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Für Weiterbewilligung Fortzahlungsantrag erforderlich Für die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II ist ein Fortzahlungsantrag erforderlich BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 18.1.2011, B 4 AS 99/10 R
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Für Weiterbewilligung Fortzahlungsantrag erforderlich Für die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II ist ein Fortzahlungsantrag erforderlich BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 18.1.2011, B 4 AS 99/10 R
Grundsicherung
für Arbeitsuchende - Notwendigkeit Fortzahlungsantrag für neuen
Bewilligungszeitraum - keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand -
kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Jobcenter als
Rechtsnachfolger der Arbeitsgemeinschaft - Beteiligtenfähigkeit bzw
-wechsel - keine Klageänderung - Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften
über die gemeinsame Einrichtung
Leitsätze
Die
Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II nach Beendigung des Bewilligungszeitraums erfordert einen
Fortzahlungsantrag.
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008.
2
Die
Kläger bezogen im Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2008 existenzsichernde
Leistungen nach dem SGB II. In einem Schreiben vom 4.7.2008 wies der
Beklagte die Kläger darauf hin, dass der Leistungsbezug am 31.8.2008
ende und - da Leistungen nur auf Antrag gewährt werden könnten - ein
Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor dem Ablauf des Bewilligungsabschnitts
gestellt werden müsse. Ein Antragsformular fügte er bei.
3
Der
Fortzahlungsantrag der Kläger ging am 26.9.2008 bei dem Beklagten ein.
Darauf bewilligte er den Klägern ab diesem Tag SGB II-Leistungen bis zum
28.2.2009. Der Widerspruch der Kläger, mit dem sie Leistungen bereits
ab dem 1.9.2008 begehren, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom
18.2.2009).
4
SG Gelsenkirchen und LSG Nordrhein-Westfalen
haben die Entscheidung des Beklagten bestätigt (Urteile des SG vom
11.12.2009 und des LSG vom 11.5.2010). Das LSG hat zur Begründung
ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im Zeitraum
vor der Antragstellung hätten, denn Alg II bzw Sozialgeld werde nach dem
Wortlaut des § 37 SGB II nur auf Antrag gewährt. Insoweit komme es
nicht darauf an, ob es sich um einen Erst- oder einen Fortzahlungsantrag
handele. § 37 SGB II differenziere nach der Gesetzesbegründung insoweit
nicht. Verfahrensrechtlich bleibe ein einmal gestellter Antrag nur so
lange bestehen, bis er beschieden worden sei, sodass für den nächsten
Bewilligungsabschnitt auch ein neuer Antrag erforderlich werde. Diese
Rechtsanwendung werde durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt, wonach
Folgezeiträume nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits über
einen vorhergehenden Bewilligungsabschnitt sein könnten. Die
Rechtsprechung des BSG zum SGB III (Alhi) hinsichtlich der Fortwirkung
der Antragstellung über den Bewilligungsabschnitt hinaus könne nicht auf
das SGB II übertragen werden. Der Antrag habe im SGB III
materiell-rechtliche Wirkung gehabt, was im SGB II nicht der Fall sei.
Habe der Antrag im SGB II jedoch nur verfahrensrechtliche Funktion,
verliere er seine Wirkung mit der Beendigung des Verwaltungsverfahrens.
Ebenso sei die Entbehrlichkeit eines Folgeantrags, wie der 8. Senat des
BSG sie für das Recht der Grundsicherung im Alter und wegen
Erwerbsminderung angenommen habe, nicht auf das SGB II übertragbar. Dort
sei von einem geringen Anpassungs- oder Änderungsbedarf nach Ablauf des
Bewilligungszeitraums auszugehen. Insoweit unterscheide sich die
Situation im SGB II - allein schon aufgrund der Einbeziehung der
gesamten Bedarfsgemeinschaft - grundlegend. Sie führe zu einem schnellen
und häufigen Wechsel des Bedarfs. Eine Antragstellung der Kläger vor
dem 1.9.2008 sei nicht nachgewiesen und eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand komme nicht in Betracht, da hier keine gesetzliche Frist
versäumt worden sei. Auch im Wege des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs kämen die Kläger nicht zu dem Leistungsanspruch im
streitigen Zeitraum, denn eine Nebenpflichtverletzung des Beklagten sei
weder geltend gemacht, noch liege sie vor.
5
Die Kläger haben
die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügen eine Verletzung
von § 37 SGB II. Nach dem Wortlaut des § 37 SGB II sei eine erneute
Antragstellung nicht erforderlich. Systematisch sei das SGB II auf
Dauerleistungen angelegt, die nicht durch den Ablauf eines
Bewilligungsabschnitts unterbrochen würden. Sinn und Zweck der
Leistungsbewilligung in Abschnitten sei die daraus erwachsende
Möglichkeit, den Einfluss des Leistungsträgers auf die Vermittlung des
Hilfebedürftigen zu stärken. Dazu bedürfe es der regelhaften
Unterbrechung in Bewilligungszeiträume jedoch nicht. Den praktischen
Schwierigkeiten könne mit den Vorschriften zur mangelnden Mitwirkung
nach §§ 60 ff SGB I Rechnung getragen werden.
6
Die Kläger beantragen,
die
Urteile des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11. Dezember 2009 und des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 aufzuheben
sowie den Bescheid vom 29. September 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten
zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in
gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 1. September bis 25.
September 2008 zu gewähren.
