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: Entziehung/Versagungsbescheid

Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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BSG: Eingliederungsleistung - Reisekostenerstattung zahlt JC - Eingliederungsleistung - Reisekostenerstattung für die Wahrnehmung eines Melde- bzw Beratungstermins - Ermessensleistung

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BSG: Eingliederungsleistung - Reisekostenerstattung zahlt JC - Eingliederungsleistung - Reisekostenerstattung für die Wahrnehmung eines Melde- bzw Beratungstermins - Ermessensleistung Empty BSG: Eingliederungsleistung - Reisekostenerstattung zahlt JC - Eingliederungsleistung - Reisekostenerstattung für die Wahrnehmung eines Melde- bzw Beratungstermins - Ermessensleistung

Beitrag von Willi Schartema Do Jul 05, 2012 3:10 am

BRD · Bundessozialgericht14. Senatstyle="border-collapse:collapse" border="0">UrteilFormat




1. InstanzSozialgericht Augsburg S 1 AS 601/05 22.03.2006
2. InstanzBayerisches Landessozialgericht L 7 AS 93/06 18.08.2006
3. InstanzBundessozialgericht B 14/7b AS 50/06 R 06.12.2007
SachgebietGrundsicherung für Arbeitsuchende
EntscheidungDie Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. August 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I

1

Der Kläger begehrt die Erstattung von Fahrkosten für die Anfahrt zu zwei
Gesprächen bei der Beklagten in Höhe von insgesamt 3,52 Euro.

2

Der 1950 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen von
der Beklagten, die ihn für den 1. Juli 2005 und 11. Juli 2005 zu
Beratungsgesprächen einlud. Der Kläger nahm diese Termine wahr und
beantragte jeweils die Erstattung von Fahrkosten für die Hin- und
Rückfahrt mit dem Pkw über 8 km. Die Beklagte lehnte mit Bescheiden vom
25. Juli 2005 die Erstattung ab, weil der Erstattungsbetrag in Höhe von
jeweils 1,76 Euro unter der Bagatellgrenze von 6 Euro liege.

3

Den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, dass die
Bagatellgrenze angesichts der niedrigen Regelsätze des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht zu vertreten sei, wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005 als unbegründet zurück. Es
gebe keinen Rechtsanspruch auf die Erstattung der Reisekosten. Im Rahmen
ihres Ermessens erstatte sie bei Terminen der Arbeitsvermittlung in
ihren Räumen nur Reisekosten, die einen Betrag von 6 Euro überstiegen.

4

Das Sozialgericht (SG) hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 22.
März 2006 abgewiesen. Die Übernahme der Reisekosten nach § 59 SGB II iVm § 309
Abs 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) stehe im Ermessen
der Beklagten. Sie könne daher zB von der Höhe der Kosten abhängig
gemacht werden. Die Agentur für Arbeit habe von der
Anordnungsermächtigung des § 47
SGB III Gebrauch gemacht. In einer mittlerweile weggefallenen Anordnung
des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Förderung
der Arbeitsaufnahme vom 19. Mai 1989 sei für Leistungen eine
Bagatellgrenze von 10 DM vorgesehen gewesen. Es sei daher nicht
ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte daran anknüpfend eine
Bagatellgrenze für die Erstattung der Fahrkosten zu Beratungsterminen
geregelt habe. Die Berechnung der Reisekosten sei zutreffend in
entsprechender Anwendung des § 46 Abs 2 Satz 3 SGB III iVm § 6 Abs 1 Bundesreisekostengesetz erfolgt.

