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Feststellungen zu ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit Die vollständige Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I wird von den in § 39 Nr. 1 SGB II hinsichtlich einer Leistungsverweigerung abschließend aufgeführten Fallvarianten nach dem eindeutigen W
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Feststellungen zu ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit Die vollständige Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I wird von den in § 39 Nr. 1 SGB II hinsichtlich einer Leistungsverweigerung abschließend aufgeführten Fallvarianten nach dem eindeutigen W
Wortlaut der Norm nicht erfasst.
§ 66 SGB I,§ 39 SGB II
Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 22.06.2011, - L 7 AS 700/10 B ER -
Die
vollständige Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I wird von den in §
39 Nr. 1 SGB II hinsichtlich einer Leistungsverweigerung abschließend
aufgeführten Fallvarianten nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht
erfasst (LSG Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG
Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7 AS 304/10 ER-B; Groth in GK-SGB
II, § 39 Rdnr. 25; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 Rdnr. 75).
Denn die Leistungsversagung nach § 66 SGB I ist gerade nicht auf die
Kassation einer früheren Leistungsbewilligung oder auf eine
Leistungsherabsetzung gerichtet.
Das Gebot des effektiven
Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG macht es in diesem Fall
erforderlich, eine einstweilige Anordnung gem. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu
erlassen (für Sozialhilfe: Hess. LSG v. 22.12.2008, L 7 SO 80/08 B ER;
SGB II: LSG Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG
Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7 AS 304/10 ER-B u. v. 02.07.2004, L
13 RJ 2467/04 ER-B). Denn allein mit dem Erlass einer einstweiligen
Anordnung ist für die Antragstellerin die Möglichkeit eröffnet, vor
einer Entscheidung in der Hauptsache über die Anfechtungsklage gegen den
Versagungsbescheid auch hinsichtlich des dahinter stehenden
Leistungsbegehrens selbst den einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143310&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung
: Ein fristgemäß eingelegter Widerspruch entfaltet nach § 86a Abs. 1
SGG aufschiebende Wirkung, soweit nichts anderes gesetzlich bestimmt
ist. Eine solche Ausnahmebestimmung greift vorliegend nicht ein. Soweit §
86a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG für Entziehungsbescheide u.a. in
Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit und in der
Sozialversicherung eine abweichende Regelung vorsehen, ist für eine
entsprechende Anwendung für Leistungen nach dem SGB II kein Raum, weil
insoweit § 39 SGB II eine abschließende Sonderregelung enthält
(deklaratorischer Verweis in § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Für § 39 Nr. 1 SGB
II idF des Änderungsgesetzes vom 21.12.2008 (BGBl I 2917), in Kraft ab
1.1.2009 - § 39 Nr. 1 SGB II F. 2009 -, ist aber aus dem eindeutigen
Wortlaut zu entnehmen, dass Entziehungs- und Versagungsbescheide nach §
66 Abs. 1 SGB I vom Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht erfasst
sein sollen. Es sind im Gegensatz zur vorherigen Regelung in § 39 Nr. 1
SGB II aF die Verwaltungsakte über Leistungen, die von der
Ausnahmeregelung erfasst sein sollen (Aufhebung, Zurücknahme, Widerruf
und Herabsetzung - wohl Absenkung iSd § 31 SGB II -), im Einzelnen
benannt (so auch: LSG Baden-Württemberg, 8.4.2010 - L 7 AS 304/10 ER-B;
SG Lüneburg, 14.1.2010 - S 45 AS 4/10 ER), ohne Versagungs- und
Entziehungsbescheide zu erfassen.
Soweit die
Gesetzesbegründung zu § 39 Nr. 1 SGB II F. 2009 darauf verweist, von der
Regelung seien Verwaltungsakte erfasst, die Leistungen versagen oder
entziehen (BT-Drucks 16/10810, S. 50), ist aufgrund des eindeutigen
Wortlautes der Norm davon auszugehen, dass es sich nur um untechnische
Obergriffe zu den benannten Verwaltungsakten handeln soll, ohne auf
Entziehungs- und Versagungsbescheide nach § 66 Abs. 1 SGB I bezogen zu
sein. Wollte der Gesetzgeber eine weitergehende Regelung treffen, müsste
das in der gesetzlichen Bestimmung selbst hinreichend zum Ausdruck
kommen. Die Gesetzesbegründung kann nicht weiterreichen als der
unmissverständliche Wortlaut der Norm selbst(vgl. dazu LSG Hessen,
Beschluss vom 27.06.2011, - L 7 AS 262/10 B ER -).
[b]
1. Instanz Sozialgericht Frankfurt S 29 AS 1800/10 ER 13.12.2010
2. Instanz Hessisches Landessozialgericht L 7 AS 700/10 B ER 22.06.2011 rechtskräftig
3. Instanz
Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitsuchende
Entscheidung
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13.12.2010 abgeändert.
Die
Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
der Antragstellerin vorläufig vom 11.11.2010 bis zum 31.07.2011,
längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den Hauptsachen (Az.: S
7 AS 909/10 und Antrag v. 23.12.2010), Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II.
Die Antragsgegnerin trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten
der Antragstellerin in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind Kosten nicht
zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin
begehrt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Sozialgesetzbuch, 2. Buch -SGB II- im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes.