7
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9
Die zulässige Revision ist unbegründet.
10
Die
Entscheidung des LSG ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB
II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008. Es mangelt insoweit an einem
Leistungsantrag nach § 37 Abs 1 SGB II für den streitigen Zeitraum. Es
war vorliegend auch nicht auf das Antragserfordernis zu verzichten, weil
eine Fortzahlung von Leistungen im direkten Anschluss an einen
vorhergehenden Bewilligungszeitraum begehrt wird (3.). Nach den für den
Senat bindenden Feststellungen des LSG ist der Zugang eines Antrags bei
dem Beklagten für den Leistungsabschnitt ab dem 1.9.2008 nicht vor dem
26.9.2008 nachgewiesen (4.). Den Klägern ist insoweit auch weder eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X einzuräumen (5.),
noch steht ihnen ein Anspruch auf Leistungen aufgrund eines
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu (6.).
11
1. Das
beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht
insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei
dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112)
handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB
II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom
1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche
Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm
1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen
Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die
Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und
Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß §
76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als
Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten
Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem
Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige
Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des
bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt
insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser
kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der
Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im
Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1
SGG dar (vgl BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 = BSGE 62, 269, 270 f
= SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R = BSGE
99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das
Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
12
Verfassungsrechtliche
Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II idF des Gesetzes vom
3.8.2010 (BGBl I 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde
Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz
zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944)
in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in:
Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl
2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in: v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar
zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f; unklar
Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl 2010, Art 91e RdNr 26
ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung
innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten
Gestaltungsspielraums bewegt (vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff; Volkmann,
aaO, RdNr 6 f).
13
2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens
ist der Bescheid vom 29.9.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.2.2009, mit dem der Beklagte den Klägern
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den
Zeitraum vom 26.9.2008 bis 28.2.2009 bewilligt hat. Die Kläger haben
diesen Bescheid hinsichtlich des Leistungsbeginns angefochten und machen
einen Anspruch auf Alg II und Sozialgeld auch für den Zeitraum vom
1.9.2008 an, dem ersten Tag nach dem Ende der Bewilligung durch den
Bescheid vom 10.4.2008, bis zum 25.9.2008 zutreffend im Wege der
kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.
14
3.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern im streitigen Zeitraum
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu
gewähren. Es fehlt insoweit bereits an einem Antrag.
15
Nach §
37 Abs 1 SGB II werden Leistungen auf Antrag und zudem nicht für Zeiten
vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II). Die
gesetzlich geregelte einzige Ausnahme hiervon besteht, wenn die
Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag eintreten, an dem der zuständige
Träger von Leistungen nach dem SGB II nicht geöffnet hat. Dann wirkt ein
unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2
SGB II). Das Antragserfordernis gilt auch nicht nur für das erstmalige
Begehren der Leistungsgewährung, sondern ebenso im Fortzahlungsfalle (s
auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.3.2010 - L 12 AS 1857/09,
Revision anhängig beim BSG unter B 14 AS 55/10 R; LSG Berlin-Brandenburg
Urteil vom 13.3.2009 - L 14 B 2368/08 AS PKH, ZFSH/SGB 2009, 221; SG
Reutlingen Urteil vom 17.3.2008 - S 12 AS 2203/06; so wohl auch LSG
Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.9.2008 - L 9 B 39/08 AS, RdNr 17; aA
SG Reutlingen Urteil vom 13.12.2007 - S 3 AS 3000/07). Dieses folgt aus
Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und
Zweck der Regelung.
16
Aus dem Wortlaut des § 37 SGB II lässt
sich eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und
Fortzahlungsanträgen nicht entnehmen. Die Regelung stellt allgemein auf
das Erfordernis der Antragstellung als Voraussetzung für den
Leistungsbeginn ab. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird betont,
dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe, sodass
Leistungen erst ab Antragstellung zustünden (BT-Drucks 15/1516, S 62).
Ein Hinweis darauf, dass insoweit zwischen dem erstmaligen
Leistungsbegehren und einem Anspruch auf die Fortzahlung zu
differenzieren sei, findet sich nicht.
17
Das
Antragserfordernis im Fortzahlungsfall wird vielmehr durch Überlegungen
zur Systematik des Verhältnisses von Alg II-/Sozialgeldanspruch und
Antrag bestätigt. Die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erfolgt
für in der Regel 6 Monate (§ 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) und kann auf einen
Zeitraum bis zu einem Jahr ausgedehnt werden. Die Befristung erfolgt
zum einen, um die Grundsicherungsleistungen wegen des Ziels der
Eingliederung in den Arbeitsmarkt von vornherein nur auf den hierfür
unerlässlichen Zeitraum zu begrenzen (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4
AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Es handelt sich
insoweit - wie auch bei der Alhi (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.11.2006 -
B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3) - nicht um eine rentenähnliche
Dauerleistung. Zum anderen können durch die Befristung Änderungen der
Verhältnisse - insbesondere bedingt durch wechselnde
Einkommensverhältnisse und Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft -
verfahrensrechtlich und verwaltungstechnisch leichter bearbeitet und
erfasst werden (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101,
291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl hierzu auch Eicher in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 2). In diesen Zweck
der Befristung der Leistungen fügt es sich systematisch zwingend ein,
die Leistungsgewährung von der Antragstellung abhängig zu machen (BSG
Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11
Nr 15). Insoweit gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen der
Situation der Erstantragstellung und der beanspruchten Folgebewilligung.