5

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 18. August
2006 das Urteil des SG Augsburg vom 22. März 2006 sowie die
angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Anträge des
Klägers
vom 1. und 11. Juli 2005 zu entscheiden. § 59 SGB II begründe durch
seinen Verweis ua auf § 309 SGB III eine besondere Mitwirkungspflicht
des erwerbsfähig Hilfebedürftigen in Gestalt einer Meldepflicht. Nach §
309
Abs 4 SGB III stehe die Übernahme von Reisekosten im Ermessen der
Beklagten.
Es könnten die Ermessensdirektiven und die Grenzen des § 39 des Ersten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) herangezogen werden, und zwar direkt,
sofern man unter Sozialleistungen iS von § 11 Satz 1 SGB I nicht nur
diejenigen Leistungen verstehe, die zur Verwirklichung der sozialen
Rechte der dortigen §§ 3 bis 10
SGB I erbracht würden, sondern darauf abstelle, ob eine Leistung nach
den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches einem
Sozialleistungsberechtigten zustehe. Letzteres sei auch bei dem Anspruch
auf Kostenübernahme der Fall. Der Leistungsträger habe bei Ausübung des
Ermessens die Höhe der Belastung einerseits und die
Vermögensverhältnisse des Betroffenen andererseits zu betrachten. Die
Beklagte habe bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, dass in
Anbetracht eines Tagessatzes eines Arbeitslosengeld II (Alg
II)-Empfängers von 11,50 Euro die Festlegung einer Bagatellgrenze von 6
Euro nahezu der Hälfte eines Tagessatzes entspreche. Insoweit seien
Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Hinzu komme, dass
gerade in Fällen, in denen der Leistungsempfänger zwei kurz
hintereinander liegende Beratungstermine wahrzunehmen habe, eine relativ
hohe finanzielle Belastung für ihn entstehe. Auch werde die Beklagte zu
prüfen haben, ob nicht die Möglichkeit bestehe, entstandene Fahrkosten
über einen bestimmten Zeitraum anzusammeln, um dann mit einer
Gesamtüberweisung eine Erstattung vorzunehmen.

6

Hiergegen hat die Beklagte die wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, sie sei
nicht verpflichtet, in jedem Fall die Reisekosten zu übernehmen. In
Ausübung ihres Ermessens habe sie die Bagatellgrenze von 6 Euro
festgelegt. Diese Grenze ergebe sich aus der inzwischen weggefallenen
Anordnung des Verwaltungsrates der BA zur Förderung der Arbeitsaufnahme
vom 19. Mai 1989. Dort sei eine Bagatellgrenze von 10 DM festgelegt
gewesen, entsprechend 6 Euro ab Einführung der neuen Währung. Die
Bagatellgrenze sei auch nicht zu hoch angesetzt, wie ein Vergleich der
ehemaligen Arbeitslosenhilfe(Alhi)-Empfänger und der jetzigen Alg
II-Empfänger ergebe. Die durchschnittliche Alhi habe pro Person 552 Euro
betragen, das durchschnittliche Alg II betrage pro erwerbsfähiger
Person 569,70 Euro. Damit stehe dem Alg II-Empfänger eine höhere
Leistung zur Verfügung als einem Alhi-Empfänger, auf den die
Bagatellgrenze in Höhe von 6 Euro anzuwenden gewesen sei. In diese
Erwägungen sei miteinzubeziehen, dass sich die Fahrtstrecken der
Leistungsbezieher im Vergleich zu den Leistungsempfängern in der Alhi
erheblich verringert hätten. Die BA A. sei für den gesamten Landkreis
und die Stadt A. zuständig gewesen. Die Beklagte sei dagegen nur für die
Stadt A. zuständig. Sie habe außerdem in der Stadt A. vier regionale
Außenstellen geschaffen, wodurch sich die Wegstrecke zu den
Meldeterminen erheblich verkürze. Die Außenstellen seien so gewählt
worden, dass grundsätzlich auch eine Erreichbarkeit zu Fuß gewährleistet
sei. Zumindest sei in aller Regel nur ein Streifen für eine einfache
Fahrt bei den Verkehrsbetrieben der Stadt A. zu entwerten. Das
entspreche bei einer Hin- und Rückfahrt einem Wert von 1,72 Euro. Diese
Erwägungen seien bei der Festlegung der Bagatellgrenze miteinbezogen
worden. Stelle man den Verwaltungsaufwand zur Gewährung der Reisekosten
der Belastung durch die anfallenden Reisekosten gegenüber, sei die
Festlegung einer Bagatellgrenze gerechtfertigt und im Rahmen der
Ermessensausübung nach § 309 Abs 4 SGB III zulässig.

