euro (70 - 6, 26 =
63, 74 Euro) zu gewähren (Urteil vom 18. 6. 2008). Das LSG
Niedersachsen-Bremen hat die Berufung des Beklagten hiergegen
zurückgewiesen. Der Kläger habe Anspruch auf Unterkunftskosten in Höhe
der tatsächlich bruttokalt von ihm zu zahlenden 291, 90 Euro sowie der
zutreffend vom SG ausgewiesenen 63, 74 Euro für Heizung. Der Beklagte
habe zwar bei ausreichender Datengrundlage ein schlüssiges Konzept zur
Ermittlung der Mietobergrenze angewandt. Er habe jedoch unzutreffende
Schlüsse gezogen, indem er die sich aus der Ermittlung ergebenden
Durchschnittsmieten als angemessene Mieten erachtet habe. Dies stehe zur
Produkttheorie im Widerspruch. Es habe vielmehr ein Quadratmeterpreis
abgeleitet werden müssen (Urteil vom 11. 12. 2008).
4
Der Beklagte
rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II.
Er habe für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nicht nur
ein schlüssiges Konzept angewandt, sondern hieraus auch zutreffende
Schlüsse gezogen.
5
Der Beklagte beantragt, die Urteile des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. 12. 2008 und des
Sozialgerichts Oldenburg vom 18. Juni 2008 aufzuheben sowie die Klage
abzuweisen, soweit dieser stattgegeben wurde.
6
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
8
Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
9
Der
Senat vermochte nicht abschließend über den Anspruch des Klägers auf
Leistungen für KdU in Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen (abzüglich
eines Anteils für Warmwasserbereitung von 6, 26 Euro monatlich) zu
entscheiden. Zwar ist der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs 1 Satz 1
SGB II grundsätzlich nur verpflichtet, die angemessenen
Unterkunftskosten zu übernehmen. Die Absenkung der Leistung für KdU von
der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen auf die nach Ansicht des
Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten setzt jedoch voraus, dass den
Hilfebedürftigen eine Kostensenkungsobliegenheit iS des § 22 Abs 1 Satz
3 SGB II trifft. Sie trifft ihn nur, wenn er Kenntnis von dieser
Obliegenheit hat. Dieses gilt auch, wenn der Hilfebedürftige kurz vor
Beginn des Leistungsbezugs eine neue Wohnung zu einem unangemessenen
Mietzins anmietet. Der Grundsicherungsträger ist daher zunächst
verpflichtet, die tatsächlichen Kosten der Wohnung - in der Regel für
längstens sechs Monate - zu tragen, es sei denn der Hilfebedürftige
hatte bei Abschluss des Mietvertrags ihm zurechenbar Kenntnis von der
Unangemessenheit der Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Einer
Zusicherung iS des § 22 Abs 2 SGB II bedarf es im Gegensatz zur
Auffassung des Beklagten vor der Erstantragstellung jedoch nicht.
10
Zur Höhe der Leistungen für KdU fehlt es an Feststellungen des LSG.
11
1.
Streitig sind im vorliegenden Fall alleine Leistungen für Unterkunft
und Heizung nach § 22 SGB II. Der Beklagte hat - nach Auslegung des
Antrags in Verbindung mit seinem Vorbringen - Berufung und Revision
zulässigerweise auf diese Leistungen beschränkt (vgl BSG Urteil vom 7.
11. 2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1).
Streitig ist der Zeitraum vom 1. 12. 2007 bis 31. 5. 2008. Der Kläger
hat mit seiner Klage vor dem SG Oldenburg den diesen Zeitraum
betreffenden Bescheid vom 20. 12. 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. 1. 2008 angefochten. Zutreffend ist das
LSG davon ausgegangen, dass die Folgebescheide, die andere Zeiträume
betreffen, nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind. § 96 SGG
ist bei einer derartigen Konstellation nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG nicht anwendbar (s nur BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS
14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSG Urteil vom 29. 3.
2007 - B 7b AS 4/06 R; BSG Urteil vom 25. 6. 2008 - B 11b AS 45/06 R).
12
2.
Der Kläger ist Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II idF des Kommunalen
Optionsgesetzes vom 30. 7. 2004 (BGBl I 2014). Er hat das 15. Lebensjahr
vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB
II). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)
ist er - trotz der von ihm angegebenen gesundheitlichen Einschränkungen
- erwerbsfähig. Zum gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers mangelt es zwar
an ausdrücklichen Feststellungen des LSG. Aus dem Gesamtzusammenhang
seiner Ausführungen ist jedoch zu ersehen, dass auch die Voraussetzungen
iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II gegeben waren. Der Kläger war auch
hilfebedürftig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II.