Die 1968 geborene Antragstellerin bezog von 1988
bis Ende 2004 Leistungen nach dem BSHG. Vom 01.01.2005 bis 31.12.2008
gewährte die Antragsgegnerin ihr Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 22.12.2008 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2009 versagte die
Antragsgegnerin eine Leistungsgewährung ab dem 01.01.2009 wegen
fehlender Mitwirkung der Antragstellerin, da diese sich geweigert habe,
an den Feststellungen zu ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit
(Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens) mitzuwirken. Das Verfahren
ist vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: S 7 AS
562/09 anhängig. Auf einen weiteren Antrag vom 18.03.2009 versagte die
Antragsgegnerin mit gleicher Begründung mit Bescheid vom 31.03.2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 (Klage vor dem
Sozialgericht Az.: S 7 AS 1411/09) Leistungen. Auch auf den Antrag vom
11.11.2009 versagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.11.2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 die Leistungen. Zur
Begründung führte sie aus, wie bereits mit den vorangegangenen
Bescheiden mitgeteilt, sei zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit der
Antragstellerin eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Nach Aktenlage
ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin
beabsichtige, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Aus diesem Grund
verbleibe es bei der in den vorangegangenen Bescheiden ausgesprochenen
Leistungsversagung auf der Grundlage der §§ 60, 62 und 66 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch -SGB I-. Die Antragstellerin erhob hiergegen Klage, die
beim Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: S 7 AS 909/10
anhängig ist.
Am 11.11.2010 hat die Antragstellerin bei dem
Sozialgericht Frankfurt am Main Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt – wie bereits in der Vergangenheit –
vor, erwerbsunfähig krank zu sein. Die Versagungsbescheide seien
rechtswidrig, da sie zum Zeitpunkt des anberaumten Untersuchungstermins
am 11.12.2008 arbeitsunfähig krank gewesen sei und dies durch Vorlage
eines ärztlichen Attestes nachgewiesen habe.
Die Antragsgegnerin
hat vorgetragen, es läge kein aktueller Leistungsantrag der
Antragstellerin vor. Daraufhin hat das Sozialgericht Frankfurt am Main
mit Beschluss vom 13.12.2010 den Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, für
welchen Zeitraum sie Leistungen begehre und die Antragsgegnerin habe
unwidersprochen vorgetragen, dass kein Antrag auf SGB II-Leistungen
gestellt worden sei.
Gegen den ihr am 16.12.2010 zugestellten
Beschluss hat die Antragsstellerin am 22.12.2010 Beschwerde beim
Hessischen Landessozialgericht eingelegt. In ihrer Antragsschrift vom
11.11.2010 habe sie klar gemacht, SGB II-Leistungen zu benötigen. Der
Antrag beziehe sich eindeutig auf alle drei Ablehnungsbescheide - und
Zeiträume.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13.12.2010 abzuändern und die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr
ab 01.01.2009 vorläufig Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem SGB II, längstens bis zur Entscheidung in der
Hauptsache, zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend.
Die
Antragsstellerin hat am 23.12.2010 einen neuen Leistungsantrag bei der
Antragsgegnerin gestellt, den diese mit Bescheid vom 24.03.2011
abgelehnt hat, weil die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2
SGB II i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II nicht erfüllt seien. Die Antragstellerin
habe selbst erklärt, nicht erwerbsfähig zu sein.
Das Gericht hat
einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem die Antragstellerin nicht
erschienen ist und die Stadt Frankfurt als zuständigen Sozialhilfeträger
zu dem Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene vertritt die
Auffassung, dass eine Überprüfung der Erwerbsfähigkeit der
Antragstellerin durch die Antragsgegnerin zu erfolgen habe. Allein die
Behauptung der Antragstellerin, nicht erwerbsfähig zu sein, reiche für
die Feststellung nicht aus. Solange keine Klärung in Bezug auf die
Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin erfolgt sei, bestehe kein Anspruch
auf SGB XII-Leistungen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und Beigeladenen sowie der vom
Gericht beigezogenen Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main
mit den Aktenzeichen: S 7 AS 1758/08, S 7 AS 1759/08, S 7 AS 562/09, S 7
AS 1411/09 und S 7 AS 909/10 verwiesen.
II.
Die gemäß §§
172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist
teilweise begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGG hat für den Zeitraum ab Ersuchen um
gerichtlichen Eilrechtsschutz am 11.11.2010 Erfolg.
Eine
Regelungsanordnung im Sinne der Verpflichtung zur vorläufigen Leistung
kann auch bei Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II wegen mangelnder
Mitwirkung nach § 66 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I
ergehen, da bei Leistungen zum Lebensunterhalt nur so effektiver
Rechtsschutz gewährt werden kann. Mit ihrer gegen den Bescheid vom
12.11.2009 und Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 unter dem Az.: S 7 AS
909/10 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage wendet
die Antragstellerin sich im Wege der Anfechtungsklage gegen die
Versagung der Leistungen nach den §§ 60, 66 SGB I. Mit diesem Bescheid
hat die Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für
die Zeit ab erneuter Antragstellung am 11. November 2009 versagt. Im
anhängigen Klageverfahren S 7 AS 909/10 ist grundsätzlich allein die
isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG; vgl. BSG
SozR 1200 § 66 Nr. 13; SozR 4-1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 1. Juli
2009 - B 4 AS 78/08 R) die zulässige Klageart. Diese Klage hat nach
inzwischen einhelliger Auffassung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG
aufschiebende Wirkung, weil keiner der Ausnahmefälle des § 86a Abs. 2
SGG gegeben ist. Nach § 39 Nr. 1 SGB II (in der ab 1. Januar 2009
geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S.
2917)) haben Widerspruch und Anfechtungsklage lediglich gegen
Verwaltungsakte, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder herabsetzen oder Leistungen zur
Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regeln, keine
aufschiebende Wirkung. Die vollständige Versagung von Leistungen nach §
66 SGB I wird von den in § 39 Nr. 1 SGB II hinsichtlich einer
Leistungsverweigerung abschließend aufgeführten Fallvarianten nach dem
eindeutigen Wortlaut der Norm nicht erfasst (LSG Saarland, v.