Ebenso wie eine Leistungspflicht des SGB II-Leistungsträgers nicht vor
einem Kontakt - es reicht ein formloser Antrag - zwischen dem
Leistungsberechtigten und ihm entsteht, entfällt sie ohne Antrag
vollständig, wenn keine Fortzahlung von Alg II oder Sozialgeld begehrt
wird. Eine nachrangige weitere Leistungsverpflichtung des
Grundsicherungsträgers entsteht - anders als nach dem BSHG/SGB XII -,
selbst wenn weiter Hilfebedürftigkeit gegeben ist, nicht. Zwar kann
Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den
Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von der Antragstellung
vorliegen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Anders als im Sozialhilferecht ist der
Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II jedoch nicht von der Kenntnis
der Hilfebedürftigkeit abhängig, sondern bedarf des konstitutiven Akts
des Antrags. Mit diesem konstitutiven Akt wird das Verwaltungsverfahren
in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die
Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu
bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R
- SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Der Antrag hat insoweit Türöffnerfunktion.
Die konstitutive Wirkung des Antrags im SGB II und die nur formal
befristete Leistungsgewährung sind auch die entscheidenden
Gesichtspunkte, warum die Rechtsprechung des 8. Senat das BSG für das
Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bei dem die
Leistung ebenfalls von einem Antrag abhängig ist (§ 41 SGB XII), nicht
in die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden kann.
18
Der
8. Senat des BSG hat einen Fortzahlungsantrag im Recht der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ua deswegen nicht für
erforderlich befunden (BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R, BSGE
104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1), weil nur der Erstantrag
materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die
Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung sei. Mit der
ersten Antragstellung sei diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt und
danach gehe der Gesetzgeber von weitgehend gleichbleibenden
Verhältnissen aus, sodass sich insoweit ein Fortzahlungsantrag erübrige.
Der einjährige Bewilligungszeitraum des § 6 Satz 1 GSiG sei davon
getragen, dass die Rentenanpassungen jährlich erfolgten und eine
Mitwirkungspflicht des Hilfeempfängers nur bei der Meldung von
Veränderungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe
(BT-Drucks 14/4595, S 30, 71). Zudem seien dem Leistungsträger die
gesundheitlichen und Einkommensverhältnisse auch bekannt. Anders als im
SGB II hat er im Zweifel ohnehin von Amts wegen (Kenntnis von
Hilfebedürftigkeit) zu prüfen, ob ein Anspruch auf die nachrangige
Sozialhilfeleistung besteht. Die rechtliche Ausgangslage, wie oben
dargelegt, ist damit im SGB II eine grundlegend andere. Insoweit
verfängt auch nicht die Argumentation, ein einmal gestellter Antrag auf
Alg II/Sozialgeld entfalte für den nächsten Bewilligungszeitraum weitere
Wirkung, weil er als zeitlich unbefristeter Antrag durch die nur
befristete Leistungsgewährung noch nicht verbraucht sei.
19
Hat
ein Antrag verfahrensrechtliche, hier konstitutive Bedeutung, so hängt
von der Antragstellung zwar der Zeitpunkt des Leistungsbeginns ab. Der
Antrag erschöpft sich jedoch zugleich auch mit seiner Bescheidung. Die
Verwaltung ist mit der Bescheidung - im Sinne der Funktion des Antrags -
tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das
Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen geprüft, Leistungen bewilligt
oder abgelehnt (vgl BSG Urteil vom 28.10.2010 - B 14 AS 56/08 R, SozR
4-4200 § 37 Nr 1). Der Antrag ist bereits aus diesem Grunde auch nicht
insoweit unverbraucht geblieben. Zwar ist der Antrag so auszulegen, dass
das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt
(Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS
6/09 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 2; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08
R, SozR 4-4200 § 7 Nr 13 mwN; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom
7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1,
jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen
anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl
Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand
Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 Satz
4 SGB II umfasst dieses im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem
Zeitraum von sechs Monaten. Selbst nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II, der
den Bewilligungszeitraum auf bis zu zwölf Monate bei Berechtigten
verlängert, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse nicht zu
erwarten ist, ist jedoch eine Begrenzung vorgesehen. Der Gesetzgeber
geht mithin davon aus, dass außer in Ausnahmefällen der Anspruch auf
Leistungen der Grundsicherung sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach
einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die
Leistungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und
alsdann - auf Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung
zu unterziehen.
20
Hieraus folgt auch, dass die
Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Fortzahlung der Alhi ohne
Fortzahlungsantrag nicht ins SGB II übernommen werden kann. Zum Recht
der Alhi hat das BSG mehrfach entschieden, dass Arbeitslosmeldung und
Antrag auf Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine
Wirkung verlören (vgl Urteil vom 29.1.2001 - B 7 AL 16/00 R, BSGE 87,
262 = SozR 3-4300 § 196 Nr 1; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90,
BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr
75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29; zustimmend der 11. Senat des BSG Urteil
vom 29.6.2000 - B 11 AL 99/99 R, SozR 3-4100 § 152 Nr 10), weil es sich
bei Alg und Alhi im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit mit
Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich um einen
einheitlichen und fortwährenden Anspruch handele (BSG Urteil vom
12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29). Die Bewilligung
erfolge zwar nur für einen begrenzten Zeitraum (damals noch § 139a Abs 1
AFG, später § 190 Abs 3 Satz 1 SGB III) und danach sei das weitere
Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer erneuten Überprüfung zu
unterziehen (zu § 139a Abs 2 AFG: BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr
6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; später § 190 Abs 3 Satz 2
SGB III). Eines neuen Antrags bedurfte es dazu jedoch - anders als im
SGB II - nicht, denn die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung der
Antragstellung/Arbeitslosmeldung war bereits erfüllt und der
einheitliche Anspruch auf Alg/Alhi - sofern die weiteren
Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin gegeben waren - wurden durch den
Ablauf des Bewilligungsabschnitts nicht berührt.