13
3. Zwar
sind als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II
nur die angemessenen Aufwendungen des Hilfebedürftigen zu übernehmen.
Der Senat kann nach dem Stand des Verfahrens hier jedoch unentschieden
lassen, ob die tatsächlich entstandenen Kosten als angemessene KdU
anzusehen sind. Denn ein Anspruch auf die tatsächlichen
Unterkunftskosten kann sich hier aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ergeben.
14
Nach
§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für Unterkunft, soweit
sie nach den Besonderheiten des Einzelfalls den angemessenen Umfang
übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen … so lange
zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen … nicht
möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch
Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel
jedoch längstens für sechs Monate. Vorliegend könnte es an der
subjektiven Möglichkeit der Kostensenkung iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB
II mangeln.
15
Subjektiv möglich sind einem Hilfebedürftigen
Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn
die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (vgl BSG
Urteil vom 19. 2. 2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263; so wohl auch
Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IX/09, § 22 RdNr 63). Dieses
entspricht ständiger Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung
für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG. So ist nach Auffassung
des 14. Senats die erforderliche Kenntnis der Obliegenheit zur Senkung
der Kosten der Unterkunft zu verneinen, wenn der Grundsicherungsträger
bezüglich der Erforderlichkeit einer Kostensenkungsmaßnahme ein
widersprüchliches Verhalten gezeigt hat. Ohne diese Kenntnis könnten
Kostensenkungsmaßnahmen vom Hilfebedürftigen nicht erwartet werden (BSG
Urteil vom 7. 5. 2009 - B 14 AS 14/08 R). Auch der erkennende Senat
sieht, wie schon in der "Münchenentscheidung" angedeutet, den
Hilfebedürftigen an Kostensenkungsmaßnahmen gehindert, wenn er durch das
Verhalten des Grundsicherungsträgers irregeführt wird (BSG Urteil vom
19. 2. 2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263). Nichts anderes kann in
einer Situation gelten, in der der Hilfebedürftige erstmals Leistungen
nach dem SGB II beantragt hat und diese nicht in tatsächlicher Höhe,
sondern nur "abgesenkt" bewilligt werden, ohne dass der Hilfebedürftige
seine Obliegenheit zur Kostensenkung kennt. Bevor er nicht von dem
zuständigen Träger darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass nach
dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der vom
Hilfebedürftigen gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist es ihm
subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (so auch
im Falle der mietvertraglich unwirksam vereinbarten Miethöhe BSG Urteil
vom 22. 9. 2009 - B 4 AS 8/09 R).
16
Dem steht nicht entgegen,
dass § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II kein Erfordernis einer
Kostensenkungsaufforderung enthält (BSG Urteil vom 27. 2. 2008 - B 14/7b
AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr .
Nach der Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG hat der
Hinweis auf die Rechtslage nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zwar allein
Aufklärungs- und Warnfunktion. Bezweckt werden soll damit allerdings,
dass der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des
Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft erhält
(vgl BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR
4-4200 § 22 Nr 2; BSG Urteil vom 19. 3. 2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR
4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20 ff). § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II normiert damit
keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Beklagten über
die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer
anderen, angemessenen Unterkunft. Die Vorschrift stellt auch keine
sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese
Erklärung. Andererseits erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion,
dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da
dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung
der Angemessenheit ist (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B
7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Diese
Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der
Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden
Schutzfunktion (vgl hierzu BSG Urteil vom 19. 9. 2008 - B 14 AS 54/07
R). Mit der Zumutbarkeitsregelung soll verhindert werden, dass der
Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit
gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine
Übergangszeit verbleiben, in der er sich um Kostensenkungsmaßnahmen
bemühen kann. Ist ein Umzug erforderlich, etwa um eine Wohnung zu einem
angemessenen Mietpreis anzumieten, besteht eine "Schonzeit" nach § 22
Abs 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten (BSG Urteil
vom 19. 9. 2008 - B 14 AS 54/07 R; BSG Urteil vom 19. 2. 2009 - B 4 AS
30/08 R - BSGE 102, 263) ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des
Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen.
17
Dieses gilt auch
dann, wenn ein Leistungsberechtigter kurz vor dem Beginn des
Leistungsbezugs eine Wohnung anmietet, deren Kosten unangemessen hoch
sind und er keine Kenntnis von der Unangemessenheit der Mietkosten hat.