7

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 18. August 2006 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des
Sozialgerichts Augsburg vom 22. März 2006 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er meint, das Ermessen sei hier auf Null reduziert. Es müsse
berücksichtigt werden, dass ihm täglich lediglich 3,84 Euro für
Lebensmittel zur Verfügung stünden. Außerdem sei zu berücksichtigen,
dass er zwei eng aufeinander liegende Meldetermine habe wahrnehmen
müssen. Der Gesichtspunkt der Verwaltungskosten müsse angesichts der
Notwendigkeit der Existenzsicherung durch den Regelsatz zurücktreten. Es
sei überdies fraglich, ob in Zeiten EDV-gestützter Verwaltung
tatsächlich ein nennenswerter Mehraufwand entstehe. Ein Vergleich mit
den Alhi-Empfängern könne wegen der unterschiedlichen
Leistungsvoraussetzungen nicht herangezogen werden.

II

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat die
Beklagte zu Recht zur erneuten Entscheidung über die Erstattung der
Reisekosten verpflichtet. Die Beklagte hat ermessensfehlerhaft die
Erstattung der Kosten abgelehnt.

11

1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

12

a) Klagegegenstand und damit auch Gegenstand der Revision ist allein der
Anspruch des Klägers auf Erstattung von Reisekosten. Dabei handelt es
sich um einen von den übrigen Leistungen des SGB II abtrennbaren,
eigenständigen Streitgegenstand (vgl zur Beschränkung des
Streitgegenstandes
BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 f). Dementsprechend hat die Beklagte
mit gesonderten Bescheiden über die Erstattungsanträge des Klägers
entschieden.

13

b) Dass die angefochtenen Bescheide noch von der Agentur für Arbeit
erlassen worden sind und die Beklagte die weitere Bearbeitung erst im
Widerspruchsverfahren
übernommen hat, begegnet keinen Bedenken (vgl BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 3
RdNr 18). Die Beklagte hat als fachlich zuständige Behörde den
Widerspruchsbescheid erlassen, der nach § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
den Gegenstand der Klage bestimmt.

14

c) Die Beklagte als eine nach § 44b
SGB II in der Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von
Kommunen nach dem SGB II (Kommunales Optionsgesetz) vom 30. Juli 2004
(BGBl I 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 30). § 44b
SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember
2010 weiterhin anwendbar (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 -).

15

2. Der Kläger ist Berechtigter iS des § 7
Abs 1 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004. Er
hat
das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1
Satz 1 Nr 1 SGB II). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des
LSG ist er iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 Abs 1 SGB II
erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II). Der Kläger
ist überdies hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm §§
9, 11 und 12 SGB II.

16

3. Die vom Kläger angegriffene Entscheidung der Beklagten, Fahrkosten in
Höhe von 3,52 Euro nicht zu erstatten, ist ermessensfehlerhaft. Hierbei
kann offen bleiben, ob der Kläger, als er die Beklagte am 1. und 11.
Juli
2005 aufsuchte, einer Meldepflicht nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III
nachkam oder ob er ein Beratungsangebot der Beklagten iS des § 16 Abs 1
Satz 1 SGB II iVm §§ 29, 30 SGB III wahrnahm. Das LSG hat hierzu keine
Feststellungen getroffen. Sowohl nach § 59 SGB II iVm § 309 Abs 4 SGB
III als auch nach § 16 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 45 Satz 2 Nr 2, 46
Abs 2 SGB III besteht aber ein Anspruch des Klägers auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Übernahme der Reisekosten zum
Beratungstermin. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten genügen
den Anforderungen hieran nicht.