02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7
AS 304/10 ER-B; Groth in GK-SGB II, § 39 Rdnr. 25; Hengelhaupt in
Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 Rdnr. 75). Denn die Leistungsversagung nach §
66 SGB I ist gerade nicht auf die Kassation einer früheren
Leistungsbewilligung oder auf eine Leistungsherabsetzung gerichtet.
Das
Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG macht
es in diesem Fall erforderlich, eine einstweilige Anordnung gem. § 86b
Abs. 2 S. 2 SGG zu erlassen (für Sozialhilfe: Hess. LSG v. 22.12.2008, L
7 SO 80/08 B ER; SGB II: LSG Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER;
LSG Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7 AS 304/10 ER-B u. v.
02.07.2004, L 13 RJ 2467/04 ER-B). Denn allein mit dem Erlass einer
einstweiligen Anordnung ist für die Antragstellerin die Möglichkeit
eröffnet, vor einer Entscheidung in der Hauptsache über die
Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid auch hinsichtlich des
dahinter stehenden Leistungsbegehrens selbst den einstweiligen
Rechtsschutz zu erreichen.
Der neue Leistungsantrag der
Antragstellerin vom 23.12.2010 kann in die Entscheidung mit einbezogen
werden, obwohl durch den neuen Antrag ein neuer Leistungszeitraum
entstanden ist, über den das Sozialgericht Frankfurt am Main noch nicht
entschieden hat. Denn die Antragstellerin hat den neuen Antrag gerade
aufgrund der Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss, es liege kein
aktueller Leistungsantrag vor, gestellt. Der Leistungsabschnitt ab
23.12.2010 stellt sich damit als Teil des bereits anhängigen
Eilverfahrens dar. Ab diesem Zeitpunkt hat die Antragsgegnerin mit
Bescheid vom 24.03.2011, gegen den die Antragstellerin Widerspruch
eingelegt hat, Leistungen wegen mangelnder Erwerbsfähigkeit der
Antragstellerin abgelehnt. Hiergegen ist die Anfechtungs- und
Leistungsklage die statthafte Klageart; einstweiliger Rechtsschutz ist
allein im Wege einer Regelungsanordnung zu erreichen.
Nach § 86b
Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn
die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung –
vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes -). Nach Satz 2 der
Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung - vorläufige Regelung
zur Nachteilsabwehr -). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers
den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser
grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2
SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich
sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden.
Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem
Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin ein materiell-rechtlicher
Leistungsanspruch in der Hauptsache - möglicherweise - zusteht
(Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die
Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten
(Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache
darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine
dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert
(Conradis in LPK–SGB II, 2. Aufl., Anhang Verfahren Rn. 117).
Dabei
stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert
nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung
zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit
zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem
Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen
Zusammenhangs ein bewegliches System (Senat, 29.6.2005 – L 7 AS 1/05 ER -
info also 2005, 169; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 86b
Rn. 27 und 29, 29a mwN.): Wäre eine Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf
einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund
grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden
ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich
begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund,
auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund
verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens,
wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im
einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer
Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der
Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind
grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu
berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind,
als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das
soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem
Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender
Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle
Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur
kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu
befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht
vollständig klären lässt (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats,
12.5.2005, 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166 unter Hinweis auf BVerfGE
82, 60 (80)). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann
regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte
Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich
gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen
Existenzminimums zurückzutreten (Senat, 27.7.2005, 7 AS 18/05 ER).
Dem
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung steht -anders als von
der Antragsgegnerin und im erstinstanzlichen Beschluss dargelegt- nicht
entgegen, dass die Antragstellerin keinen aktuellen Leistungsantrag für
den Zeitraum ab 11.11.2010 gestellt hatte. Denn der Antragsgegner hatte
den zuletzt am 12.11.2009 gestellten Antrag auf
Grundsicherungsleistungen ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt. Dadurch
wirkt der Antrag bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag
fort. Gegenstand des Rechtsstreits ist in diesem Fall grundsätzlich der
gesamte Zeitraum bis zur Entscheidung des Gerichts unter
Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, ohne
dass es eines neuen Bescheides bedarf; es sei denn, der Leistungsträger
hat auf einen weiteren Leistungsantrag für einen späteren Zeitraum einen
neuen Ablehnungsbescheid mit der Folge erlassen, dass sich der zunächst
angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat
(für SGB II: BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 14/06 R; 16.5.2007 – B 11b AS
37/06 R; 31.10.2007 – B 14/11b AS 59/06 R und 7/07 R; für SGB XII: BSG,
11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R).
Die mit Bescheid vom 14.12.2009
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 auf § 66 SGB I
gestützte Leistungsablehnung ist auch in der Sache rechtswidrig.