Der Senat folgt insoweit der abweichenden Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
nicht. Das BVerwG ging bei seiner Rechtsprechung zu § 3 Abs 1 Satz 2
Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) davon aus, dass derjenige, der im
Zeitpunkt des Wohnungswechsels Hilfe zum Lebensunterhalt nicht bezieht
und eine Wohnung anmietet, hinsichtlich deren Miete er weiß, dass er sie
nicht aus eigenen Mitteln werde bestreiten können (vgl BVerwG Urteil
vom 27. 11. 1986 - 5 C 2/85 - - BVerwGE 75, 168 -; BVerwG Urteil vom 30.
5. 1996 - - 5 C 14. 95 - - BVerwGE 101, 194; 30. 5. 1996 - 5 C 4/95),
von vornherein nicht in den Schutzbereich der genannten Regelung falle.
Nach § 3 Abs 1 Satz 2 der RegelsatzVO waren die Aufwendungen für die
Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen
Umfang überstiegen, als Bedarf der Personen, deren Einkommen und
Vermögen nach § 11 Abs 1 BSHG zu berücksichtigen war, so lange
anzuerkennen, als es dieser Person nicht möglich oder nicht zuzumuten
war, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise
die Aufwendungen zu senken. Eine derartige Begrenzung der
Leistungserbringung für Unterkunftskosten bereits mit Leistungsbeginn
ist nach der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht mehr zu
rechtfertigen. Danach sind unangemessene Aufwendungen für Unterkunft "in
der Regel" für längstens sechs Monate zu übernehmen. Das Gesetz wird
damit nun beiden Seiten gerecht. Einerseits zieht es eine zeitliche
Regelgrenze für die Übernahme unangemessener Unterkunftskosten und lässt
Ausnahmen hiervon zu, andererseits schützt es den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in seinem elementaren Grundbedürfnis nach Sicherung des
Wohnraums. Soweit also das BVerwG durch die "Nichtanwendung" der
Schutzvorschrift des § 3 Abs 1 Satz 2 RegelsatzVO im Falle der bewussten
Anmietung einer sozialhilferechtlich unangemessenen Wohnung vor dem
Beginn des Leistungsbezugs eine "Unbilligkeitserwägung" zum Ausdruck
bringt, trägt § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II dem bereits dadurch Rechnung,
dass er die Übernahme von unangemessenen Kosten in der Regel für
längstens sechs Monate begrenzt. Wird mithin bösgläubig, also
zurechenbar sowohl in Kenntnis des zu erwartenden SGB II-Leistungsbezugs
als auch unangemessener tatsächlicher Kosten der Unterkunft
beispielsweise ein Mietvertrag über eine "Luxuswohnung" abgeschlossen,
brauchen die unangemessenen Kosten je nach Lage des Einzelfalls nicht
oder jedenfalls nicht für sechs Monate vom Grundsicherungsträger
übernommen zu werden (vgl hierzu BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS
10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Da es im vorliegenden
Fall an Feststellungen des LSG zu den Umständen des Abschlusses des
Mietvertrags des Klägers mangelt, vermochte der Senat nicht zu
beurteilen, ob hier ggf abweichend von der Regel auch ohne
Kostensenkungsaufforderung - also ohne Aufklärung durch den
Grundsicherungsträger - die Aufwendungen für Unterkunft von vornherein
nur in abgesenktem Umfang zu übernehmen waren.
18
In dieses
Konzept reiht sich auch die Vorschrift des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II ein.
Danach soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines
Vertrags über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die
Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den
Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Sind die Aufwendungen
für die neue Unterkunft nach Auffassung des Grundsicherungsträgers
unangemessen, so wird er die Zustimmung verweigern und dem
Hilfebedürftigen zumindest einen Hinweis auf die Gründe für die
Verweigerung geben. Dieses Verfahren kann die oben umschriebene
Kostensenkungsaufforderung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II unter Umständen
ersetzen. Dahinstehen kann, was daraus im Hinblick auf die Übernahme des
die angemessenen Kosten für die Unterkunft überschreitenden Betrags
folgt, wenn ein Hilfebedürftiger die Einholung einer derartigen
Zusicherung versäumt. Den Kläger des vorliegenden Falls traf keine
Obliegenheit iS des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II vor dem Abschluss des
Mietvertrags für die Wohnung, für die er im zu entscheidenden
Rechtsstreit die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten begehrt.
Dieses folgt bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II,
systematischen Gesichtspunkten, aber auch aus dem Sinn und Zweck dieser
Norm.