21
Schließlich
belegen auch Sinn und Zweck des § 37 Abs 1 SGB II das
Antragserfordernis für eine Fortzahlung von Leistungen im Anschluss an
einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum. Durch eine Antragstellung
bringt der Leistungsberechtigte zum Ausdruck, dass sich aus seiner Sicht
die tatsächliche und rechtliche Lage nicht grundlegend geändert habe
und er weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung benötige. Er fordert
damit die Verwaltung im Sinne der konstitutiven Wirkung dieses Begehrens
auf zu überprüfen, ob und ggf in welchem Umfang für den nächsten
Bewilligungsabschnitt Leistungen zu gewähren sind. Soweit die Kläger
geltend machen, dass dem Leistungsträger bei Fortwirkung des Erstantrags
im Falle der Überzahlung die Instrumentarien insbesondere der Aufhebung
wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X zur
Verfügung stünden, vermag der Senat hierin kein Argument gegen das
Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu erkennen. Vielmehr soll die
Anwendung dieser Vorschrift mit Rücksicht auf die sich im
Grundsicherungsbereich häufig ändernden Lebens- und
Wirtschaftsverhältnisse begrenzt werden. Nur aufgrund der Begrenzung der
Bewilligungszeiträume mit dem Erfordernis eines Fortzahlungsantrags
können Änderungsverfügungen selbst und deren Frequenz für den
Leistungsträger und den Leistungsempfänger überschaubar bleiben (vgl
hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR
4-4200 § 11 Nr 15).
22
4. Nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Fortzahlungsantrag im
vorliegenden Fall am 26.9.2008 bei dem Beklagten eingegangen; die Kläger
haben die Feststellungen des LSG nicht mit zulässigen Verfahrensrügen
angegriffen. Es ist daher nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II von diesem Datum
als Leistungsbeginn auszugehen.
23
5. Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand nach § 27 SGB X ist den Klägern nicht zu gewähren. Nach §
27 Abs 1 SGB X ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist
einzuhalten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte
die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 37 SGB II nicht um eine
gesetzliche Frist handele (s nur LSG Baden-Württemberg Urteil vom
26.11.2008 - L 2 AS 6052/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom
17.4.2008 - L 9 AS 69/07; Hessisches LSG Urteil vom 18.12.2009 - L 7 AS
413/09, anhängig beim BSG unter B 4 AS 29/10 R). Dem folgt der Senat,
denn § 37 SGB II setzt keine Frist fest, sondern regelt lediglich das
Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die
Antragstellung selbst ist nicht an eine Frist gebunden und der
Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stellt
keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl hierzu auch Eicher
in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 106b).
24
6.
Die Kläger können die Leistungen für den streitigen Zeitraum auch nicht
über einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch erhalten. Der
sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl ua BSG
Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10),
dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines
Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung
und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich,
dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem
Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln
eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden
können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem
jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl zum
Lohnsteuerklassenwechsel BSG Urteil vom 1.4.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE
92, 267, 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 mit zahlreichen weiteren
Nachweisen). Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an einer
Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar kann es eine sich aus dem
speziellen Sozialrechtsverhältnis des SGB II ergebende Pflicht des
Grundsicherungsträgers sein, den Hilfebedürftigen vor dem Ablauf des
letzten Bewilligungszeitraums über das Erfordernis eines
Fortzahlungsantrags zu beraten (s hierzu Entscheidung des Senats vom
selben Tag B 4 AS 29/10 R). Gleichwohl besteht hier kein
sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Der Beklagte ist seiner
Verpflichtung zur Unterrichtung der Kläger - wie er in den Fachlichen
Hinweisen der BA unter Ziffer 37.11a dargelegt worden ist -
nachgekommen. Die Kläger haben von dem Beklagten - nach den
Feststellungen des LSG - mit Schreiben vom 4.7.2008 einen Hinweis auf
das Ende des Bewilligungszeitraumes erhalten, ihnen wurde ein
Fortzahlungsantragsformular übersandt und sie wurden auf das Erfordernis
der Antragstellung für die Weiterbewilligung (vor Ablauf des
Bewilligungszeitraumes) hingewiesen. Die Kläger haben die Feststellungen
des LSG insoweit nicht angegriffen. Der Beklagte hat damit alles
objektiv Erforderliche zur Beratung der Kläger getan.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=11970
Gruß Willi S
für Arbeitsuchende - Notwendigkeit Fortzahlungsantrag für neuen
Bewilligungszeitraum - keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand -
kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Jobcenter als
Rechtsnachfolger der Arbeitsgemeinschaft - Beteiligtenfähigkeit bzw
-wechsel - keine Klageänderung - Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften
über die gemeinsame Einrichtung
Leitsätze
Die
Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II nach Beendigung des Bewilligungszeitraums erfordert einen
Fortzahlungsantrag.
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008.