Einerseits hat die Antragsgegnerin es unterlassen, die Antragstellerin
vor der Leistungsablehnung mit Fristsetzung auf die Folgen fehlender
Mitwirkung hinzuweisen, § 66 Abs. 3 SGB I. Ein Hinweis auf die bereits
in der Vergangenheit erfolgten Ablehnungen wegen fehlender Mitwirkung
genügt dieser Anforderung nicht. Zudem hat die Antragsgegnerin das für
die Leistungsablehnung wegen fehlender Mitwirkung notwendige Ermessen
(BSG v. 20.10.2005, B 7a/7 AL 102/04 R; LSG NRW v. 28.09.2009, L 19 B
255/09 AS ER) nicht ausgeübt. Ein Ermessen hätte aber zumindest
hinsichtlich des Zeitpunkts und der Höhe der Versagung in dem
Ablehnungsbescheid erkennbar werden müssen. Des Weiteren ist der
Bescheid auch deshalb rechtswidrig, weil die Anwendung des SGB I im
Falle der Verweigerung, einen ärztlichen oder psychologischen
Untersuchungstermin wahrzunehmen, ausgeschlossen ist. Die in den §§ 60
ff SGB I bestimmten Mitwirkungspflichten sind nur heranzuziehen, soweit
nicht Regelungen über besondere Mitwirkungsobliegenheiten existieren,
die den Lebenssachverhalt ausdrücklich oder stillschweigend ausdrücklich
regeln (LSG für das Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG
Sachsen-Anhalt v. 20.02.2009, L 5 B 376/08 AS ER). Nach § 309 Abs. 1
Satz 1 SGB III, der über § 59 SGB II im Recht der Grundsicherung für
Arbeitsuchende anwendbar ist, hat der Arbeitslose sich während der Zeit,
für die er Anspruch auf Leistungen erhebt, bei der Agentur für Arbeit
oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden
oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu
erscheinen, wenn er dazu aufgefordert wird. Der Gesetzgeber hat damit
eine spezielle Regelung getroffen, die nur über die Sanktionsvorschrift
des § 31 Abs. 2 SGB II zu lösen ist (LSG für das Saarland, Beschluss v.
02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG Sachsen-Anhalt v. 20.02.2009, L 5 B
376/08 AS ER; offen gelassen LSG Baden-Württemberg v.08.04.2010, L 7 AS
304/10 ER-B m.w.N.; a.A. LSG NRW v. 28.09.2009, L 19 B 255/09 AS ER u.
v. 23.05.2007, L 19 B 47/07 AS ER).
Der von der Antragstellerin
geltend gemachte Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II
setzt -neben ihrer Bedürftigkeit- insbesondere Erwerbsfähigkeit voraus
(§ 7 S. 1 Nr. 2 SGB II), die derzeit gerade nicht festgestellt ist und
für die die Antragstellerin auch letztlich beweispflichtig ist. Jedoch
steht der Antragstellerin für den Fall, dass sie nicht erwerbsfähig ist
ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII zu. Die Antragsgegnerin hat
nach § 44 a Abs. 1 SGB II bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle
über die Erwerbsfähigkeit Leistungen zu erbringen. § 44a S 3 SGB II
enthält eine Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125
Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung -SGB III- (BSG v.
7.11.2006 B 7b AS 10/06 R; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a
RdNr. 23; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II. 14 RdNr. 33,
Stand August 2006). Im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des SGB
II-Trägers gegenüber dem SGB XII-Träger bei Streitigkeiten über die
Erwerbsfähigkeit, erscheint zur Sicherung des Lebensunterhalts die
vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin angezeigt, zumal diese
gegebenenfalls ein Erstattungsanspruch gegen den SGB XII-Leistungsträger
erwächst.
Die Antragstellerin hat für den Zeitraum ab 11.11.2010
auch einen Anordnungsgrund, d.h. die besondere Eilbedürftigkeit,
glaubhaft gemacht. Dabei ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin sich
grundsätzlich nicht darauf berufen kann, die Antragstellerin habe in der
Vergangenheit ihren Lebensunterhalt bestreiten können, wenn sie selbst
die Leistung rechtswidrig abgelehnt hat. Die Antragstellerin hat
vorgebracht, ihre Habe verkauft, ihr Schonvermögen verzehrt und sich
überschuldet zu haben. Insbesondere die gegen die Antragstellerin
gerichtete Räumungsklage vom 27.04.2011 macht deutlich, dass sie ihren
Lebensunterhalt nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen
sicherstellen kann.
Nicht begründet ist die Beschwerde dagegen,
soweit die Antragstellerin Leistungen für die Zeit vor dem 11.11.2010
geltend macht. Dies ergibt sich für die Zeit vor Nachsuchen um
gerichtlichen Rechtsschutz daraus, dass eine rückwirkende vorläufige
Regelungsanordnung regelmäßig nicht in Frage kommt, sofern - wie auch
hier- keine Besonderheiten geltend gemacht werden (ständige
Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse v. 17.09.2010, L 7 AS 314/10 B
ER und v. 11.02.2008, L 7 AS 19/08 B ER m.w.N. und einhellige Meinung,
z.B. Keller in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rn
35a m.w.N.).
Die einstweilige Anordnung ist auf den Folgemonat
der Bekanntgabe der Entscheidung beschränkt, soweit die
Hauptsacheverfahren nicht vorher erledigt sein werden, weil im
einstweiligen Rechtsschutz nur eine gegenwärtige dringliche Notlage
beseitigt werden soll (Krodel, NZS 2007, 20 (21); enger, nur laufender
Monat: Grieger, ZFSH/SGB 2004, 579 (585) mwN zum Meinungsstand). Die
Antragsgegnerin ist gehalten, über den tenorierten Zeitraum hinaus bis
zu einer Erledigung der Hauptsacheverfahren der einstweiligen Anordnung
Folge zu leisten, solange eine wesentliche Änderung der Tatsachen- oder
Rechtslage nicht eintritt, um weitere Folgeverfahren zu vermeiden. Der
Senat weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie verpflichtet ist,
der Aufforderung der Antragsgegnerin, sich neurologisch/psychiatrisch
untersuchen zu lassen, Folge zu leisten, § 62 SGB I. Gegebenenfalls kann
die Bestellung eines Vertreters gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 SGB X in
Betracht kommen, wenn die Antragstellerin infolge einer psychischen
Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht
in der Lage ist, in dem Verwaltungsverfahren selbst tätig zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143310&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/07/die-vollstandige-versagung-von.html
Gruß Willi S
§ 66 SGB I,§ 39 SGB II
Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 22.06.2011, - L 7 AS 700/10 B ER -
Die
vollständige Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I wird von den in §
39 Nr. 1 SGB II hinsichtlich einer Leistungsverweigerung abschließend
aufgeführten Fallvarianten nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht
erfasst (LSG Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG
Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7 AS 304/10 ER-B; Groth in GK-SGB
II, § 39 Rdnr. 25; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 Rdnr. 75).