19
Nach dem Wortlaut von § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II soll der
erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung einholen. Die Obliegenheit
ist also auf denjenigen beschränkt, der die Anspruchsvoraussetzungen
des § 7 Abs 1 SGB II erfüllt. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen führt
jedoch noch nicht zu einem Anspruch auf Grundsicherungsleistungen.
Erforderlich ist vielmehr eine Antragstellung. Nach § 37 Abs 1 SGB II
werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag erbracht. Nur durch den
Antrag begibt sich ein Hilfebedürftiger in das System des SGB II und
auch nur nach der Antragstellung bzw mit Leistungsbeginn unterliegt er
dessen Regeln. Da einen Hilfebedürftigen, der außerhalb des Systems des
SGB II steht, auch nicht die Obliegenheiten dieses Leistungssystems
treffen, folgt hieraus, dass nur dem sich im Leistungsbezug befindlichen
Hilfebedürftigen vor einem Umzug die Einholung einer Zusicherung des
Grundsicherungsträgers obliegt (so auch Berlit, LPK-SGB II, 3. Aufl
2009, § 22 RdNr 78). Deswegen ist es auch unbestritten, dass derjenige,
der zum Zeitpunkt der Erstantragstellung bzw zu Leistungsbeginn bereits
eine Wohnung gemietet hatte, auch hinsichtlich der Kosten dieser Wohnung
dem System des SGB II unterworfen wird, ohne dass er sogleich mit der
Übernahme der nur angemessenen Mietkosten rechnen müsste (vgl Berlit,
LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 63). Für ihn gilt vielmehr die zuvor
beschriebene Regel des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II. So liegt der Fall auch
hier, denn der Mietvertrag des Klägers datiert vom 19. 11. 2009 und
Leistungsbeginn war der 1. 12. 2009. Sollte der Kläger mithin nicht
"bösgläubig" im Sinne der vorhergehenden Ausführungen gewesen sein, wäre
es ihm in Ermangelung einer Kostensenkungsaufforderung des Beklagten
subjektiv unmöglich gewesen, seine Aufwendungen für Unterkunft bereits
zu Beginn des Leistungsbezugs zu senken und der Beklagte hätte die
tatsächlichen Aufwendungen des Klägers zumindest für den hier streitigen
Zeitraum des Leistungsbezugs bis zum 31. 5. 2008 nach § 22 Abs 1 Satz 3
SGB II zu tragen. Eine Information über die von dem Beklagten für
angemessen befundene Miethöhe ist nach Aktenlage wohl erst durch die
Begründung des Widerspruchsbescheides vom 28. 1. 2008 erfolgt.
20
Das
LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob der
Kläger vor dem Leistungsbeginn eine ihm zurechenbare Kenntnis von der
potentiellen Unangemessenheit der Aufwendungen für die von ihm
angemietete Wohnung hatte bzw ob die Miete tatsächlich unangemessen war.
Hinweise auf eine "Bösgläubigkeit" können sich aus der Höhe der
Aufwendungen bzw aus einem vorherigen Leistungsbezug ergeben.
Hinsichtlich der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für W. wird auf
die Entscheidung des Senats vom 22. 9. 2009 - B 4 AS 18/09 R -
verwiesen.
21
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=11384
Gruß Willi S
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Tatbestand: Streitig ist, ob dem Kläger vom 1. 12. 2007 bis 31. 5.
2008 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU)
zustehen.
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Der Kläger mietete zum 1. 12. 2007 eine 49, 31 qm
große Zweizimmerwohnung in W. (Mietvertrag vom 19. 11. 2007), nachdem er
sich von seiner Freundin getrennt und aus der gemeinsamen Wohnung
ausgezogen war. Die Bruttokaltmiete für die neue Wohnung betrug 291, 90
Euro (Kaltmiete 216, 50 Euro, Betriebskosten 75, 40 Euro) und die
Heizkostenvorauszahlung 70 Euro. Auf seinen Erstantrag - ebenfalls vom
19. 11. 2007 - bewilligte der Beklagte dem Kläger neben der
Regelleistung Leistungen für KdU in Höhe von 319 Euro für den Monat
Dezember 2007 und 324 Euro für die Monate Januar bis Mai 2008. Der
Beklagte begründete die Höhe der Leistungen für KdU damit, dass nur die
angemessenen Aufwendungen zu übernehmen seien. Der Kläger sei ohne
vorherige Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten in die neue
Wohnung umgezogen. Die Mietobergrenze für Einpersonenhaushalte nach dem
SGB II betrage in W. für Kaltmiete plus Nebenkosten 259 Euro (Bescheid
vom 20. 12. 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. 1.
2008).