2
Die
Kläger bezogen im Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2008 existenzsichernde
Leistungen nach dem SGB II. In einem Schreiben vom 4.7.2008 wies der
Beklagte die Kläger darauf hin, dass der Leistungsbezug am 31.8.2008
ende und - da Leistungen nur auf Antrag gewährt werden könnten - ein
Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor dem Ablauf des Bewilligungsabschnitts
gestellt werden müsse. Ein Antragsformular fügte er bei.
3
Der
Fortzahlungsantrag der Kläger ging am 26.9.2008 bei dem Beklagten ein.
Darauf bewilligte er den Klägern ab diesem Tag SGB II-Leistungen bis zum
28.2.2009. Der Widerspruch der Kläger, mit dem sie Leistungen bereits
ab dem 1.9.2008 begehren, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom
18.2.2009).
4
SG Gelsenkirchen und LSG Nordrhein-Westfalen
haben die Entscheidung des Beklagten bestätigt (Urteile des SG vom
11.12.2009 und des LSG vom 11.5.2010). Das LSG hat zur Begründung
ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im Zeitraum
vor der Antragstellung hätten, denn Alg II bzw Sozialgeld werde nach dem
Wortlaut des § 37 SGB II nur auf Antrag gewährt. Insoweit komme es
nicht darauf an, ob es sich um einen Erst- oder einen Fortzahlungsantrag
handele. § 37 SGB II differenziere nach der Gesetzesbegründung insoweit
nicht. Verfahrensrechtlich bleibe ein einmal gestellter Antrag nur so
lange bestehen, bis er beschieden worden sei, sodass für den nächsten
Bewilligungsabschnitt auch ein neuer Antrag erforderlich werde. Diese
Rechtsanwendung werde durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt, wonach
Folgezeiträume nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits über
einen vorhergehenden Bewilligungsabschnitt sein könnten. Die
Rechtsprechung des BSG zum SGB III (Alhi) hinsichtlich der Fortwirkung
der Antragstellung über den Bewilligungsabschnitt hinaus könne nicht auf
das SGB II übertragen werden. Der Antrag habe im SGB III
materiell-rechtliche Wirkung gehabt, was im SGB II nicht der Fall sei.
Habe der Antrag im SGB II jedoch nur verfahrensrechtliche Funktion,
verliere er seine Wirkung mit der Beendigung des Verwaltungsverfahrens.
Ebenso sei die Entbehrlichkeit eines Folgeantrags, wie der 8. Senat des
BSG sie für das Recht der Grundsicherung im Alter und wegen
Erwerbsminderung angenommen habe, nicht auf das SGB II übertragbar. Dort
sei von einem geringen Anpassungs- oder Änderungsbedarf nach Ablauf des
Bewilligungszeitraums auszugehen. Insoweit unterscheide sich die
Situation im SGB II - allein schon aufgrund der Einbeziehung der
gesamten Bedarfsgemeinschaft - grundlegend. Sie führe zu einem schnellen
und häufigen Wechsel des Bedarfs. Eine Antragstellung der Kläger vor
dem 1.9.2008 sei nicht nachgewiesen und eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand komme nicht in Betracht, da hier keine gesetzliche Frist
versäumt worden sei. Auch im Wege des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs kämen die Kläger nicht zu dem Leistungsanspruch im
streitigen Zeitraum, denn eine Nebenpflichtverletzung des Beklagten sei
weder geltend gemacht, noch liege sie vor.
5
Die Kläger haben
die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügen eine Verletzung
von § 37 SGB II. Nach dem Wortlaut des § 37 SGB II sei eine erneute
Antragstellung nicht erforderlich. Systematisch sei das SGB II auf
Dauerleistungen angelegt, die nicht durch den Ablauf eines
Bewilligungsabschnitts unterbrochen würden. Sinn und Zweck der
Leistungsbewilligung in Abschnitten sei die daraus erwachsende
Möglichkeit, den Einfluss des Leistungsträgers auf die Vermittlung des
Hilfebedürftigen zu stärken. Dazu bedürfe es der regelhaften
Unterbrechung in Bewilligungszeiträume jedoch nicht. Den praktischen
Schwierigkeiten könne mit den Vorschriften zur mangelnden Mitwirkung
nach §§ 60 ff SGB I Rechnung getragen werden.
6
Die Kläger beantragen,
die
Urteile des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11. Dezember 2009 und des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 aufzuheben
sowie den Bescheid vom 29. September 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten
zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in
gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 1. September bis 25.
September 2008 zu gewähren.
7
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9
Die zulässige Revision ist unbegründet.
10
Die
Entscheidung des LSG ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB
II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008. Es mangelt insoweit an einem
Leistungsantrag nach § 37 Abs 1 SGB II für den streitigen Zeitraum. Es
war vorliegend auch nicht auf das Antragserfordernis zu verzichten, weil
eine Fortzahlung von Leistungen im direkten Anschluss an einen
vorhergehenden Bewilligungszeitraum begehrt wird (3.). Nach den für den
Senat bindenden Feststellungen des LSG ist der Zugang eines Antrags bei
dem Beklagten für den Leistungsabschnitt ab dem 1.9.2008 nicht vor dem
26.9.2008 nachgewiesen (4.). Den Klägern ist insoweit auch weder eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X einzuräumen (5.),
noch steht ihnen ein Anspruch auf Leistungen aufgrund eines
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu (6.).