Denn die Leistungsversagung nach § 66 SGB I ist gerade nicht auf die
Kassation einer früheren Leistungsbewilligung oder auf eine
Leistungsherabsetzung gerichtet.
Das Gebot des effektiven
Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG macht es in diesem Fall
erforderlich, eine einstweilige Anordnung gem. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu
erlassen (für Sozialhilfe: Hess. LSG v. 22.12.2008, L 7 SO 80/08 B ER;
SGB II: LSG Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG
Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7 AS 304/10 ER-B u. v. 02.07.2004, L
13 RJ 2467/04 ER-B). Denn allein mit dem Erlass einer einstweiligen
Anordnung ist für die Antragstellerin die Möglichkeit eröffnet, vor
einer Entscheidung in der Hauptsache über die Anfechtungsklage gegen den
Versagungsbescheid auch hinsichtlich des dahinter stehenden
Leistungsbegehrens selbst den einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143310&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung
: Ein fristgemäß eingelegter Widerspruch entfaltet nach § 86a Abs. 1
SGG aufschiebende Wirkung, soweit nichts anderes gesetzlich bestimmt
ist. Eine solche Ausnahmebestimmung greift vorliegend nicht ein. Soweit §
86a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG für Entziehungsbescheide u.a. in
Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit und in der
Sozialversicherung eine abweichende Regelung vorsehen, ist für eine
entsprechende Anwendung für Leistungen nach dem SGB II kein Raum, weil
insoweit § 39 SGB II eine abschließende Sonderregelung enthält
(deklaratorischer Verweis in § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Für § 39 Nr. 1 SGB
II idF des Änderungsgesetzes vom 21.12.2008 (BGBl I 2917), in Kraft ab
1.1.2009 - § 39 Nr. 1 SGB II F. 2009 -, ist aber aus dem eindeutigen
Wortlaut zu entnehmen, dass Entziehungs- und Versagungsbescheide nach §
66 Abs. 1 SGB I vom Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht erfasst
sein sollen. Es sind im Gegensatz zur vorherigen Regelung in § 39 Nr. 1
SGB II aF die Verwaltungsakte über Leistungen, die von der
Ausnahmeregelung erfasst sein sollen (Aufhebung, Zurücknahme, Widerruf
und Herabsetzung - wohl Absenkung iSd § 31 SGB II -), im Einzelnen
benannt (so auch: LSG Baden-Württemberg, 8.4.2010 - L 7 AS 304/10 ER-B;
SG Lüneburg, 14.1.2010 - S 45 AS 4/10 ER), ohne Versagungs- und
Entziehungsbescheide zu erfassen.
Soweit die
Gesetzesbegründung zu § 39 Nr. 1 SGB II F. 2009 darauf verweist, von der
Regelung seien Verwaltungsakte erfasst, die Leistungen versagen oder
entziehen (BT-Drucks 16/10810, S. 50), ist aufgrund des eindeutigen
Wortlautes der Norm davon auszugehen, dass es sich nur um untechnische
Obergriffe zu den benannten Verwaltungsakten handeln soll, ohne auf
Entziehungs- und Versagungsbescheide nach § 66 Abs. 1 SGB I bezogen zu
sein. Wollte der Gesetzgeber eine weitergehende Regelung treffen, müsste
das in der gesetzlichen Bestimmung selbst hinreichend zum Ausdruck
kommen. Die Gesetzesbegründung kann nicht weiterreichen als der
unmissverständliche Wortlaut der Norm selbst(vgl. dazu LSG Hessen,
Beschluss vom 27.06.2011, - L 7 AS 262/10 B ER -).
[b]
1. Instanz Sozialgericht Frankfurt S 29 AS 1800/10 ER 13.12.2010
2. Instanz Hessisches Landessozialgericht L 7 AS 700/10 B ER 22.06.2011 rechtskräftig
3. Instanz
Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitsuchende
Entscheidung
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13.12.2010 abgeändert.
Die
Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
der Antragstellerin vorläufig vom 11.11.2010 bis zum 31.07.2011,
längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den Hauptsachen (Az.: S
7 AS 909/10 und Antrag v. 23.12.2010), Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II.
Die Antragsgegnerin trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten
der Antragstellerin in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind Kosten nicht
zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin
begehrt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Sozialgesetzbuch, 2. Buch -SGB II- im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes.