17

a)
Nach § 59 SGB II sind die Vorschriften über die allgemeine
Meldepflicht, § 309 SGB III, und über die Meldepflicht bei Wechsel der
Zuständigkeit, § 310 SGB III, entsprechend anzuwenden. Nach § 309
Abs 1 Satz 1 SGB III hat der Arbeitslose sich während der Zeit, für die
er Anspruch auf Alg erhebt, bei der Agentur für Arbeit oder einer
sonstigen Dienststelle der BA persönlich zu melden, wenn die Agentur für
Arbeit ihn dazu auffordert. Auf Antrag können nach § 309
Abs 4 SGB III die notwendigen Reisekosten übernommen werden, die dem
Arbeitslosen und der erforderlichen Begleitperson aus Anlass der Meldung
entstehen, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf
Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können. Die
Übernahme der notwendigen Reisekosten steht damit im Ermessen der
Leistungsträger (vgl Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 59
RdNr 19). Zur Bestimmung von Art und Höhe werden §§ 45 f
SGB III entsprechend angewandt (vgl Behrend in Eicher/Schlegel, SGB
III, Stand: August 2007, § 309 RdNr 70; Düe in Niesel, SGB III, 4. Aufl
2007, § 309 RdNr 22; Winkler in Gagel, SGB III, Stand September 2007, §
309 RdNr 23).

18

b)
Dieselbe Folge ergibt sich, wenn es sich bei der Beratung, zu der der
Kläger einbestellt wurde, um eine Maßnahme nach § 16 SGB II gehandelt
hat. Nach § 16
Abs 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes
können als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit ua alle im Dritten
Kapitel und im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten
Kapitels des Dritten Buches geregelten Leistungen erbracht werden. Zu
den im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III genannten
Leistungen gehören die Leistungen nach §§ 45, 46 SGB III. Nach § 45
Satz 2 Nr 2 SGB III können als unterstützende Leistungen Kosten im
Zusammenhang mit Fahrten zur Berufsberatung, Vermittlung,
Eignungsfeststellung und zu Vorstellungsgesprächen übernommen werden.
Auch nach dieser Vorschrift steht die Übernahme der entstandenen
Reisekosten im Ermessen des Leistungsträgers (vgl Stratmann in Niesel,
aaO, § 45 RdNr 3).

19

c) Die Entscheidung der Beklagten genügt den Anforderungen an eine
ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht. Die Beklagte kann ihre
Ermessensentscheidung insbesondere nicht auf ihre eigenen internen
Geschäftsanweisungen stützen, die in Anlehnung an eine inzwischen
weggefallene Anordnung des Verwaltungsrates der BA eine Erstattung von
Beträgen unter 10 DM ausschließen. Die Ausübung von Ermessen nach
näherer Maßgabe von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ist zwar
grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl BSGE 50, 33, 37 = SozR 2200 §
1237a Nr 11). Derartige Vorschriften haben aber lediglich
verwaltungsinterne Bedeutung ohne Verbindlichkeit für die Auslegung des
zugrundeliegenden Gesetzes. Sie können allenfalls eine Selbstbindung der
Verwaltung bewirken und einen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen
(vgl BSGE 45, 212, 215 = SozR 2200 § 182 Nr 29; BSGE 46, 61, 66 = SozR
5750 Art 2 § 53 Nr 1). Es unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung, ob
die Richtlinien sachliche Differenzierungskriterien enthalten und mit
der gesetzlich erteilten Ermächtigung zur Ermessensausübung
übereinstimmen (BSGE 50, 33, 38 = SozR 2200 § 1237a Nr 11; BSGE 84, 108, 113 = SozR 3-3900 § 22 Nr 1).
Festlegungen in ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften müssen
ihrerseits den generellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße
Ermessensausübung genügen. Daran fehlt es hier.