11
1. Das
beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht
insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei
dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112)
handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB
II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom
1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche
Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm
1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen
Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die
Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und
Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß §
76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als
Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten
Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem
Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige
Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des
bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt
insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser
kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der
Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im
Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1
SGG dar (vgl BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 = BSGE 62, 269, 270 f
= SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R = BSGE
99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das
Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
12
Verfassungsrechtliche
Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II idF des Gesetzes vom
3.8.2010 (BGBl I 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde
Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz
zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944)
in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in:
Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl
2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in: v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar
zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f; unklar
Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl 2010, Art 91e RdNr 26
ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung
innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten
Gestaltungsspielraums bewegt (vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff; Volkmann,
aaO, RdNr 6 f).
13
2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens
ist der Bescheid vom 29.9.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.2.2009, mit dem der Beklagte den Klägern
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den
Zeitraum vom 26.9.2008 bis 28.2.2009 bewilligt hat. Die Kläger haben
diesen Bescheid hinsichtlich des Leistungsbeginns angefochten und machen
einen Anspruch auf Alg II und Sozialgeld auch für den Zeitraum vom
1.9.2008 an, dem ersten Tag nach dem Ende der Bewilligung durch den
Bescheid vom 10.4.2008, bis zum 25.9.2008 zutreffend im Wege der
kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.
14
3.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern im streitigen Zeitraum
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu
gewähren. Es fehlt insoweit bereits an einem Antrag.
15
Nach §
37 Abs 1 SGB II werden Leistungen auf Antrag und zudem nicht für Zeiten
vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II). Die
gesetzlich geregelte einzige Ausnahme hiervon besteht, wenn die
Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag eintreten, an dem der zuständige
Träger von Leistungen nach dem SGB II nicht geöffnet hat. Dann wirkt ein
unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2
SGB II). Das Antragserfordernis gilt auch nicht nur für das erstmalige
Begehren der Leistungsgewährung, sondern ebenso im Fortzahlungsfalle (s
auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.3.2010 - L 12 AS 1857/09,
Revision anhängig beim BSG unter B 14 AS 55/10 R; LSG Berlin-Brandenburg
Urteil vom 13.3.2009 - L 14 B 2368/08 AS PKH, ZFSH/SGB 2009, 221; SG
Reutlingen Urteil vom 17.3.2008 - S 12 AS 2203/06; so wohl auch LSG
Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.9.2008 - L 9 B 39/08 AS, RdNr 17; aA
SG Reutlingen Urteil vom 13.12.2007 - S 3 AS 3000/07). Dieses folgt aus
Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und
Zweck der Regelung.
16
Aus dem Wortlaut des § 37 SGB II lässt
sich eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und
Fortzahlungsanträgen nicht entnehmen. Die Regelung stellt allgemein auf
das Erfordernis der Antragstellung als Voraussetzung für den
Leistungsbeginn ab. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird betont,
dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe, sodass
Leistungen erst ab Antragstellung zustünden (BT-Drucks 15/1516, S 62).
Ein Hinweis darauf, dass insoweit zwischen dem erstmaligen
Leistungsbegehren und einem Anspruch auf die Fortzahlung zu
differenzieren sei, findet sich nicht.
17
Das
Antragserfordernis im Fortzahlungsfall wird vielmehr durch Überlegungen
zur Systematik des Verhältnisses von Alg II-/Sozialgeldanspruch und
Antrag bestätigt. Die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erfolgt
für in der Regel 6 Monate (§ 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) und kann auf einen
Zeitraum bis zu einem Jahr ausgedehnt werden. Die Befristung erfolgt
zum einen, um die Grundsicherungsleistungen wegen des Ziels der
Eingliederung in den Arbeitsmarkt von vornherein nur auf den hierfür
unerlässlichen Zeitraum zu begrenzen (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4
AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Es handelt sich
insoweit - wie auch bei der Alhi (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.11.2006 -
B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3) - nicht um eine rentenähnliche
Dauerleistung. Zum anderen können durch die Befristung Änderungen der
Verhältnisse - insbesondere bedingt durch wechselnde
Einkommensverhältnisse und Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft -
verfahrensrechtlich und verwaltungstechnisch leichter bearbeitet und
erfasst werden (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101,
291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl hierzu auch Eicher in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 2). In diesen Zweck
der Befristung der Leistungen fügt es sich systematisch zwingend ein,
die Leistungsgewährung von der Antragstellung abhängig zu machen (BSG
Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11
Nr 15). Insoweit gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen der
Situation der Erstantragstellung und der beanspruchten Folgebewilligung.
Ebenso wie eine Leistungspflicht des SGB II-Leistungsträgers nicht vor
einem Kontakt - es reicht ein formloser Antrag - zwischen dem
Leistungsberechtigten und ihm entsteht, entfällt sie ohne Antrag
vollständig, wenn keine Fortzahlung von Alg II oder Sozialgeld begehrt
wird. Eine nachrangige weitere Leistungsverpflichtung des
Grundsicherungsträgers entsteht - anders als nach dem BSHG/SGB XII -,
selbst wenn weiter Hilfebedürftigkeit gegeben ist, nicht. Zwar kann
Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den
Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von der Antragstellung
vorliegen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Anders als im Sozialhilferecht ist der
Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II jedoch nicht von der Kenntnis
der Hilfebedürftigkeit abhängig, sondern bedarf des konstitutiven Akts
des Antrags. Mit diesem konstitutiven Akt wird das Verwaltungsverfahren
in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die
Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu
bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R
- SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Der Antrag hat insoweit Türöffnerfunktion.