Die 1968 geborene Antragstellerin bezog von 1988
bis Ende 2004 Leistungen nach dem BSHG. Vom 01.01.2005 bis 31.12.2008
gewährte die Antragsgegnerin ihr Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 22.12.2008 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2009 versagte die
Antragsgegnerin eine Leistungsgewährung ab dem 01.01.2009 wegen
fehlender Mitwirkung der Antragstellerin, da diese sich geweigert habe,
an den Feststellungen zu ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit
(Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens) mitzuwirken. Das Verfahren
ist vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: S 7 AS
562/09 anhängig. Auf einen weiteren Antrag vom 18.03.2009 versagte die
Antragsgegnerin mit gleicher Begründung mit Bescheid vom 31.03.2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 (Klage vor dem
Sozialgericht Az.: S 7 AS 1411/09) Leistungen. Auch auf den Antrag vom
11.11.2009 versagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.11.2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 die Leistungen. Zur
Begründung führte sie aus, wie bereits mit den vorangegangenen
Bescheiden mitgeteilt, sei zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit der
Antragstellerin eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Nach Aktenlage
ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin
beabsichtige, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Aus diesem Grund
verbleibe es bei der in den vorangegangenen Bescheiden ausgesprochenen
Leistungsversagung auf der Grundlage der §§ 60, 62 und 66 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch -SGB I-. Die Antragstellerin erhob hiergegen Klage, die
beim Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: S 7 AS 909/10
anhängig ist.
Am 11.11.2010 hat die Antragstellerin bei dem
Sozialgericht Frankfurt am Main Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt – wie bereits in der Vergangenheit –
vor, erwerbsunfähig krank zu sein. Die Versagungsbescheide seien
rechtswidrig, da sie zum Zeitpunkt des anberaumten Untersuchungstermins
am 11.12.2008 arbeitsunfähig krank gewesen sei und dies durch Vorlage
eines ärztlichen Attestes nachgewiesen habe.
Die Antragsgegnerin
hat vorgetragen, es läge kein aktueller Leistungsantrag der
Antragstellerin vor. Daraufhin hat das Sozialgericht Frankfurt am Main
mit Beschluss vom 13.12.2010 den Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, für
welchen Zeitraum sie Leistungen begehre und die Antragsgegnerin habe
unwidersprochen vorgetragen, dass kein Antrag auf SGB II-Leistungen
gestellt worden sei.
Gegen den ihr am 16.12.2010 zugestellten
Beschluss hat die Antragsstellerin am 22.12.2010 Beschwerde beim
Hessischen Landessozialgericht eingelegt. In ihrer Antragsschrift vom
11.11.2010 habe sie klar gemacht, SGB II-Leistungen zu benötigen. Der
Antrag beziehe sich eindeutig auf alle drei Ablehnungsbescheide - und
Zeiträume.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13.12.2010 abzuändern und die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr
ab 01.01.2009 vorläufig Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem SGB II, längstens bis zur Entscheidung in der
Hauptsache, zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend.
Die
Antragsstellerin hat am 23.12.2010 einen neuen Leistungsantrag bei der
Antragsgegnerin gestellt, den diese mit Bescheid vom 24.03.2011
abgelehnt hat, weil die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2
SGB II i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II nicht erfüllt seien. Die Antragstellerin
habe selbst erklärt, nicht erwerbsfähig zu sein.
Das Gericht hat
einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem die Antragstellerin nicht
erschienen ist und die Stadt Frankfurt als zuständigen Sozialhilfeträger
zu dem Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene vertritt die
Auffassung, dass eine Überprüfung der Erwerbsfähigkeit der
Antragstellerin durch die Antragsgegnerin zu erfolgen habe. Allein die
Behauptung der Antragstellerin, nicht erwerbsfähig zu sein, reiche für
die Feststellung nicht aus. Solange keine Klärung in Bezug auf die
Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin erfolgt sei, bestehe kein Anspruch
auf SGB XII-Leistungen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und Beigeladenen sowie der vom
Gericht beigezogenen Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main
mit den Aktenzeichen: S 7 AS 1758/08, S 7 AS 1759/08, S 7 AS 562/09, S 7
AS 1411/09 und S 7 AS 909/10 verwiesen.
II.
Die gemäß §§
172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist
teilweise begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGG hat für den Zeitraum ab Ersuchen um
gerichtlichen Eilrechtsschutz am 11.11.2010 Erfolg.
Eine
Regelungsanordnung im Sinne der Verpflichtung zur vorläufigen Leistung
kann auch bei Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II wegen mangelnder
Mitwirkung nach § 66 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I
ergehen, da bei Leistungen zum Lebensunterhalt nur so effektiver
Rechtsschutz gewährt werden kann. Mit ihrer gegen den Bescheid vom
12.11.2009 und Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 unter dem Az.: S 7 AS
909/10 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage wendet
die Antragstellerin sich im Wege der Anfechtungsklage gegen die
Versagung der Leistungen nach den §§ 60, 66 SGB I. Mit diesem Bescheid
hat die Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für
die Zeit ab erneuter Antragstellung am 11. November 2009 versagt. Im
anhängigen Klageverfahren S 7 AS 909/10 ist grundsätzlich allein die
isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG; vgl. BSG
SozR 1200 § 66 Nr. 13; SozR 4-1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 1. Juli
2009 - B 4 AS 78/08 R) die zulässige Klageart. Diese Klage hat nach
inzwischen einhelliger Auffassung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG
aufschiebende Wirkung, weil keiner der Ausnahmefälle des § 86a Abs. 2
SGG gegeben ist. Nach § 39 Nr. 1 SGB II (in der ab 1. Januar 2009
geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S.
2917)) haben Widerspruch und Anfechtungsklage lediglich gegen
Verwaltungsakte, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder herabsetzen oder Leistungen zur
Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regeln, keine
aufschiebende Wirkung. Die vollständige Versagung von Leistungen nach §
66 SGB I wird von den in § 39 Nr. 1 SGB II hinsichtlich einer
Leistungsverweigerung abschließend aufgeführten Fallvarianten nach dem
eindeutigen Wortlaut der Norm nicht erfasst (LSG Saarland, v.