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Das SG Oldenburg hat den Bescheid des Beklagten vom 20.
12. 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. 1. 2008
aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger für den
streitgegenständlichen Zeitraum neu zu bescheiden sowie der
Leistungsgewährung einen Betrag von 355, 64 Euro im Monat als Kosten der
Unterkunft zu Grunde zu legen. Dahinstehen könne, ob der Kläger
verpflichtet gewesen sei, vor dem Umzug eine Zusicherung von dem
Beklagten einzuholen. Jedenfalls habe er Anspruch auf höhere
Unterkunftsleistungen. Es sei nicht erkennbar, wie der Beklagte zu der
von ihm angenommenen Mietobergrenze gekommen sei. In einem solchen Fall
sei auf die Wohngeldtabelle nach dem Wohngeldgesetz - für W. auf einen
Betrag von 280 Euro abzustellen. Hinzu komme ein Zuschlag von 10 %, weil
die Werte nach der Wohngeldtabelle seit 2001 nicht erhöht worden seien.
Die Mietobergrenze betrage daher 308 Euro, die vorliegend nicht
überschritten werde. Zudem habe der Beklagte für die Warmwasserbereitung
nicht 6, 72 Euro, sondern unter Beachtung der Rechtsprechung des 14.
Senats des BSG nur 6, 26 Euro in Abzug bringen dürfen. Daher seien dem
Kläger Leistungen für Heizkosten in Höhe von 63, 74 Euro (70 - 6, 26 =
63, 74 Euro) zu gewähren (Urteil vom 18. 6. 2008). Das LSG
Niedersachsen-Bremen hat die Berufung des Beklagten hiergegen
zurückgewiesen. Der Kläger habe Anspruch auf Unterkunftskosten in Höhe
der tatsächlich bruttokalt von ihm zu zahlenden 291, 90 Euro sowie der
zutreffend vom SG ausgewiesenen 63, 74 Euro für Heizung. Der Beklagte
habe zwar bei ausreichender Datengrundlage ein schlüssiges Konzept zur
Ermittlung der Mietobergrenze angewandt. Er habe jedoch unzutreffende
Schlüsse gezogen, indem er die sich aus der Ermittlung ergebenden
Durchschnittsmieten als angemessene Mieten erachtet habe. Dies stehe zur
Produkttheorie im Widerspruch. Es habe vielmehr ein Quadratmeterpreis
abgeleitet werden müssen (Urteil vom 11. 12. 2008).
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Der Beklagte
rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II.
Er habe für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nicht nur
ein schlüssiges Konzept angewandt, sondern hieraus auch zutreffende
Schlüsse gezogen.
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Der Beklagte beantragt, die Urteile des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. 12. 2008 und des
Sozialgerichts Oldenburg vom 18. Juni 2008 aufzuheben sowie die Klage
abzuweisen, soweit dieser stattgegeben wurde.
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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
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Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
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Der
Senat vermochte nicht abschließend über den Anspruch des Klägers auf
Leistungen für KdU in Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen (abzüglich
eines Anteils für Warmwasserbereitung von 6, 26 Euro monatlich) zu
entscheiden. Zwar ist der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs 1 Satz 1
SGB II grundsätzlich nur verpflichtet, die angemessenen
Unterkunftskosten zu übernehmen. Die Absenkung der Leistung für KdU von
der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen auf die nach Ansicht des
Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten setzt jedoch voraus, dass den
Hilfebedürftigen eine Kostensenkungsobliegenheit iS des § 22 Abs 1 Satz
3 SGB II trifft. Sie trifft ihn nur, wenn er Kenntnis von dieser
Obliegenheit hat. Dieses gilt auch, wenn der Hilfebedürftige kurz vor
Beginn des Leistungsbezugs eine neue Wohnung zu einem unangemessenen
Mietzins anmietet. Der Grundsicherungsträger ist daher zunächst
verpflichtet, die tatsächlichen Kosten der Wohnung - in der Regel für
längstens sechs Monate - zu tragen, es sei denn der Hilfebedürftige
hatte bei Abschluss des Mietvertrags ihm zurechenbar Kenntnis von der
Unangemessenheit der Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Einer
Zusicherung iS des § 22 Abs 2 SGB II bedarf es im Gegensatz zur
Auffassung des Beklagten vor der Erstantragstellung jedoch nicht.
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Zur Höhe der Leistungen für KdU fehlt es an Feststellungen des LSG.
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1.
Streitig sind im vorliegenden Fall alleine Leistungen für Unterkunft
und Heizung nach § 22 SGB II. Der Beklagte hat - nach Auslegung des
Antrags in Verbindung mit seinem Vorbringen - Berufung und Revision
zulässigerweise auf diese Leistungen beschränkt (vgl BSG Urteil vom 7.