Die konstitutive Wirkung des Antrags im SGB II und die nur formal
befristete Leistungsgewährung sind auch die entscheidenden
Gesichtspunkte, warum die Rechtsprechung des 8. Senat das BSG für das
Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bei dem die
Leistung ebenfalls von einem Antrag abhängig ist (§ 41 SGB XII), nicht
in die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden kann.
18
Der
8. Senat des BSG hat einen Fortzahlungsantrag im Recht der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ua deswegen nicht für
erforderlich befunden (BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R, BSGE
104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1), weil nur der Erstantrag
materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die
Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung sei. Mit der
ersten Antragstellung sei diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt und
danach gehe der Gesetzgeber von weitgehend gleichbleibenden
Verhältnissen aus, sodass sich insoweit ein Fortzahlungsantrag erübrige.
Der einjährige Bewilligungszeitraum des § 6 Satz 1 GSiG sei davon
getragen, dass die Rentenanpassungen jährlich erfolgten und eine
Mitwirkungspflicht des Hilfeempfängers nur bei der Meldung von
Veränderungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe
(BT-Drucks 14/4595, S 30, 71). Zudem seien dem Leistungsträger die
gesundheitlichen und Einkommensverhältnisse auch bekannt. Anders als im
SGB II hat er im Zweifel ohnehin von Amts wegen (Kenntnis von
Hilfebedürftigkeit) zu prüfen, ob ein Anspruch auf die nachrangige
Sozialhilfeleistung besteht. Die rechtliche Ausgangslage, wie oben
dargelegt, ist damit im SGB II eine grundlegend andere. Insoweit
verfängt auch nicht die Argumentation, ein einmal gestellter Antrag auf
Alg II/Sozialgeld entfalte für den nächsten Bewilligungszeitraum weitere
Wirkung, weil er als zeitlich unbefristeter Antrag durch die nur
befristete Leistungsgewährung noch nicht verbraucht sei.
19
Hat
ein Antrag verfahrensrechtliche, hier konstitutive Bedeutung, so hängt
von der Antragstellung zwar der Zeitpunkt des Leistungsbeginns ab. Der
Antrag erschöpft sich jedoch zugleich auch mit seiner Bescheidung. Die
Verwaltung ist mit der Bescheidung - im Sinne der Funktion des Antrags -
tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das
Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen geprüft, Leistungen bewilligt
oder abgelehnt (vgl BSG Urteil vom 28.10.2010 - B 14 AS 56/08 R, SozR
4-4200 § 37 Nr 1). Der Antrag ist bereits aus diesem Grunde auch nicht
insoweit unverbraucht geblieben. Zwar ist der Antrag so auszulegen, dass
das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt
(Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS
6/09 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 2; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08
R, SozR 4-4200 § 7 Nr 13 mwN; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom
7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1,
jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen
anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl
Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand
Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 Satz
4 SGB II umfasst dieses im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem
Zeitraum von sechs Monaten. Selbst nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II, der
den Bewilligungszeitraum auf bis zu zwölf Monate bei Berechtigten
verlängert, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse nicht zu
erwarten ist, ist jedoch eine Begrenzung vorgesehen. Der Gesetzgeber
geht mithin davon aus, dass außer in Ausnahmefällen der Anspruch auf
Leistungen der Grundsicherung sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach
einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die
Leistungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und
alsdann - auf Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung
zu unterziehen.
20
Hieraus folgt auch, dass die
Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Fortzahlung der Alhi ohne
Fortzahlungsantrag nicht ins SGB II übernommen werden kann. Zum Recht
der Alhi hat das BSG mehrfach entschieden, dass Arbeitslosmeldung und
Antrag auf Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine
Wirkung verlören (vgl Urteil vom 29.1.2001 - B 7 AL 16/00 R, BSGE 87,
262 = SozR 3-4300 § 196 Nr 1; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90,
BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr
75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29; zustimmend der 11. Senat des BSG Urteil
vom 29.6.2000 - B 11 AL 99/99 R, SozR 3-4100 § 152 Nr 10), weil es sich
bei Alg und Alhi im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit mit
Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich um einen
einheitlichen und fortwährenden Anspruch handele (BSG Urteil vom
12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29). Die Bewilligung
erfolge zwar nur für einen begrenzten Zeitraum (damals noch § 139a Abs 1
AFG, später § 190 Abs 3 Satz 1 SGB III) und danach sei das weitere
Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer erneuten Überprüfung zu
unterziehen (zu § 139a Abs 2 AFG: BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr
6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; später § 190 Abs 3 Satz 2
SGB III). Eines neuen Antrags bedurfte es dazu jedoch - anders als im
SGB II - nicht, denn die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung der
Antragstellung/Arbeitslosmeldung war bereits erfüllt und der
einheitliche Anspruch auf Alg/Alhi - sofern die weiteren
Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin gegeben waren - wurden durch den
Ablauf des Bewilligungsabschnitts nicht berührt.