02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7
AS 304/10 ER-B; Groth in GK-SGB II, § 39 Rdnr. 25; Hengelhaupt in
Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 Rdnr. 75). Denn die Leistungsversagung nach §
66 SGB I ist gerade nicht auf die Kassation einer früheren
Leistungsbewilligung oder auf eine Leistungsherabsetzung gerichtet.
Das
Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG macht
es in diesem Fall erforderlich, eine einstweilige Anordnung gem. § 86b
Abs. 2 S. 2 SGG zu erlassen (für Sozialhilfe: Hess. LSG v. 22.12.2008, L
7 SO 80/08 B ER; SGB II: LSG Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER;
LSG Baden-Württemberg, v. 08.04.2010, L 7 AS 304/10 ER-B u. v.
02.07.2004, L 13 RJ 2467/04 ER-B). Denn allein mit dem Erlass einer
einstweiligen Anordnung ist für die Antragstellerin die Möglichkeit
eröffnet, vor einer Entscheidung in der Hauptsache über die
Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid auch hinsichtlich des
dahinter stehenden Leistungsbegehrens selbst den einstweiligen
Rechtsschutz zu erreichen.
Der neue Leistungsantrag der
Antragstellerin vom 23.12.2010 kann in die Entscheidung mit einbezogen
werden, obwohl durch den neuen Antrag ein neuer Leistungszeitraum
entstanden ist, über den das Sozialgericht Frankfurt am Main noch nicht
entschieden hat. Denn die Antragstellerin hat den neuen Antrag gerade
aufgrund der Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss, es liege kein
aktueller Leistungsantrag vor, gestellt. Der Leistungsabschnitt ab
23.12.2010 stellt sich damit als Teil des bereits anhängigen
Eilverfahrens dar. Ab diesem Zeitpunkt hat die Antragsgegnerin mit
Bescheid vom 24.03.2011, gegen den die Antragstellerin Widerspruch
eingelegt hat, Leistungen wegen mangelnder Erwerbsfähigkeit der
Antragstellerin abgelehnt. Hiergegen ist die Anfechtungs- und
Leistungsklage die statthafte Klageart; einstweiliger Rechtsschutz ist
allein im Wege einer Regelungsanordnung zu erreichen.
Nach § 86b
Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn
die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung –
vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes -). Nach Satz 2 der
Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung - vorläufige Regelung
zur Nachteilsabwehr -). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers
den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser
grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2
SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich
sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden.
Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem
Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin ein materiell-rechtlicher
Leistungsanspruch in der Hauptsache - möglicherweise - zusteht
(Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die
Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten
(Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache
darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine
dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert
(Conradis in LPK–SGB II, 2. Aufl., Anhang Verfahren Rn. 117).
Dabei
stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert
nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung
zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit
zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem
Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen
Zusammenhangs ein bewegliches System (Senat, 29.6.2005 – L 7 AS 1/05 ER -
info also 2005, 169; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 86b
Rn. 27 und 29, 29a mwN.): Wäre eine Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf
einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund
grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden
ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich
begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund,
auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund
verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens,
wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im
einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer
Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der
Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind
grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu
berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind,
als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das
soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem
Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender
Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle
Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur
kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu
befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht
vollständig klären lässt (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats,
12.5.2005, 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166 unter Hinweis auf BVerfGE
82, 60 (80)). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann
regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte
Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich
gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen
Existenzminimums zurückzutreten (Senat, 27.7.2005, 7 AS 18/05 ER).
Dem
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung steht -anders als von
der Antragsgegnerin und im erstinstanzlichen Beschluss dargelegt- nicht
entgegen, dass die Antragstellerin keinen aktuellen Leistungsantrag für
den Zeitraum ab 11.11.2010 gestellt hatte. Denn der Antragsgegner hatte
den zuletzt am 12.11.2009 gestellten Antrag auf
Grundsicherungsleistungen ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt. Dadurch
wirkt der Antrag bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag
fort. Gegenstand des Rechtsstreits ist in diesem Fall grundsätzlich der
gesamte Zeitraum bis zur Entscheidung des Gerichts unter
Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, ohne
dass es eines neuen Bescheides bedarf; es sei denn, der Leistungsträger
hat auf einen weiteren Leistungsantrag für einen späteren Zeitraum einen
neuen Ablehnungsbescheid mit der Folge erlassen, dass sich der zunächst
angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat
(für SGB II: BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 14/06 R; 16.5.2007 – B 11b AS
37/06 R; 31.10.2007 – B 14/11b AS 59/06 R und 7/07 R; für SGB XII: BSG,
11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R).
Die mit Bescheid vom 14.12.2009
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 auf § 66 SGB I
gestützte Leistungsablehnung ist auch in der Sache rechtswidrig.