20

d) Das LSG hat zu Recht entschieden, dass für die Ausübung des Ermessens hier die Direktiven des § 39
SGB I herangezogen werden können. Danach haben die Leistungsträger bei
der Entscheidung über Sozialleistungen, deren Gewährung in ihrem
Ermessen steht, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung
auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf
pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch. Bei der
Erstattung von Reisekosten handelt es sich um eine Sozialleistung iS des
§ 11
Satz 1 SGB I. Danach sind Sozialleistungen die in diesem Buch
vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Die Erstattung von
Reisekosten ist eine im Sozialgesetzbuch, nämlich im SGB III und über
die Verweisungsnormen der §§ 16
Abs 1 Satz 1 und 59 SGB II auch im SGB II vorgesehene Geldleistung und
erfüllt damit die Voraussetzungen für eine Sozialleistung (vgl zum
Begriff BSGE 56, 1, 2 f = SozR 1200 § 44 Nr 9). Das gilt auch, soweit man für die Qualifikation als Sozialleistung iS des § 11
SGB I nicht allein darauf abstellt, dass eine Leistung im
Sozialgesetzbuch vorgesehen ist, sondern darüber hinaus stets eine
Zweckbestimmung zur Verwirklichung der sozialen Rechte fordert (vgl BSGE
55, 40, 44 = SozR 2100 § 27 Nr 2). Die Übernahme von Kosten für Fahrten
zu Beratungs- und Vermittlungsgesprächen bei dem zuständigen
Leistungsträger nach dem SGB II dient der Verwirklichung der sozialen
Rechte
auf Beratung und Förderung nach § 3 Abs 2 SGB I. Die Übernahme der
Fahrkosten zu Meldeterminen nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III dient den
in § 309
Abs 2 SGB III festgelegten Zwecken und damit ebenfalls dem Recht auf
Beratung und Förderung sowie der wirtschaftlichen Sicherung bei
Arbeitslosigkeit, § 3 Abs 2 Nr 4 SGB I.

21

aa) Nach § 39
SGB I ist im Rahmen der Ermessensausübung zunächst nach Sinn und Zweck
der Normen zu fragen, die zur Ermessensausübung ermächtigen. Diese
Vorschriften zielen hier vor allem darauf hin, den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu
unterstützen.
Die Leistungen nach § 16 SGB II dienen der Eingliederung des
Hilfebedürftigen in Arbeit und damit dem vorrangigen Ziel des SGB II. §
59 SGB II begründet durch den Verweis auf §§ 309, 310
SGB III eine besondere Pflicht des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur
persönlichen Meldung beim zuständigen Leistungsträger. Dieser Pflicht
misst der Gesetzgeber eine so große Bedeutung bei, dass er an ihre
Nichterfüllung erhebliche Sanktionsfolgen knüpft. Nach § 31
Abs 2 SGB II (in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes) wird das
Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 10
vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebenden
Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz
schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des
zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt. § 31
Abs 3 Satz 1 SGB II sieht bei wiederholter Pflichtverletzung eine
zusätzliche Minderung der Regelleistung vor. Während der Absenkung der
Leistung besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt
nach
den Vorschriften des Zwölften Buches, § 31 Abs 6 Satz 4 SGB II. Haben
die Beratungs-, Betreuungs- und Vermittlungsleistungen des § 16
SGB II bereits nach der allgemeinen Zielsetzung des SGB II einen hohen
Stellenwert, sprechen erst recht die gravierenden Sanktionsfolgen im
Fall
einer Nichterfüllung der Meldepflicht nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB
III für eine Kostenübernahme, um die Wahrnehmung von Melde- und
Beratungsterminen sicherzustellen.