21
Schließlich
belegen auch Sinn und Zweck des § 37 Abs 1 SGB II das
Antragserfordernis für eine Fortzahlung von Leistungen im Anschluss an
einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum. Durch eine Antragstellung
bringt der Leistungsberechtigte zum Ausdruck, dass sich aus seiner Sicht
die tatsächliche und rechtliche Lage nicht grundlegend geändert habe
und er weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung benötige. Er fordert
damit die Verwaltung im Sinne der konstitutiven Wirkung dieses Begehrens
auf zu überprüfen, ob und ggf in welchem Umfang für den nächsten
Bewilligungsabschnitt Leistungen zu gewähren sind. Soweit die Kläger
geltend machen, dass dem Leistungsträger bei Fortwirkung des Erstantrags
im Falle der Überzahlung die Instrumentarien insbesondere der Aufhebung
wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X zur
Verfügung stünden, vermag der Senat hierin kein Argument gegen das
Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu erkennen. Vielmehr soll die
Anwendung dieser Vorschrift mit Rücksicht auf die sich im
Grundsicherungsbereich häufig ändernden Lebens- und
Wirtschaftsverhältnisse begrenzt werden. Nur aufgrund der Begrenzung der
Bewilligungszeiträume mit dem Erfordernis eines Fortzahlungsantrags
können Änderungsverfügungen selbst und deren Frequenz für den
Leistungsträger und den Leistungsempfänger überschaubar bleiben (vgl
hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR
4-4200 § 11 Nr 15).
22
4. Nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Fortzahlungsantrag im
vorliegenden Fall am 26.9.2008 bei dem Beklagten eingegangen; die Kläger
haben die Feststellungen des LSG nicht mit zulässigen Verfahrensrügen
angegriffen. Es ist daher nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II von diesem Datum
als Leistungsbeginn auszugehen.
23
5. Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand nach § 27 SGB X ist den Klägern nicht zu gewähren. Nach §
27 Abs 1 SGB X ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist
einzuhalten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte
die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 37 SGB II nicht um eine
gesetzliche Frist handele (s nur LSG Baden-Württemberg Urteil vom
26.11.2008 - L 2 AS 6052/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom
17.4.2008 - L 9 AS 69/07; Hessisches LSG Urteil vom 18.12.2009 - L 7 AS
413/09, anhängig beim BSG unter B 4 AS 29/10 R). Dem folgt der Senat,
denn § 37 SGB II setzt keine Frist fest, sondern regelt lediglich das
Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die
Antragstellung selbst ist nicht an eine Frist gebunden und der
Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stellt
keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl hierzu auch Eicher
in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 106b).
24
6.
Die Kläger können die Leistungen für den streitigen Zeitraum auch nicht
über einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch erhalten. Der
sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl ua BSG
Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10),
dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines
Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung
und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich,
dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem
Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln
eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden
können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem
jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl zum
Lohnsteuerklassenwechsel BSG Urteil vom 1.4.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE
92, 267, 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 mit zahlreichen weiteren
Nachweisen). Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an einer
Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar kann es eine sich aus dem
speziellen Sozialrechtsverhältnis des SGB II ergebende Pflicht des
Grundsicherungsträgers sein, den Hilfebedürftigen vor dem Ablauf des
letzten Bewilligungszeitraums über das Erfordernis eines
Fortzahlungsantrags zu beraten (s hierzu Entscheidung des Senats vom
selben Tag B 4 AS 29/10 R). Gleichwohl besteht hier kein
sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Der Beklagte ist seiner
Verpflichtung zur Unterrichtung der Kläger - wie er in den Fachlichen
Hinweisen der BA unter Ziffer 37.11a dargelegt worden ist -
nachgekommen. Die Kläger haben von dem Beklagten - nach den
Feststellungen des LSG - mit Schreiben vom 4.7.2008 einen Hinweis auf
das Ende des Bewilligungszeitraumes erhalten, ihnen wurde ein
Fortzahlungsantragsformular übersandt und sie wurden auf das Erfordernis
der Antragstellung für die Weiterbewilligung (vor Ablauf des
Bewilligungszeitraumes) hingewiesen. Die Kläger haben die Feststellungen
des LSG insoweit nicht angegriffen. Der Beklagte hat damit alles
objektiv Erforderliche zur Beratung der Kläger getan.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=11970
Gruß Willi S
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Mi Jul 15, 2015 12:52 am von Willi Schartema
» LSG NRW sieht erkennt Anordnungsgrund bei Mietschulden ohne vorherige Räumungsklage
Do Jun 18, 2015 11:50 am von Willi Schartema
» Zur Unvereinbarkeit des § 31a SGB II (Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen) in Verbindung mit § 31 SGB II
Di Jun 16, 2015 9:43 am von Willi Schartema
» Keine schlüssigen Konzepte durch „Analyse und Konzepte“ KDU
So Jun 07, 2015 8:58 am von Willi Schartema
» Rechtsfolgenbelehrung für Jobcenter-Mitarbeiter
Do Mai 28, 2015 4:20 am von Willi Schartema
» Sanktionen bei ALG II im SGB II hält das Sozialgericht Gotha für Verfassungswidrig Außerdem stünden die Sanktionen im Widerspruch zu den Artikeln 1 2 12 sowie 20 so verkündet am 26.05.2015
Do Mai 28, 2015 1:58 am von Willi Schartema
» Gutachter ist für 50.000 Abschiebungen verantwortlich
So Apr 19, 2015 4:59 am von Willi Schartema
» BA-Leitfaden informiert umfassend über Teilzeitausbildung
So Apr 19, 2015 4:59 am von Willi Schartema
» Broschüre: Überblick zu den Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz zum 1. März 2015
So Apr 19, 2015 4:58 am von Willi Schartema
» Änderungen durch das neue Pflegestärkungsgesetz I (PSG I) seit 1.1.2015
So Apr 19, 2015 4:57 am von Willi Schartema