Einerseits hat die Antragsgegnerin es unterlassen, die Antragstellerin
vor der Leistungsablehnung mit Fristsetzung auf die Folgen fehlender
Mitwirkung hinzuweisen, § 66 Abs. 3 SGB I. Ein Hinweis auf die bereits
in der Vergangenheit erfolgten Ablehnungen wegen fehlender Mitwirkung
genügt dieser Anforderung nicht. Zudem hat die Antragsgegnerin das für
die Leistungsablehnung wegen fehlender Mitwirkung notwendige Ermessen
(BSG v. 20.10.2005, B 7a/7 AL 102/04 R; LSG NRW v. 28.09.2009, L 19 B
255/09 AS ER) nicht ausgeübt. Ein Ermessen hätte aber zumindest
hinsichtlich des Zeitpunkts und der Höhe der Versagung in dem
Ablehnungsbescheid erkennbar werden müssen. Des Weiteren ist der
Bescheid auch deshalb rechtswidrig, weil die Anwendung des SGB I im
Falle der Verweigerung, einen ärztlichen oder psychologischen
Untersuchungstermin wahrzunehmen, ausgeschlossen ist. Die in den §§ 60
ff SGB I bestimmten Mitwirkungspflichten sind nur heranzuziehen, soweit
nicht Regelungen über besondere Mitwirkungsobliegenheiten existieren,
die den Lebenssachverhalt ausdrücklich oder stillschweigend ausdrücklich
regeln (LSG für das Saarland, v. 02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG
Sachsen-Anhalt v. 20.02.2009, L 5 B 376/08 AS ER). Nach § 309 Abs. 1
Satz 1 SGB III, der über § 59 SGB II im Recht der Grundsicherung für
Arbeitsuchende anwendbar ist, hat der Arbeitslose sich während der Zeit,
für die er Anspruch auf Leistungen erhebt, bei der Agentur für Arbeit
oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden
oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu
erscheinen, wenn er dazu aufgefordert wird. Der Gesetzgeber hat damit
eine spezielle Regelung getroffen, die nur über die Sanktionsvorschrift
des § 31 Abs. 2 SGB II zu lösen ist (LSG für das Saarland, Beschluss v.
02.05.2011, L 9 AS 9/11 B ER; LSG Sachsen-Anhalt v. 20.02.2009, L 5 B
376/08 AS ER; offen gelassen LSG Baden-Württemberg v.08.04.2010, L 7 AS
304/10 ER-B m.w.N.; a.A. LSG NRW v. 28.09.2009, L 19 B 255/09 AS ER u.
v. 23.05.2007, L 19 B 47/07 AS ER).
Der von der Antragstellerin
geltend gemachte Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II
setzt -neben ihrer Bedürftigkeit- insbesondere Erwerbsfähigkeit voraus
(§ 7 S. 1 Nr. 2 SGB II), die derzeit gerade nicht festgestellt ist und
für die die Antragstellerin auch letztlich beweispflichtig ist. Jedoch
steht der Antragstellerin für den Fall, dass sie nicht erwerbsfähig ist
ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII zu. Die Antragsgegnerin hat
nach § 44 a Abs. 1 SGB II bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle
über die Erwerbsfähigkeit Leistungen zu erbringen. § 44a S 3 SGB II
enthält eine Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125
Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung -SGB III- (BSG v.
7.11.2006 B 7b AS 10/06 R; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a
RdNr. 23; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II. 14 RdNr. 33,
Stand August 2006). Im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des SGB
II-Trägers gegenüber dem SGB XII-Träger bei Streitigkeiten über die
Erwerbsfähigkeit, erscheint zur Sicherung des Lebensunterhalts die
vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin angezeigt, zumal diese
gegebenenfalls ein Erstattungsanspruch gegen den SGB XII-Leistungsträger
erwächst.
Die Antragstellerin hat für den Zeitraum ab 11.11.2010
auch einen Anordnungsgrund, d.h. die besondere Eilbedürftigkeit,
glaubhaft gemacht. Dabei ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin sich
grundsätzlich nicht darauf berufen kann, die Antragstellerin habe in der
Vergangenheit ihren Lebensunterhalt bestreiten können, wenn sie selbst
die Leistung rechtswidrig abgelehnt hat. Die Antragstellerin hat
vorgebracht, ihre Habe verkauft, ihr Schonvermögen verzehrt und sich
überschuldet zu haben. Insbesondere die gegen die Antragstellerin
gerichtete Räumungsklage vom 27.04.2011 macht deutlich, dass sie ihren
Lebensunterhalt nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen
sicherstellen kann.
Nicht begründet ist die Beschwerde dagegen,
soweit die Antragstellerin Leistungen für die Zeit vor dem 11.11.2010
geltend macht. Dies ergibt sich für die Zeit vor Nachsuchen um
gerichtlichen Rechtsschutz daraus, dass eine rückwirkende vorläufige
Regelungsanordnung regelmäßig nicht in Frage kommt, sofern - wie auch
hier- keine Besonderheiten geltend gemacht werden (ständige
Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse v. 17.09.2010, L 7 AS 314/10 B
ER und v. 11.02.2008, L 7 AS 19/08 B ER m.w.N. und einhellige Meinung,
z.B. Keller in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rn
35a m.w.N.).
Die einstweilige Anordnung ist auf den Folgemonat
der Bekanntgabe der Entscheidung beschränkt, soweit die
Hauptsacheverfahren nicht vorher erledigt sein werden, weil im
einstweiligen Rechtsschutz nur eine gegenwärtige dringliche Notlage
beseitigt werden soll (Krodel, NZS 2007, 20 (21); enger, nur laufender
Monat: Grieger, ZFSH/SGB 2004, 579 (585) mwN zum Meinungsstand). Die
Antragsgegnerin ist gehalten, über den tenorierten Zeitraum hinaus bis
zu einer Erledigung der Hauptsacheverfahren der einstweiligen Anordnung
Folge zu leisten, solange eine wesentliche Änderung der Tatsachen- oder
Rechtslage nicht eintritt, um weitere Folgeverfahren zu vermeiden. Der
Senat weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie verpflichtet ist,
der Aufforderung der Antragsgegnerin, sich neurologisch/psychiatrisch
untersuchen zu lassen, Folge zu leisten, § 62 SGB I. Gegebenenfalls kann
die Bestellung eines Vertreters gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 SGB X in
Betracht kommen, wenn die Antragstellerin infolge einer psychischen
Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht
in der Lage ist, in dem Verwaltungsverfahren selbst tätig zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143310&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2011/07/die-vollstandige-versagung-von.html
Gruß Willi S
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