11. 2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1).
Streitig ist der Zeitraum vom 1. 12. 2007 bis 31. 5. 2008. Der Kläger
hat mit seiner Klage vor dem SG Oldenburg den diesen Zeitraum
betreffenden Bescheid vom 20. 12. 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. 1. 2008 angefochten. Zutreffend ist das
LSG davon ausgegangen, dass die Folgebescheide, die andere Zeiträume
betreffen, nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind. § 96 SGG
ist bei einer derartigen Konstellation nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG nicht anwendbar (s nur BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS
14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSG Urteil vom 29. 3.
2007 - B 7b AS 4/06 R; BSG Urteil vom 25. 6. 2008 - B 11b AS 45/06 R).
12
2.
Der Kläger ist Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II idF des Kommunalen
Optionsgesetzes vom 30. 7. 2004 (BGBl I 2014). Er hat das 15. Lebensjahr
vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB
II). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)
ist er - trotz der von ihm angegebenen gesundheitlichen Einschränkungen
- erwerbsfähig. Zum gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers mangelt es zwar
an ausdrücklichen Feststellungen des LSG. Aus dem Gesamtzusammenhang
seiner Ausführungen ist jedoch zu ersehen, dass auch die Voraussetzungen
iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II gegeben waren. Der Kläger war auch
hilfebedürftig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II.
13
3. Zwar
sind als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II
nur die angemessenen Aufwendungen des Hilfebedürftigen zu übernehmen.
Der Senat kann nach dem Stand des Verfahrens hier jedoch unentschieden
lassen, ob die tatsächlich entstandenen Kosten als angemessene KdU
anzusehen sind. Denn ein Anspruch auf die tatsächlichen
Unterkunftskosten kann sich hier aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ergeben.
14
Nach
§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für Unterkunft, soweit
sie nach den Besonderheiten des Einzelfalls den angemessenen Umfang
übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen … so lange
zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen … nicht
möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch
Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel
jedoch längstens für sechs Monate. Vorliegend könnte es an der
subjektiven Möglichkeit der Kostensenkung iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB
II mangeln.
15
Subjektiv möglich sind einem Hilfebedürftigen
Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn
die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (vgl BSG
Urteil vom 19. 2. 2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263; so wohl auch
Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IX/09, § 22 RdNr 63). Dieses
entspricht ständiger Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung
für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG. So ist nach Auffassung
des 14. Senats die erforderliche Kenntnis der Obliegenheit zur Senkung
der Kosten der Unterkunft zu verneinen, wenn der Grundsicherungsträger
bezüglich der Erforderlichkeit einer Kostensenkungsmaßnahme ein
widersprüchliches Verhalten gezeigt hat. Ohne diese Kenntnis könnten
Kostensenkungsmaßnahmen vom Hilfebedürftigen nicht erwartet werden (BSG
Urteil vom 7. 5. 2009 - B 14 AS 14/08 R). Auch der erkennende Senat
sieht, wie schon in der "Münchenentscheidung" angedeutet, den
Hilfebedürftigen an Kostensenkungsmaßnahmen gehindert, wenn er durch das
Verhalten des Grundsicherungsträgers irregeführt wird (BSG Urteil vom
19. 2. 2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263). Nichts anderes kann in
einer Situation gelten, in der der Hilfebedürftige erstmals Leistungen
nach dem SGB II beantragt hat und diese nicht in tatsächlicher Höhe,
sondern nur "abgesenkt" bewilligt werden, ohne dass der Hilfebedürftige
seine Obliegenheit zur Kostensenkung kennt. Bevor er nicht von dem
zuständigen Träger darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass nach
dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der vom
Hilfebedürftigen gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist es ihm
subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (so auch
im Falle der mietvertraglich unwirksam vereinbarten Miethöhe BSG Urteil
vom 22. 9. 2009 - B 4 AS 8/09 R).
16
Dem steht nicht entgegen,
dass § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II kein Erfordernis einer
Kostensenkungsaufforderung enthält (BSG Urteil vom 27. 2. 2008 - B 14/7b
AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr .
Nach der Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG hat der
Hinweis auf die Rechtslage nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zwar allein
Aufklärungs- und Warnfunktion. Bezweckt werden soll damit allerdings,
dass der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des
Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft erhält
(vgl BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR
4-4200 § 22 Nr 2; BSG Urteil vom 19. 3. 2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR
4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20 ff). § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II normiert damit
keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Beklagten über
die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer
anderen, angemessenen Unterkunft. Die Vorschrift stellt auch keine
sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese
Erklärung. Andererseits erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion,
dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da
dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung
der Angemessenheit ist (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B
7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Diese
Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der
Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden
Schutzfunktion (vgl hierzu BSG Urteil vom 19. 9. 2008 - B 14 AS 54/07
R). Mit der Zumutbarkeitsregelung soll verhindert werden, dass der
Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit
gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine
Übergangszeit verbleiben, in der er sich um Kostensenkungsmaßnahmen
bemühen kann. Ist ein Umzug erforderlich, etwa um eine Wohnung zu einem
angemessenen Mietpreis anzumieten, besteht eine "Schonzeit" nach § 22
Abs 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten (BSG Urteil
vom 19. 9. 2008 - B 14 AS 54/07 R; BSG Urteil vom 19. 2. 2009 - B 4 AS
30/08 R - BSGE 102, 263) ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des
Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen.
17
Dieses gilt auch
dann, wenn ein Leistungsberechtigter kurz vor dem Beginn des
Leistungsbezugs eine Wohnung anmietet, deren Kosten unangemessen hoch
sind und er keine Kenntnis von der Unangemessenheit der Mietkosten hat.
Der Senat folgt insoweit der abweichenden Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
nicht. Das BVerwG ging bei seiner Rechtsprechung zu § 3 Abs 1 Satz 2
Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) davon aus, dass derjenige, der im
Zeitpunkt des Wohnungswechsels Hilfe zum Lebensunterhalt nicht bezieht
und eine Wohnung anmietet, hinsichtlich deren Miete er weiß, dass er sie
nicht aus eigenen Mitteln werde bestreiten können (vgl BVerwG Urteil
vom 27. 11. 1986 - 5 C 2/85 - - BVerwGE 75, 168 -; BVerwG Urteil vom 30.
5. 1996 - - 5 C 14. 95 - - BVerwGE 101, 194; 30. 5. 1996 - 5 C 4/95),
von vornherein nicht in den Schutzbereich der genannten Regelung falle.
Nach § 3 Abs 1 Satz 2 der RegelsatzVO waren die Aufwendungen für die
Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen
Umfang überstiegen, als Bedarf der Personen, deren Einkommen und
Vermögen nach § 11 Abs 1 BSHG zu berücksichtigen war, so lange
anzuerkennen, als es dieser Person nicht möglich oder nicht zuzumuten
war, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise
die Aufwendungen zu senken. Eine derartige Begrenzung der
Leistungserbringung für Unterkunftskosten bereits mit Leistungsbeginn
ist nach der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht mehr zu
rechtfertigen. Danach sind unangemessene Aufwendungen für Unterkunft "in
der Regel" für längstens sechs Monate zu übernehmen. Das Gesetz wird
damit nun beiden Seiten gerecht. Einerseits zieht es eine zeitliche
Regelgrenze für die Übernahme unangemessener Unterkunftskosten und lässt
Ausnahmen hiervon zu, andererseits schützt es den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in seinem elementaren Grundbedürfnis nach Sicherung des
Wohnraums. Soweit also das BVerwG durch die "Nichtanwendung" der
Schutzvorschrift des § 3 Abs 1 Satz 2 RegelsatzVO im Falle der bewussten
Anmietung einer sozialhilferechtlich unangemessenen Wohnung vor dem
Beginn des Leistungsbezugs eine "Unbilligkeitserwägung" zum Ausdruck
bringt, trägt § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II dem bereits dadurch Rechnung,
dass er die Übernahme von unangemessenen Kosten in der Regel für
längstens sechs Monate begrenzt. Wird mithin bösgläubig, also
zurechenbar sowohl in Kenntnis des zu erwartenden SGB II-Leistungsbezugs
als auch unangemessener tatsächlicher Kosten der Unterkunft
beispielsweise ein Mietvertrag über eine "Luxuswohnung" abgeschlossen,
brauchen die unangemessenen Kosten je nach Lage des Einzelfalls nicht
oder jedenfalls nicht für sechs Monate vom Grundsicherungsträger
übernommen zu werden (vgl hierzu BSG Urteil vom 7. 11. 2006 - B 7b AS
10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Da es im vorliegenden
Fall an Feststellungen des LSG zu den Umständen des Abschlusses des
Mietvertrags des Klägers mangelt, vermochte der Senat nicht zu
beurteilen, ob hier ggf abweichend von der Regel auch ohne
Kostensenkungsaufforderung - also ohne Aufklärung durch den
Grundsicherungsträger - die Aufwendungen für Unterkunft von vornherein
nur in abgesenktem Umfang zu übernehmen waren.