22

bb) Der Leistungsträger hat weiter bei der Ausübung seines Ermessens die
Höhe der Belastung einerseits und die Vermögensverhältnisse des
Betroffenen andererseits zu berücksichtigen (Blüggel in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 59 RdNr 19). Eine Ablehnung der
Kostenübernahme wird danach gegenüber Leistungsempfängern nach dem SGB
II regelmäßig nicht in Betracht kommen. Die von der Beklagten
angeführten Gesichtspunkte der unverhältnismäßigen Verwaltungskosten und
der Verwaltungsvereinfachung können angesichts der wirtschaftlichen
Verhältnisse der Leistungsempfänger nach dem SGB II grundsätzlich kein
Absehen von der Kostenerstattung rechtfertigen. Ob etwas anderes bei
ganz geringfügigen Kosten gelten kann, mit denen keine im Verhältnis zur
Regelleistung ins Gewicht fallende Belastung verbunden ist, kann offen
bleiben, weil davon jedenfalls bei dem streitigen Betrag, erst recht
aber bei einem Betrag in Höhe von 6 Euro nicht die Rede sein kann. Das
LSG hat zu Recht ausgeführt, dass gemessen an einem sich aus der
Regelleistung ergebenden Tagessatz von 11,50 Euro (345: 30 Tage, § 41
Abs 1 Satz 2 SGB II) eine Begrenzung auf Ausgaben in Höhe von mehr als
der Hälfte eines durchschnittlichen Tagessatzes ermessensfehlerhaft ist.
Das gilt auch, soweit man die im Regelsatz für die Teilnahme am Verkehr
enthaltenen Mittel in den Blick nimmt. Nach den Angaben des BMAS
entsprachen die Gesamtausgaben in der Abteilung 07 - Verkehr - der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 einem Wert von 48,41 Euro, von
dem als regelsatzrelevant ein Betrag von 17,91 Euro anerkannt wurde
(Ausschuss-Drucks 16(11)286 vom 15. Juni 2006 S 13). Dynamisiert um 7,1 %
(vgl BR-Drucks 206/04 S 13) ergibt dies einen Betrag in Höhe von 19,18
Euro. Zwar ist die Regelleistung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht
als Summe einzelner Leistungsposten, sondern als pauschalierte
Geldleistung zu verstehen. Dennoch können die der Bildung der
Regelleistung zugrundegelegten anteiligen Bedarfe einen Anhaltspunkt für
die Wertigkeit einzelner Bereiche geben. Da mit der genannten Summe der
gesamte Bedarf für die Nutzung von Verkehrsdienstleistungen abgegolten
ist, erweist sich die Festlegung einer "Bagatellgrenze", unterhalb derer
eine Kostenerstattung nicht stattfindet, bei 6 Euro und damit fast als
einem Drittel des monatlichen Bedarfs, auch im Hinblick auf diesen
Teilbedarf als ermessensfehlerhaft.

23

Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass
möglicherweise Alhi-Empfänger, die vor dem 1. Januar 2005 von einer
entsprechenden Klausel in den Anweisungen der BA betroffen waren,
durchschnittlich weniger Geld zur Verfügung hatten als
Leistungsempfänger nach dem SGB II. Abgesehen davon, dass über die von
der BA festgesetzte "Bagatellgrenze" höchstrichterlich nicht entschieden
worden und auch hier nicht zu entscheiden ist, fehlt es bereits an der
Vergleichbarkeit der betroffenen Personengruppen. Zum einen waren von
den entsprechenden Regelungen zum SGB III nicht nur Alhi-Empfänger
betroffen, zum anderen handelte es sich bei der Alhi um eine gänzlich
anders strukturierte Leistung als das Alg II. Insbesondere hatte die
Alhi keine bedarfsdeckende Funktion. Dementsprechend konnten daneben
ergänzend andere Leistungen etwa nach dem SGB XII bezogen werden.

24

Soweit die Beklagte vorträgt, dass sie im Interesse besserer
Erreichbarkeit Außenstellen eingerichtet habe, mag dies die Qualität
ihrer Leistungen verbessern und dazu beitragen, Fahrkosten zu
minimieren. Ein im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigendes
Argument lässt sich hieraus nicht gewinnen.

25

4.
Hinsichtlich der Höhe der Leistung ist nicht zu beanstanden, dass die
Beklagte die Reisekosten in Anwendung von § 46 SGB III berechnet hat,
der die Höhe der möglichen Leistungen präzisiert. Als Reisekosten können
gemäß § 46
Abs 2 Satz 1 SGB III die berücksichtigungsfähigen Fahrkosten übernommen
werden. Berücksichtigungsfähig sind die bei Benutzung eines regelmäßig
verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittel anfallenden Kosten der
niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels,
wobei
mögliche Fahrpreisermäßigungen zu berücksichtigen sind, § 46 Abs 2 Satz
2 SGB III. Bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel war nach § 46
Abs 2 Satz 2 SGB II in der bis zum 31. August 2005 geltenden Fassung
ein Betrag in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs 1 des
Bundesreisekostengesetzes in der bis zum 31. August 2005 geltenden
Fassung, mithin 22 Cent je Kilometer, berücksichtigungsfähig.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.


BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 6.12.2007, B 14/7b AS 50/06 R

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=78315

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