18
In dieses
Konzept reiht sich auch die Vorschrift des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II ein.
Danach soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines
Vertrags über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die
Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den
Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Sind die Aufwendungen
für die neue Unterkunft nach Auffassung des Grundsicherungsträgers
unangemessen, so wird er die Zustimmung verweigern und dem
Hilfebedürftigen zumindest einen Hinweis auf die Gründe für die
Verweigerung geben. Dieses Verfahren kann die oben umschriebene
Kostensenkungsaufforderung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II unter Umständen
ersetzen. Dahinstehen kann, was daraus im Hinblick auf die Übernahme des
die angemessenen Kosten für die Unterkunft überschreitenden Betrags
folgt, wenn ein Hilfebedürftiger die Einholung einer derartigen
Zusicherung versäumt. Den Kläger des vorliegenden Falls traf keine
Obliegenheit iS des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II vor dem Abschluss des
Mietvertrags für die Wohnung, für die er im zu entscheidenden
Rechtsstreit die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten begehrt.
Dieses folgt bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II,
systematischen Gesichtspunkten, aber auch aus dem Sinn und Zweck dieser
Norm.
19
Nach dem Wortlaut von § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II soll der
erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung einholen. Die Obliegenheit
ist also auf denjenigen beschränkt, der die Anspruchsvoraussetzungen
des § 7 Abs 1 SGB II erfüllt. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen führt
jedoch noch nicht zu einem Anspruch auf Grundsicherungsleistungen.
Erforderlich ist vielmehr eine Antragstellung. Nach § 37 Abs 1 SGB II
werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag erbracht. Nur durch den
Antrag begibt sich ein Hilfebedürftiger in das System des SGB II und
auch nur nach der Antragstellung bzw mit Leistungsbeginn unterliegt er
dessen Regeln. Da einen Hilfebedürftigen, der außerhalb des Systems des
SGB II steht, auch nicht die Obliegenheiten dieses Leistungssystems
treffen, folgt hieraus, dass nur dem sich im Leistungsbezug befindlichen
Hilfebedürftigen vor einem Umzug die Einholung einer Zusicherung des
Grundsicherungsträgers obliegt (so auch Berlit, LPK-SGB II, 3. Aufl
2009, § 22 RdNr 78). Deswegen ist es auch unbestritten, dass derjenige,
der zum Zeitpunkt der Erstantragstellung bzw zu Leistungsbeginn bereits
eine Wohnung gemietet hatte, auch hinsichtlich der Kosten dieser Wohnung
dem System des SGB II unterworfen wird, ohne dass er sogleich mit der
Übernahme der nur angemessenen Mietkosten rechnen müsste (vgl Berlit,
LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 63). Für ihn gilt vielmehr die zuvor
beschriebene Regel des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II. So liegt der Fall auch
hier, denn der Mietvertrag des Klägers datiert vom 19. 11. 2009 und
Leistungsbeginn war der 1. 12. 2009. Sollte der Kläger mithin nicht
"bösgläubig" im Sinne der vorhergehenden Ausführungen gewesen sein, wäre
es ihm in Ermangelung einer Kostensenkungsaufforderung des Beklagten
subjektiv unmöglich gewesen, seine Aufwendungen für Unterkunft bereits
zu Beginn des Leistungsbezugs zu senken und der Beklagte hätte die
tatsächlichen Aufwendungen des Klägers zumindest für den hier streitigen
Zeitraum des Leistungsbezugs bis zum 31. 5. 2008 nach § 22 Abs 1 Satz 3
SGB II zu tragen. Eine Information über die von dem Beklagten für
angemessen befundene Miethöhe ist nach Aktenlage wohl erst durch die
Begründung des Widerspruchsbescheides vom 28. 1. 2008 erfolgt.
20
Das
LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob der
Kläger vor dem Leistungsbeginn eine ihm zurechenbare Kenntnis von der
potentiellen Unangemessenheit der Aufwendungen für die von ihm
angemietete Wohnung hatte bzw ob die Miete tatsächlich unangemessen war.
Hinweise auf eine "Bösgläubigkeit" können sich aus der Höhe der
Aufwendungen bzw aus einem vorherigen Leistungsbezug ergeben.
Hinsichtlich der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für W. wird auf
die Entscheidung des Senats vom 22. 9. 2009 - B 4 AS 18/09 R -
verwiesen.
21
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=11384
Gruß Willi S
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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